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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 8 (23. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0061
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Verbürgte
Auflage 5000.
Zentral-OrganfürSammelwesen,
Versteigerungen und AlterthumSkuude.
Verbürgte
Auflage 5000.
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44. Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
Nr. 8.
Abonnement: Stuttgart, 23. Februar 18S8 Anzeigen:
Deutschland u. Oesterreich 2.50 » e » Di« Nonpareiilezeil« ober deren
viertehährlich, Ausland S.— (Erscheint wöchentlich.) Raum so Psg., Auktionen so Psg.
6. Jahrgang.

A! Die Wissenschaften sind Gemeingut, Weil das Denken E
Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des Wissens H
schöpft. (W. Wundt.) E

Von der Anthropologischen Ge-
sellschaft in Hamburg.

Die westafrikanischen Bronzefunde von Benin
bildeten den Gegenstand eines sehr lehrreichen und an-
regenden Vortrags, den Professor Justus Brinckmann,
Direktor des Museums für Kunstgewerbe zu Hamburg,
in der letzten Sitzung der dortigen Anthropologischen
Gesellschaft hielt. In den letzten Jahrzehnten ist wohl
aus dem dunklen Erdtheil, der für uns noch so viele
Räthsel umschließt, keine den Ethnographen so über-
raschende Kunde gekommen, wie diese Auffindung einer
hochentwickelten, scheinbar völlig vereinzelt dastehenden
Negerkunst. Es ist ja noch in aller Erinnerung, wie
zu Anfang dieses Jahres die Engländer einen Kriegs-
M ausrüsteten gegen das Negerreich Benin, an der
Küste des britischen MZor Ooast Lrotsetorato, das bis
vor Kurzem unter dem Namen der Oil-Rioer-Colonie
bekannt war. Große kriegerische Lorbeern konnte sich
das Expeditionsheer nicht holen, der sogenannte König
von Benin sollte für die Niedermetzelung eines engli-
schen Forschungszuges bestraft werden, und das geschah
durch die völlige Zerstörung seiner Hauptstadt. Es war
um 20. und 21. Februar d. I., als die nur aus leichten
Hütten bestehende Negerstadt von den englischen Truppen
und ihrem großen Trägertroß völlig eingeäschert wurde.
Im Hause des Königs, der Königin-Mutter und der
Großen des Stammes wurden nun bei der Plünderung,
der sich alles rückhaltlos hingab, einige Schätze von
geschnitztem Elfenbein, von werlhvollen Bronzen und
alten Holzarbeiten gefunden. Einen großen Theil dieser
Kunstgegenstände Halle man in einer Halle des Königs-
hofes zusammengebracht und aufgestellt, aber auch der
Palast des Herrschers, übrigens auch nur aus stark
eisenhaltigem Lehm und Schilf in der Art eines alt-
römischen Hauses errichtet, fiel der Zerstörungswuth
-"Uppen und der Brandfackel anheim. Nur etwa
Bronzen sind nach London gelangt, große Elfen-
bemschätze nach Berlin in's Museum für Völkerkunde
und einige weitere Stücke auch nach Hamburg. Aber
cm Vergleich dieser nach Europa geretteten Stücke
zeigt, daß die Hamburger inhaltlich weitaus am werth-
vollsten, zum Theil geradezu einzig sind ; einige Sachen
sind bereits vom Kunstgewerbemuseum erworben worden,
andere werden voraussichtlich in den Besitz des Natur-
historischen Museums der Stadt übergehen. Eine zur
Beurtheilung dieser zunächst ganz räthselhaften Erzeug-
nisse einer bisher unbekannten Negerkunst sehr will-
kommene Ergänzung liefern die Berichte und photo-
graphischen Aufnahmen eines Herrn Erdmann, eines
jungen Hamburger Kaufmanns, der wenige Monate

nach dem Kriegszuge der Engländer die in Schutt und
Trümmern liegende Residenz besuchte, dort Nachgrab-
ungen anstellte und noch sehr werthvolle Funde machen
konnte. Unter den englischen Offizieren scheint keiner
gewesen zu sein, der so viel völkerkundliches und kunst-
geschichtliches Interesse gehabt hätte, sich an Ort und
Stelle über die Bedeutung, Art und Verwendung der
einheimischen Kunst zu unterrichten. In den großen,
illustrirten, englischen Zeitschriften finden sich nur mehr
oder weniger phantasiereiche Zeichnungen, die zur Ver-
herrlichung der Expeditionstruppen dienen, aber keine
echten Darstellungen von geschichtlichem Werth, die
einen Begriff von der Cultur Benins geben könnten.
Unter den Hamburger Photographien befindet sich aber


Handschuh aus Plättchen und Panzerzeug bestehend, sogenannter
Brigantinhandschuh, geätzt uud vergoldet. Deutsch nach italienischem
Muster, um töso.

einePJnnenaufnahme aus dem Hause der Königin-
Mutter, die uns deutlich die dekorative Verwendung
der Bronzen und Elfenbeinschnitzereien zeigt. Zwischen
den mit Lehmreliefs geschmückten Pfeilern, die das
Dach des Hauses stützen, breiten sich zwei hohe Streifen
aus steinhart gewordenem Lehm aus, die wie ein Seiten-
bord zur Aufnahme der Kunstgegenstände dienen. Die
senkrechte Vorderseite dieser Streifen ist mit einem
Mosaik von Porzellanscherben in ornamentalen Mustern
verziert, auf ihrer wagrechten Oberfläche sind die Bronzen
und Elfenbeinschnitzereien aufgestellt, sodaß das Ganze
an unsere Steinborde für Gläser, Majoliken und Por-
zellane erinnert. Dahinter, an der Wand, waren wohl
die großen Reliefplatten angebracht, welche die Haupt-
zierde der Sammlungen bilden; wenigstens deuten

Nagellöcher in entsprechenden Abständen da rauf hin.
An den zu uns gekommenen Proben dieser Negerkunst
ist das Merkwürdigste, daß ihre Technik so vollendet
ist, wie sie nur nach langer Kunstübung sich bei einem
begabten Volke entwickeln kann. Alle Bronzestücke sind
aus einem Stück gegossen nach dem bekannten Wachs-
modellschmelzverfahren, das wir an den Erzeugnissen
verschiedener alter Völker bewundern, so bei den Natio-
nen des elastischen Alterthums, bei Chinesen und Ja-
panern, schließlich auch bei den Bronzewerken unseres
deutschen Mittelalters. Bekanntlich wird für diesen
Guß das Modell ganz in Wachs hergestellt, vorsichtig
mit dünnen Thonschichten nacheinander überkleidet, dann
von außen durch stärkere Thonumhüllung und zusammen-
haltende Eisenkrampen gesichert. Durch Erhitzen schmelzt
man das Wachsmodell aus und durch Eingußröhren,
die ebenso wie Windpfeifen für die ausströmende Luft
schon von vornherein angebracht sind, wird der Guß
in die noch heiße Form bewerkstelligt. Dieses Verfahren
ist sehr schwierig — bei uns ist es z. B. verloren ge-
gangen — es erfordert große Sicherheit in der Be-
handlung des Stoffes und große Erfahrung. Um so
erstaunlicher ist die hohe Vollendung, zu der die Neger
von Benin es in der Handhabung dieser Technik ge-
bracht haben. Da ist z. B. eine große figurenreiche
Reliefplaite, die einen siegreichen Negerkönig in der
Schlacht darstellt. Der König überragt, ganz wie in
den altägyptischen Darstellungen, alle übrigen um ein
Bedeutendes, er füllt fast die ganze Höhe der etwa
einen halben Meter hohen Platte aus. Ec ist geschmückt
mit den Attributen des Herrschers, einem kostbaren
Kopfschmuck, einer Halskette aus Nilpferdstoßzähnen und
einer großen, kunstreich gearbeiteten Glocke, die ihm
auf der Brust hängt. Unterm linken Arm trägt er die
Scheide seines Schlachtschwertes eingeklemmt, das er —
eine gewaltige, gekrümmte Klinge, überm Haupte seines
Gegners schwingt. Dieser Gegner ist mit das Inte-
ressanteste an dem ganzen Werk. Ec ist deutlich von
einem andern Gesichtsschnitt, mit langer, gebogener
Nase und üppigem Haarwuchs ausgestattet. Er reitet
auf einem Maulthier, das einen Beißkorb trägt, ganz
Wie die Reitlhiere unseres Mittelalters. Der Neger-
könig hat den fremden Krieger an seinem Haupthaar
heruntergezogen und ihm einen schweren Hieb, bis he-
runter zum Sattel, beigebracht, was sehr stark und
realistisch zur Anschauung gebracht ist. Einige
kleinere Figuren sind noch angebracht, eine mit dem
abgeschlagenen Haupte eines Fremden in der Hand,
zwei Bewaffnete mit Musikinstrumenten und zwei Ge-
stalten, die sich bemühen, einen Fetischbaum aufzurichten,
der mit seinen merkwürdigen Zieraten am Boden liegt.
Solchen Fetischbaum gelang es dem genannten Ham-
burger Herrn aus dem Schutt des zerstörten Königinnen-
hauses auszugraben, einen aus vier Stockwerken zu-
sammengesetzten schweren Bronzestab, der eine große
Fülle bildlicher Darstellungen aufweist: verblüffend
lebenswahre Chamäleone, Antilopen- und Pantherköpfe,
jeder Absatz des Baumes getragen von einer Königs-
figur. Sämmtliche Figuren der Platte sind bis in's
feinste ausgearbeitet, von hervorragender Lebendigkeit;
 
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