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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 44 (2. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0349
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Offizielles Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reichsmuseums" in Stuttgart.


Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.

Nr. 44

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich S.S0.
vierteljährlich, Ausland S.—.

Stuttgart, 2. November 18S8
(Erscheint wöchentlich.)

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Die Nonpareillezetl« oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen so Pfg.

6. Jahrgang.

Die Wissenschaften find Gemeingut, weil da» Denken E
Gemeingut ist, und dar Denken aus der Quelle de» Wissen» 8
schöpft. (W. Wundt.) K

Winke für Sammler
von HtekLcrrnemarKen.
Von G. R.

Bei der stetigen Ausbreitung des Reklamemarken-
wesens, bei der Fülle und Verschiedenartigkeit des hie-
bei in Betracht kommenden Materials, bei den in
Schwärmen noch zu oerwerthenden Neuheiten auf diesem
Gebiet und nicht zuletzt bei der Hilflosigkeit mancher
Neulinge dürfte eine Zergliederung in einzelne Gruppen
schon jetzt nicht unnölhig sein.
Sammeln und Sammeln ist eben zweierlei. Ein
Anhäufen von Dingen ist noch lange kein Sammeln.
Und so befriedigend der Anblick einer, wenn auch noch
so kleinen, aber systematisch angelegten Sammlung auf
das Auge des Beschauers wirkt, sei dieser Laie oder
Kenner, so sinnlos, ja oft lächerlich erscheint eine Sam-
melei, bei welcher alles Mögliche und Unmögliche unter
der Bezeichnung „Sammlung" zusammengelragen wird.
Die schönste Befriedigung des Sammelns, das er-
wählte Gebiet zu beherrschen und innerhalb desselben
etwas möglich st Voll st ändiges zu erreichen,
geht den Meisten verloren, da die Wenigsten es ver-
stehen, oder in ihrer Sammel wu t h es nicht über
sich bringen können, sich zum Beginn ihrer Sammel-
thätigkeit ein Ziel zu setzen, einen Mittelpunkt, dem
sie zusteuern, und von welchem aus sie die Kreise als-
dann ja immer weiter zu ziehen vermögen.
Die Entwickelung der Reklamemarke geht mit dem
Aufschwung des Plakatwesens Hand in Hand. — Zur
Zeit, als man sich bei den öffentlichen Plakaten noch
mit der Wirkung großen, unverzierten Schriftsatzes auf
großen Papierformaten begnügte, war auch noch kein Be-
dürfniß nach der Reklamemarke am Platz. Damals ver-
schloß man seine Briefkouverts noch mit den gebräuch-
lichen Oblaten im Typus der behördlichen Papiersiegel,
deren Ausstattung füglich schon als luxuriös gelten
konnte, wenn außer der Tilelschrift noch ein Zierat,
Embleme oder Wappen angebracht war. Man achtete
bei Verwendung solcher Siegel - Oblaten auch stets ge-
wissenhaft darauf, daß sie mitten auf den Klappenver-
schluß des Briefumschlags zu sitzen kamen — sie sollten
ja auch nichts weiter sein, als ein bequemer Ersatz
für das um st ä üblichere Lacksiegel.
Aus dieser Gesellschaft ist die Reklamemarke
nicht hervorgegangen. Heute, wo jede Plakatsäule ein
aufgeschlagenes Bilderbuch — da erfordert auch die
Ankündigung von Bureau zu Bureau einen schneidigeren
Repräsentanten, und das ist die moderne Reklamemarke,
auf Brief, Postkarte, Paket, auf Jour-
nalen, Speisekarten und sonstigen Din-

gern heftend; bald vorn, bald hinten,
bald sy metrisch, bald unregelmäßig, ein-
zeln oder in Gesellschaft aufgeklebt;
heute eine Ausstellung an kündigend,
morgen an einJubiläumerinnernd, hier
für eineSom m erfrische, einSeebad, dort
für eine Weltfirma renommirend; bald
wohl- bald mißgestaltet, aber immer
originell — — solch ein Wechsclbalg muß doch
aus temperamentvoller Familie kommen!
Doch halt! ich will ja nicht eine Naturgeschichte der
Reklamemarke schreiben, sondern nur festzustellen ver-
suchen, von Welchen Gesichtspunkten aus sie als Sammel-
objekt in Frage kommt. Haben wir die einzelnen Me-
tamorphosen der Vielgestaltigen fixirt und die Bezieh-
ungen zu ihren Verwandtschaften beleuchtet, dann sieht
die Beschäftigung mit ihr lange nicht mehr so verwickelt
aus, und der denkende Sammler wird sich bald darüber
klar sein, was bei den verschiedenen Kategorien sammel-
berechtigt ist und was nicht.


Rücken eines KorazinS mit kirschrotem Sammt überzogen, des Feld-
obersten Jakob von Embs (gest. 1512) italienisch um 1500.

Unser Sammelgebiet umfaßt folgende zweiHaupt-
gruppen, nämlich: 1. Die Gelegenheits-
marken, als da sind Jubiläums , Gedenk- und Aus-
stellungskarten; 2. die Reklamemarken für ge-
schäftliche Publikationen.

Gelegenheitsmarke«.
Als die Ausläufer des Briefmarkensammelns — die
Stiefkinder der Philatelie — gelten die p o st a l i s ch e n
Jubiläumsmarken. Fordern sie auch zum großen
Theil das Unbehagen des waschechten Philatelisten da-
durch heraus, daß gewisse Postoerwaltungen irgend ein
historisches Ereiguiß gegen baare Manzen ausschlachten,
so darf man doch nicht vergessen, daß die heutige Sam-
melwuth dieses Uebel selbst zu einem wuchernden be-
förderte. Anderntheils sind diese meist hochkünstlerisch
ausgeführten Postwerlhzeichen immer eine Erinnerung
an ein hochwichtiges Moment, das jedenfalls
auch ohne diebetreffenden Po st Produkte
gefeiert würde.
Aus diesen postalischen Gelegenheitsmarken heraus
entwickelte sich die l89t:r Ausstellungsmarken-
Serie von Antwerpen, jene eigenthümliche
Schöpfung, welche, ein Gemisch von Post-, Ausstellungs-,
Erinnerungs- und Reklamemarken, als Knotenpunkt
gilt, von welchem aus sich die von da an immer mehr
in Gebrauch kommende „Ausstellnngsmarke" (ohne
Frankalurwerth) abzweigt. Mit Erscheinen dieser, be-
treten wir unser eigentliches Sammelgebiet.
Es ist meiner Ansicht nach nicht gerade unbedingt
erforderlich, daß bei den verschiedenen sammelbaren Ge-
legenheitsmarkeu allzu starr die „offizielle" Herkunft ge-
fordert wird, sobald es sich um eine öffent-
liche Aus st ellung, um einen Faktor von
hi st arischer, politischer oderkultureller
Bedeutung handelt, ist das Prädikat
„offiziell" für die organisierende und
leitende Körperschaft sowohl als auch
für die betreffende Markenausgabe an-
gebracht. Es dürfte selbst die feine Scheidung zwi-
schen den direkt von einem Komitee ausgegebenen oder
den zu der Gelegenheit zugelassenen Ausgaben nicht
streng durchführbar sein. Der Fall, daß man sich aus
künstlerischen oder anderen zu billigenden Gründen dazu
entschließt, den Vertrieb der Marken einer außerhalb
der offiziellen Leitung stehenden Firma oder Personen
zu überlassen, benimmt denselben keinesfalls das offi-
zielle Odium, dafern die in Frage kommenden Marken
auch wirklich b e i und z u der betreffenden Veranstalt -
ung von der maßgebenden Körperschaft z u gelassen wur-
den und cs sich nicht um eine reine Privalankündigung
handelt.
Es ist wohlgethan, daß im Fiedler'schen Sammel-
buch Ausstellungs- und Gedenkmarken vereinigt sind.
Beide Kategorien greifen zu sehr ineinander und ist
bei vielen, hauptsächlich den älteren Ausstellungsmarken,
der Charakter der Gedenkmarke ein solch vorherrschen-
der, daß das Getrenntsammeln nur unter gewissen, wei-
ter unten erörterten Umständen ohne Verletzung des
Gesammlbildes, möglich ist. Meiner Ansicht nach wäre
es sogar empfehlenswerth, in späteren Albumauflagen
die speziellen Gedenkmarken nach Maßgabe ihres Fest-
datums zwischen den Ausstellungen einznreihen, wodurch
nicht nur das kulturhistorische Bild ein abgerundeteres,
sondern anderntheils das Sammelbuch wegen der Mög-
 
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