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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 33 (17. August)
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Verbürgte
Auflage SOOO.

Zentral-OrganfürSamrnelwesen,
! Versteigerungen und Alterthuursknndc.

Verbürgte
Auflage 5000.

Offizielles Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reichsmufeums" in Stuttgart.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.

Nr. 33.

Abonnement:
Deutschland u. Österreich 2.K0.
vierteljährlich, Ausland 3.—.

Stuttgart, 17. Augnst 1898.
(Erscheint wöchentlich.)

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Die Nonpareillszeile oder deren
Raum so Pfg., Auktionen 30 Pfg.

6. Jahrgang.

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Ä Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken E
A Gemeingut ist, und dar Denken aus der Quelle des Wissens 8"
H schöpft. (W. Wundt.) E

Georg Ebers.


Professor Dr. Georg Ebers ist, wie bereits in
letzter No. kurz gemeldet, in Tutzing gestorben. Die
Nachricht von seinem Tode kommt nicht überraschend.
Ebers war seit Jahren chronisch leidend. Eine «
Erkrankung des Zentralnervensystems hielt ihn
einen großen Theil des Jahres auf dem Kranken- I
bette nieder und schränkte seine körperliche Beweg-
ungsfähigkeit dauernd ein. Das Leiden dessen An-
fänge bis in Ebers Studentenjahre zurückreichen,
erfuhr von Zeit zu Zeit eine Verschlimmerung.
Erst vor einigen Wochen ging die Nachricht von
einer solchen wieder durch die Blätter. Damals
überwand Ebers noch einmal den tückischen Anfall.
Das dauernde Siechthum zwang Ebers, vor bald
zehn Jahren sein Lehramt an der Universität Leipzig
niederzulegen. Seinem geistigen Schaffen that es
aber nicht merklichen Eintrag, wie sein fruchtbares
Wirken in der Dichtkunst und der Wissenschaft auch
im letzten Jahrzehnt beweist. Georg Moritz Ebers
war ein Berliner Kind, Er entstammt einer sehr
rührigen begüterten hiesigen Familie, die lebhaften
Verkehr mit den Gelehrten und künstlerischen Kreisen
hielt. Georg Ebers ist ein Nachgeborener. Kurz
ehe er zur Welt kam, war sein Vater zu Grabe
getragen worden. Die Erziehung lag ganz in den
Händen der Mutter, einer Holländerin. Die Er-
ziehung der drei Knaben muß der damals noch
jugendlichen Frau nicht leicht geworden sein. Sie
that sie früh aus dem Hause. Georg Ebers war
erst in dem strengen von Friedrich Froebel gelei-
teten Keilhau unter der Zucht der moralisirenden
Middendorf, Langenthal, Barop untergebracht. Dann
besuchte er das Gymnasium zu Kottbus und schließ-
lich das zu Quedlinburg, nachdem er die Kottbuser
Schule hatte verlassen müssen, weil er seiner Ver-
ehrung für eine Schauspielerin mit jugendlichem
Ueberschwang Ausdruck gegeben hatte. Den größten
Einfluß hatte auf Ebers der Aufenthalt in Keilhau.
Zweierlei brachte er von dort mit heim: eine früh ab-
geschlossene feste religiöse Anschauung und ein für die
Erscheinungen der Natur geschultes Auge. In die
Keilhauer Jahre fallen auch Ebers' erste dichterische
Versuche. Kühn machte er sich an ein Weltepos. Die
Entwürfe nahm er auf die Universität Göttingen mit,
wo er bei der rechtswissenschaftlichen Fakultät einge-
schrieben war. Dem Rechtsstudium konnte er aber
nicht viel Geschmack abgewinnen. In Göttingen waren
es philosophische Fragen und vor allem seine Dicht-
ungen , die ihn beschäftigten. Der materialistische
Streit erhielt damals die ganze Göttinger gelehrte

Welt in lebhafter Erregung. Rudolf Wagner hatte
gegen Karl Vogt geschrieben, und die Göttinger machten
die Fehde zu ihrer Sache. Ebers ging lange Zeit
ganz im Studium Feuerbachs auf. In Göttingen
machte Ebers auch die erste Bekanntschaft Mit der
Aegyptologie. In dem kunstwissenschaftlichen Kolleg
des Professors Unger, wurde Ebers auf die ägyptische
Kunst hingewiesen. Hier erfuhr er von der scharfsinnigen
Art, wie Champollion das Räthsel der Hieroglyphen ge-
löst batte.
Die Eindrücke lebten in Ebers fort, als eine schwere
Erkrankung in seinem Leben eine Wendung herbeiführte.

H'vofessor Aw. Keowg Gbews. ch


Während der lange sich hinziehenden Genesung faßte
er den Plan, sich der Aegyptologie zu widmen. Auf
Jakob Grimms Vermittelung übernahm Richard Lepsins
Ebers' Führung auf der neuen Bahn. Später wurde
noch Heinrich Brugsch der Lehrer Ebers', Auf Grimms
Rath machte sich Ebers zuerst in mehrjährigem Selbst-
studium, dann nach der völligen Wiederherstellung als
Hörer der Universität mit verschiedenen anderen orienta-
lischen Sprachen und der allgemeinen Sprachwissen-
schaft vertraut. Mit einer Studie über Memnon und
die Memonssage promovirte Ebers in Berlin zum
Doktor. Dann bildete er sich auf einer Reise durch die
größeren Museen fort.

Heimgekehrt faßte er mit kühnem Wagemuth einen
weit ausschauenden Plan. Er setzte sich vor, eine Ge-
schichte der Zeit des Heimfalls Aegyptens an die
Perser zu schreiben. Das Unternehmen überstieg Ebers'
Kräfte. In seiner Phantasie vereinigten sich aber die
Eindrücke der ägyptischen Studien mit der dichterischen
Eingebung zu dem Romane „Die ägyptische Königs-
tochter." Lepsius war auf den ersten Blick erstaunt
und geradezu unwillig, als ihm Ebers die Handschrift
des Romans brachte. Er beruhigte sich aber, als er
das Werk gelesen hatte. Mit der „Aegyptischen Königs-
tochter" hebt die doppelte Richtung in Ebers' Schaffen
an. Er theilt seine Arbeit zwischen der Dichtung
und der wissenschaftlichen Forschung. Das Binde-
glied zwischen beiden giebt der gleichartige Unter-
grund ab. Als Dichter und Forscher entwickelt
Ebers eine ungemeine Fruchtbarkeit. Sie ist um
so höher zu veranschlagen, weil eine immer wieder
auftretende Kränklichkeit die Arbeitskraft Ebers' oft
auf lange Zeit schmälerte.
In der Reihe der wissenschaftlichen Schriften
Ebers' steht nach der Doktorschrist zeitlich die Unter-
suchung über die 26. Dynastie der Könige, mit der
Ebers seine Lehrthätigkeit eröffnete. Es folgte die
Schrift „Aegypten und die Bücher Moses", in der
Ebers sachlich erläutert, was in Genesis und Exo-
dus an ägyptischen Stellen sich findet. Sein Ver-
such geht die Theologen nicht weniger als die
Aegyptologen an. Nicht ausschließlich an seine
Fachgenossen wendet sich Ebers mit dem Buche
„Durch Gosen zum Sinai", einer Frucht der Orient-
reisen und der Studien in der Bibliothek. Ebers
fand Gelegenheit, darin sich als anschaulicher Schil-
dern von Land und Leuten zu erweisen. Die
wissenschaftliche Glanzleistung Ebers' ist mit dem
Papyrusfunde verknüpft, der Ebers' Namen trägt.
In Theben fand Ebers 1872 im Besitze eines dor-
tigen Einwohners eine werthvolle Handschrift medi-
zinischen Inhaltes aus dem 16. vorchristlichen Jahr-
hundert. Sie giebt wesentliche neue Aufschlüsse
über die ägyptische Medizin und über das ägyp-
tische Maß- und Gewichtswesen. Mit Unterstützung
seines Reisegefährten Ludwig Stern besorgte Ebers
187ö eine Ausgabe des Papyros von einer Pracht,
wie sie nur wenige gleichartige Werke aufweisen.
Später bearbeitete er einzelne Hauptstücke des
Inhaltes der Handschrift wie die Lehre von den
Maßen und die Lehre von den Augenkrankheiten. Eine
Uebersetzung der ganzen Handschrift zu veröffentlichen,
versagte sich Ebers. Handschriftlich aber verwahrte er
für sich eine Uebertragung. Der Ebers'sche Fund hat
schon vielen zu thun gegeben; reichliche Arbeit aber
steht noch in Aussicht. Von den übrigen wissenschaft-
lichen Veröffentlichungen Ebers seien nur die wichtigsten
noch genannt: „Die hieroglyphischen Schriftzeichen der
Aegypter", „Die koptische Kunst, ein neues Gebiet der
altchristlichen Kultur und ihrer Symbole", „Der ge-
schnitzte Holzsarg des Hatbastra", „Antike Porträts",
„Aegypten in Bild und Wort." Jnsgesammt ist cs
eine achtunggebietende Arbeit, die Ebers in der Orient-
 
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