Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

DOI Heft:
Nr. 7 (16. Februar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0053
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Verbürgte
Auflage 5000.
Zentral-OrganfürSainrnelwesen,
Versteigerungen und Alterthnmskunde.
Verbürgte
Auflage 5000.
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,
Nr. 7.
Abonnement: Stuttgart. 1«. Februar 18S8. Anzeigen:
Deutschland u. Oesterreich S.S0 " / Di« Nonpareillezeile oder deren
»ierteljährlich, Ausland g.— <Ersche,nt wöchentlich.) Raum Sa Psg„ Auktionen 30 Pfg.
6. Jahrgang.


Die Wissenschaften find Gemeingut, weil da« Denken
Gemeingut ist, und da» Denken au« der Quelle de» Wissen«
schöpft. (W. Wundt.)

erfolgen: der Windfang ist nur durch eine Spreisfeder
auf seiner Welle bevestiget. Der Hammer hat eine ei-
gene Welle auf der Seite der Uhr, wo er eine freye
Bewegung hat, und durch eine starke Schlagfeder gegen
die über dem Windfange bevestigte Glocke Hingetriebe«
wird, und auf solche anschlägt.
Zwischen der hintersten Platte des Gehäuses und
dem Zifferblatte lieget das Weiserwerk, mit welchem
bei Repetiruhren das Repetirwerk vereinigt ist. Zu
dem Weiserwert« gehört der Wechsel, ein Rad von 36
Zähnen, welches sich in einer Stunde umdrehet. Das
Repetirwerk ist zu künstlich eingerichtet, als daß man
sich durch eine bloße Beschreibung davon einen voll-
ständigen Begriff machen könnte; man muß es also
durch den Augenschein kennen lernen.
Eine Uhr ist nichts Werth, wenn sie nicht richtig
gehet: der Großuhrmacher muß sie also genau berech-
nen und gut ausarbeiten: Im ersten Falle hilft
er sich mit Berechnungen, die er nach und nach ge-
sammelt Hal, ohne eben die Richtigkeit derselben
beweisen zu können; und im letzteren kommt es
blos auf seine Geschicklichkeit und auf seinen Fleiß
an.
Beim Gehwerke muß er berechnen: 1) wie
viel Zähne das Steigrad erhalten soll;
2) in welcher Zeit sich das Bodenrad um seine
Axe wälzen; und
3) wie oft der Perpendikel während der Um-
laufszeit des Bodenrades schlagen soll. Aus die-
sen drey Gliedern muß er nach der Regel de tri
eine vierte Zahl suchen, und aus dieser vierten
Zahl findet er die Zahl der Zähne der übrigen
Räder, die Uhr mag deren drey, oder mehrere
haben.
Bey Berechnung des Schlagwerks, welches je-
derzeit so viel Räder erhält, als sein Gehwerk,
muß der Großuhrmacher die Zähne der Räder,
die Triebstöcke und die Schlagnägel so ordnen,
daß das Schlagwerk in einem Aufzuge eben so
lang gehet, als das Gehwerk.
Auf die nämlicke Weise verführet er auch
bey Berechnung des Wechselwerks, der Umlaufs-
zeit eines Rades in Zeittheilen, und des Gewichtes
einer Uhr.
Was nun die Verfertigung großer Uhren betrist,
so schmiedet er alle Räder und deren Wellen aus
gutem Eisen. Jedes Rad hat zween Theil, die Kreuz-
schenkel, die in den Ring eingezapft werden, und den
Umkreis, in dessen Stirne man die Zähne ausschneidet,
und diese werden entweder auf einer messingenen Theil-
scheibe, oder mit dem Zirkel aus freyer Hand einge-
hauen, oder mit einer Schneidscheibe, die auf der
Welle eines Schwungrades bevestigt ist, ausgeschnitten.
Die weitere Ausbildung und Vollendung dieser Stücke
geschieht mit Hülfe verschiedener Feilen.
Manche Uhrmacher machen die Getriebe massiv;
die meisten aber verfertigen sogenannte Laternen, d. i.
zwo Scheiben, welche die Triebstöcke, mittelst der Zapfen
an den Letzteren, zusammenhallen: Es müssen aber di
Triebstöcke und Zapfen an den Wellen mit Ochsen

Der Groszuhrmacher.
(Mit I Abbildung neben.)
-4-
Unser Gewährsmann von 1804 berichtet: Zur be-
quemen Abtheilung der Zeit und zur richtigen Einthei-
lung der Geschäfte des menschlichen Lebens hat man
vielerley Gattungen von Uhren erfunden; und man findet
in Deutschland wenigstens kein Dorf von irgend
einer Bedeutung, welches nicht mit einer Thurm-
uhr versehen wäre. Solche Thurmuhren, wie
auch große Stubenuhren, macht ein Professionist,
der daher den Namen des Großuhrmachers er-
halten hat. Diese Uhren werden insgesammt durch
die Schwere eines Gewichtes bewegt, und die hie-
durch bewirkte Bewegung vermittelst eines Penduls
oder Perpendikels gleichförmig erhalten : die großen
Thurmuhren werden aus eisernen Rädern und Ge-
trieben zusammengesetzt; die Stubenuhren hingegen
'bekommen messingene Räder und stählerne Getriebe.
Die großen Thurmuhren bewegen sich nicht
rmmer mit der genauesten Richtigkeit, weil das
-Elsen, woraus alle ihre Theile zusammengesetzet
find, sich nach und nach mit sich selbst abreibet,
und deßwegen die Zapfen und Zähne des Steig-
rades eingeschmieret werden müssen: Im Sommer
wird aber das hiezu gebrauchte Oel klebrig, und
im Winter gefrieret es öfters ein; daher muß
denn bey dergleichen Uhren immer nachgesehen und
nachgeholfen, auch das ganze Werk zuweilen aus-
'gesötten werden. So haben auch Wärme und
Kälte für sich schon einen wichtigen Einfluß auf
die Bewegung der Thurmuhren.
Die meisten Uhren haben nur ein Geh- und
stundenschlagwerk; mit dem ersten, als dem vornehm-
sten Räderwerk, ist auch allezeit das Weiserwerk, welches
den Stunden-und Minutenzeiger umdrehet, verknüpft. Das
Schlagewerk zeigt die Stunden und Viertelstunden durch
den Schlag an einer Glocke an, und muß, wenn es eine
ganze Stunde z. B. eins, sechs, neun rc. schlagen soll,
entweder ausgehoben werden, oder nicht, welches man
durch die Glocken und den Mechanismus, der hiebei an-
gebracht wird, bestimmt. Zum Vergnügen, zur Beleh-
rung und Bequemlichkeit ver Menschen sind überdies
verschiedene künstliche Werke an den Uhren eingerichtet
worden; z. B. die Monatsscheibe; die Vorstellung des
Sonnen- oder Planetensystems; der Wecker; das Repe-
tirwerk; und die Spieluhren, zu welchen die Flötenuh-
ren, die Harfenuhren und das Glockenspiel gehören.
Die vornehmste Sorge des Großuhrmachers gehet dahin,
die Gewichtuhren gleichförmig zu machen, und er er-
reichet diesen Zweck am besten durch das Pendul oder

den Perpendikel, weil derselbe seine Schwingungen in
gleichen Zeiten vollbringt: der Perpendikel ist oeßwegen
noch durch den englischen Hacken oder durch Spindellap-
pen mit dem Rade der Uhr, das sich am schnellsten be-
wegt, vereinigt.
Zu dem Gehwerke einer Stubenuhr, die in einem Auf-
zuge acht Tage gehet und repetirt, werden vier Räder
und drey Getriebe erfordert; der Perpendikel derselben
schlägt in einer Stunde 3600 mal. Das Gehäuse einer
solchen Uhr besteht aus 2 Platten, welche durch Pfeiler
verbunden sind. Um die Walze oder Trommel des Bo-
denrades, welches unmittelbar von dem Gewichte bewegt
wird, sich in 12 Stunden einmal umdrehet, und 96
Zähne erhält, ist die Schnur oder Saite des Gewichtes
gewunden. Dieses Bodenrad beweget ein Getriebe von
acht Triebstöcken, welches mit dem Minutenrade von 64
Zähnen auf einem Wellbaume steckt: dieß gilt auch von

Der Großuhrmacher. (Text neben).
einem andern Getriebe, welches gleichfalls acht Trieb-
stöcke hat, und von dem Mittelrade, das aber nur 60
Zähne hat.
Das Mittelrad beweget durch ein anderes Getrie-
be, ebenfalls von acht Triebstöcken, das Steigrad, wel-
ches jederzeit ein Sperrrad seyn muß, und in dessen
Zähne die Lappen des englischen Hackens eingreifen.
Das Stundenschlagwerk kommt größtentheils mit
dem Gehwerke überein. Das Bodenrad vollendet auch
hier seinen Lauf in 12 Stunden, uud drehet das Heb-
nägelrad um, welches durch die kleinen Stifte auf der
rechten Seite den Hammer hebet, wenn die Uhr schla-
gen soll. Dieses Hebnägelrad drehet das Schöpfrad,
und dieses wieder das Anschlagrad um; dieses beweget
den Windfang, eine kleine messingene Platte, welche da-
rum angebracht ist, daß der schnelle Lauf der Räder
des Schlagwerk gehemmt werde, und die Schläge des
Hammers auf die Glocke nicht zu schnell auf einander
 
Annotationen