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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 19 (11. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0149
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Verbürgte
Auflage 5000.

Aentr etl-DkgitnMp Snmme9vesen,
Versteigerungen «nd Mterthnmskunde. ' Auflage 5000

Offizielles Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reichsmuseums" in Stuttgart.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.

Nr. 19.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich S.SO
vierteljährlich, Ausland >lt S-—

Stuttgart, II. Mai I8S8.
(Erscheint n:Schentlich.)

Anzeigen r
Die Nonpareille,eile oder deren §
Raum Lü Pfg., Auktionen SO Pfg. !

6. Jahrgang.

Di« Wissenschaften sind Gemeingut, weil dar Denken 8°
Gemeingut tft, und da» Denken aui der Quell« des Wissens
>ch<idst. (W. Wundt.) I'

Die Gläser von Tiffany.

Die bedeutendste Erscheinung auf dem Gebiete der
künstlerischen Verarbeitung des Glases in der Gegen-
wart sind ohne Zweifel die Zielgläser von Tiffany in
New-Jork. Was neben ihnen in Betracht kommt —
die Gläser von Galls und die von Köpping — ist hier
längst wohl bekannt und ausführlich gewürdigt worden.
Von Tiffany aber haben wir hier bisher nur wenige
Stücke in der vorjährigen internationalen Kunstaus-
stellung gesehen. Die gegenwärtige Ausstellung in der
Arnoldfchen Hofkunsthaadlung (Dresden) bietet ein um-
fassendes Bild von den großartigen Leistungen Tyffanys:
>an 100 Stück der herrlichsten Gläser aller verschieden-
ster Art sind zusammengebracht, eine Satnmlung des
Besten, was aus Tyffanys Händen hervorgegangen ist.
Herr Gutbier hat durch die Herbeischaffung dieser er-
lesenenen Kunstwerke, die das Entzücken aller Kunst-
freunde bilden werden, Anspruch auf volle Anerkennung
erworben.
Ueber die Herkunft dieser Gläser gibt S. Bing
folgende ausführliche Auskunft. Louis C. Tiffany ist
ber Sohn des berühmten Goldschmieds und Juweliers
Charles Tiffany in New-Jork. Er widmete sich zu-
nächst der Malerei, zu der ihn die Freude an der Farbe,
nn ihrem Feuer und an ihrem Glanze führte. Diese
Freude an der Farbe, noch gesteigert durch Reisen in
den Orient, führte Tyffany in der Folge zum Kunst-
handwerk. Der Anblick der byzantinischen Basiliken
mit ihren blendenden Mosaiken erweckte in ihm den
Traum, die großartige dekorative Kunst des Orients
wieder lebendig zu machen. Alsbald ging er an's
Werk, und er bethätigte sich zunächst in der Ausstattung
won Jnnenräumen. Der Gefahr ein bloßer Nachahmer
zu werden, der in Europa das Kunstgewerbe lange
Zeit anheim gefallen ist, erlag Tiffany ebensowenig,
wie seine übrigen Landsleute, die sich nicht wie wir
verbunden fühlen, in pietätvoller Weise nach Stilrein-
heit im Sinne unserer Vertreter zu streben. Tiffany
hat es, nach Bings Urtheil, in dem, was er zur Ver-
schönerung großer Prachträume beitrug, verstanden, „die
hieratische Pracht der Orientalen mit dem Geschmacke
unseres Zeitalters zu paaren. Er war es, der das
Hochfahrende des byzantinischen Prunkes in weiche Har-
monien umwandelte, die sich unseren Lebensgewohnheiten
anschmiegen."
Weiter wandte sich Tiffany dem Glase zu. Wieder-
holt haben wir — gelegentlich der Besprechung des
Opalescentglases und des Dillmann'schen Dreiplatten-
glases — auf den Unterschied zwischen der mittelalter-
lichen und der modernen Glasmalerei hingewiesen.
Was der modernen Glasmalerei zumeist fehlt, ist die

Einheit der künstlerischen Arbeit: ein Künstler fertigt
den Entwurf, ein mehr technisch durchgebildeter Kunst-
handwerker stellt danach das Glasgemälde her. Im
Mittelalter aber malte man im eigentlichen Sinne
überhaupt nicht, sondern man stellte die Gemälde aus
den in der Masse verschiedenartig gefärbten Gläsern
zusammen. Erst am Ausgange des Mittelalters kam
das Bemalen des Glases mit Farben auf. Mag dies
nun auch eine freiere Bewegung in der Herstellung von
Glasgemälden ermöglicht haben, so ist doch nicht zu
leugnen, daß die modernen Kirchenfenster an Glanz
und Farbenpracht nicht die des Mittelalters erreichen.


Geschiftete» Bruststück von einem Harnische des venetianischen Feld-
herrn Bartolomeo Colleoni (o. rsss-147S.) Italienisch, um 1470.
Im Vergleiche zu irgend einem alten gothischen Kirchen-
fenster erscheint das Glas, wie Tiffany sagte, von auf-
fallender Dürftigkeit, ohne Kraft, ohne Wirkung. Zu
der kalten Durchsichtigkeit, der abwachsenden, matten
Färbung kommt, daß die Lichtstrahlen durch die auf-
getragenen Farben gebrochen und so das Glas in seiner
Wirkung eher beeinträchtigt als künstlerisch ausgenutzt
wird.
Trotzdem würde unseren übersättigten Augen die
schlichte Einfachheit der mittelalterlichen Kirchenfenster
als Element der Innendekoration nicht mehr genügen.
Wollte man daher etwas anderes als lineare Formen,
galt es, die Wirkungen der Modellirung und der Reliefs,

die Gegensätze zwischen Schatten und Licht wiederzu-
geben, so mußte man nach Ausdrucksmitteln suchen,
deren unsere Vorfahren nicht bedurften. Tiffany ist
es nun, wie Bing sagt, nach jahrelangen Bemühungen
gelungen, ein Glas herzustellen, das diesen Aufforder-
ungen in wunderbarer Weise entspricht. „Durch das
bloße Spiel des Farbengeäders vereinigt er in einem
Glasplättchen die Wirkungen eines bewölkten Himmels
und die des sich kräuselnden Wassers oder auch die
weit zarteren Nuancen der Blumen und des Blattwerks.
Um die Wirkung des Faltenwurfes in all seiner Korrekt-
heit der Linien und Geschmeidigkeit zu erzielen, ersinnt
er einen Weg, den Rohstoff während des Abkühlens
in Büge und Falten von mannigfachster Wirkung zu
bringen. Mehr noch: er gelangt dahin, seinem Glase
etwas eigentümlich Körperhaftes zu verleihen. Neue
Farbentöne, die seine Palette bietet, und andere Ver-
fahren — wie das Uebereinanderlegen mehrerer Schichten
von verschiedenen Farben — riefen stets neuartige,
vielfach variirende Wirkungen hervor."
Nachdem Tiffany dieses Glas erfunden hatte, das
er Favrileglas nannte, wendete er seine Aufmerksam-
keit den Gefäßen zu und zwar schlug er, im Gegensatz
zu Allem, was bisher im Laufe der Jahrhunderte
Wunderbares geschaffen worden war, ganz neue Pfade
ein. Er wollte die schlichteste Einfachheit vereinigen
mit dem höchsten Raffinement im Geschmacke und i«
der Technik. Ohne Zweifel hat er dies erreicht und
zwar in der mannigfaltigsten Weise. Da sind zunächst
eine Reihe Gläser in halbstummen Tönen. Unter den
Händen Tiffanys formten sich Kürbisse, anmuthig ge-
bogene Stiele, halb erschlossene Kelche, die, ohne die
Statur sklavisch zu kopiren, das Ursprüngliche frei sich
entwickelnder Formen anfweisen. In die Glasmasse
eingebettet aber zeigt sich ein feines Geäder und Ge-
faser, farbige Fäden, ähnlich den zarten Linien an der
Oberfläche einer Frucht, an der Krone einer Blume
oder den Adern eines herbstlichen Blattes.
Weiter schuf Tiffany eine gewisse Art von opalen
und mattfarbigen Vasen, deren Oberfläche sich unver-
gleichlich zart und seidenartig anfühlt. Dabei brach er
mit dem überlieferten Vorurtheile, das Glas müsse
unbedingt das Licht durchlassen. Denn mit Recht war
er der Ueberzeugung, daß ein Künstler das Recht
haben müsse, seinem Material einen neuen Charakter
zu verleihen, wenn er nur nicht ein anderes Material
imitire.
Weiter ging Tiffany an die neue Aufgabe, das
antike Glas in all seiner farbigen Herrlichkeit wieder
herzustellen. Er selbst hat von Jugend auf alle Reste
antiken farbigen Glases, deren er habhaft werden
konnte, aufgekauft und hat aus den Hunderten von
Stücken ein mächtiges Panneau Herstellen lassen, das
den Kamin in seiner Wohnung umrahmt, ein Mosaik
seltsamster Art, das zauberhaft wirken soll. Auch bei
der Aufgabe, diese Reize wieder hervorzubringen, war
Tiffany erfolgreich. Die ganze Schönheit des antiken
Glases ist in seinen Schöpsungen dieser Art wieder er-
standen. Dabei bringt er die Lichteffekte nicht durch
nachträglich aufgetragene fremde Schichten hervor, son-
 
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