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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 30 (27. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0237
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Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.

IZentrerl-OrganfüvSammelwesen
! Versteigerungen «nd Alterthnmskunde.

Verbürgte
Auflage 5000.

Verbürgte
Auflage 5000.
Offizielles Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reichsmuseums" in Stuttgart.

Nr. 30.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich X S.SO
vierteljährlich, Ausland S.—

Stuttgart, 27. Juli 18S8.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeige«:
Di« Nonpareillezelle oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

6. Jahrgang.

Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken A
Gemeingut ist, und da» Denken au« der Quelle de» Wissens !Z°
schöpft. (W. Wundt.) iß
Ess:


Luxus und Handel im alten
Deutschland.
Von Kurt Kersten. (Naihdr. verb.)
(Schluß.)

Durch den Handel wurde die Kriegsbeute mit den
-Erzeugnissen des Ostens, mit Gewürzen, Wohlgerüchen
und Webereien von Seide und Gold vermehrt. Diesen
Handel vermittelten die Syrier, Italiener und Juden,
welche letzteren sogar eigene Schiffe ausrüsteten. Karl
Ler Große unterhielt einen regelmäßigen Verkehr mit
Syrien und Palästina, Aegypten und Karthago. Der
Mönch von St. Gallen erzädlt von einer persischen Ge-
sandtschaft, welche die Lage des Frankenreichs nicht ge-
kannt, aber dasselbe nach jahrelangem Umhergehen er-
mittelt und Elephanten, Affen, Löwen, rumelische Bären,
iberischen und türkischen Purpur, Balsam und Narden,
Gewürze und Wohlgerüche überbracht habe. Ein neuer
Gesandter des Perserkönigs, unter dem aber der Khalif
Harun al Raschid zu verstehen ist, überreichte ein Lust-
zelt, einen Vorhang für den Vorhof von außerordent-
licher Größe und Schönheit, zwölf Vorhänge mit bunt-
gefärbten Schnüren, viele und kostbare seidene Gewänder,
Wohlgerüche, Salben und Balsam, ein kunstvoll gearbei-
tetes messingenes Uhrwerk mit ehernen Kügelchen, die
durch Auffallen auf Becken die Stunde anzeigten, und
mit zwölf Reitern, die zu Ende jeder Stunde einen Um-
ritt aus zwölf Fenstern heraus in zwölf.andere hinein-
machten; außerdem Leuchter aus Messing, außerordentlich
groß und schön.
Von einer Opposition gegen den überhandnehmenden
^Luxus hören wir wenig. Einer der Fälle, in denen
eine mit Uebermuth gepaarte Prachtliebe ihre Züchtig-
ung erhielt, knüpft sich an die Person Karls des Großen.
An seinem Hofe lebte ein Bischof, der mit den zusam-
mengekauften Schätzen fremder Reiche prahlte. Um ihn
zu beschämen, überredete der Kaiser einen Juden, der
Handelsreisen in den Orient ausgeführt hatte, den
Bischof so lüstern zu machen, daß er um mehrere hun-
dert Pfunde Silber, ein angeblich seltenes, mit den
kostbarsten Gewürzen zubereitetes Produkt von ihm
erhandelte. Nach dem Handel erwies sich die theure
Waare als eine gemeine, mit Gewürzen eingemachte
Maus. Die Beamten und Grafen Ludwigs des Frommen
hatten auf einem Zuge nach Italien in Padua, wohin
die Venetianer alle Reichthümer des Ostens brachten,
die prachtvollsten Kleider erkauft. Die Bescheidensten
gingen in Pelzen von Marder und Hermelin, die
Stutzer trugen die Häute der phönizischen Vögel, die
mit Seide eingefaßt mit den Schwanzfedern und die

Haut von Hals und Rücken der Pfauen geziert und
mit syrischem Purpur und orangefarbigen Streifen ver-
brämt waren. Der Kaiser hüllte sich in seinen ein-
fachen deutschen Schafpelz und führte seine zierlichen
Ritter durch Wald und Feld, durch Schmutz und Regen,
so daß sie bald weit schlimmer als er aussahen.
In der ersten Zeit des selbstständigen Deutschen
Reiches tritt der Zug zum fabelhaft reichen Morgen-
lande und zu dessen Schlüssel und Schatzkammer Kon-
stantinopel als ein sehr bezeichnetes Merkmal auf. Ein
übermächtiger religiöser Drang war die Triebfeder, die
Begierde nach den lockenden Kostbarkeiten, des Morgen-
landes die andere. Der Handel, der jeder Kultur-
strömung folgt, wendete sich vor Allem nach Konstan-
tinopel und nach den Städten am Mittelmeer, die mit
der Levante handelten. Konstantinopel nahm damals
die Stellung ein, welche seine vortreffliche Lage ihm
anweist, und war das Verbindungsglied zwischen Asien
und Europa. Asien schickte dorthin alle seine Gewürze,
Essenzen, Balsame und wohlriechenden Kräuter, seine
edlen Früchte, seine vielbewunderten Gold- und Seide-

Thcil eines Fundes in Pflaumheim bei Großostheim.
(Text Seite 236.)


Webereien, für welche die Stadt lange der hauptsäch-
lichste Stapelplatz blieb. Die berühmten Schmiede der
Stadt verarbeiteten die kostbaren Metalle zu kirchlichen
und profanen Gefäßen im römisch-byzantinischen Ge-
schmack. Auch der Seidenbau war dort im siebenten
Jahrhundert heimisch geworden, und Gold- und Seide-
wirkereien gab es in so außerordentlicher Menge, daß
alle Seiden- und Goldstoffe in Europa unter dem Na-
men der byzantinischen Maaren gingen. Hier war vier
Jahrhunderte lang die höchste Blüthe der gewerblichen
Bildung und des Luxus. Die Geschichtsschreiber vom
achten bis zwölften Jahrhundert können nicht Worte
genug finden, alle die Herrlichkeiten in Konstantinopel
genügend zu beschreiben. Nach einer Aufzählung der
Beute, die den Kreuzfahrern 1203 bei der Eroberung
der Kaiserstadt in die Hände fiel, drängt Arnold von
Lübeck seine staunende Bewunderung in die Worte zu-
sammen, so außerordentlicher Art sei der Reichthum ge-
wesen, daß man bisher nicht geglaubt habe, das ganze
lateinische Reich besitze so viel.

Durch den Donauhandel gelangten die Donanstädte
zu einer frühen Entwickelung. Regensburg erscheint be-
reits im zwölften Jahrhundert als eine sehr reiche Stadt,
die viel an Amberg abgeben konnte. Unter den Zollge-
setzen handelt eines von solchen Wagen, welche nach Ruß-
land gehen oder aus Rußland kommen. Wien trat eben-
falls bald bedeutsam hervor, und zwei Städte, welche
heute noch kaum genannt werden, Hainburg und Enns,
werden als äußerst lebhafte Knotenpunkte des Verkehrs
häufig erwähnt. Unter den in Regensburg privilegirten
Kaufleuten befanden sich die mehrerer rheinischen Städte,
die ihre morgenländischen Maaren von der Donau holten.
Daß sie wenigstens ihre Gewürze und Alles, was man
im Mittelalter unter dem Namen von Spezereien zusam-
menfaßte, auf diesem Wege bezogen, beweist der Zoll von
zwei Pfund Pfeffer, den die rheinischen Kaufleute in
Enns erlegen mußten. Noch heute findet man in nieder-
rheinischen Kirchen und Klöstern die kostbarsten und
ältesten Ueberreste von Purpurgewändern und Teppichen
morgenländischer Art.
Die Straße von der Donau zum Rhein zog sich
von Donauwörth aus zu Lande an den Main und
folgte diesem bis zur Mündung. Viele Zeugnisse schil-
dern den Rhein selbst als eine der belebtesten Straßen,
deren Wichtigkeit sich schon im 8. Jahrhundert bemerk
lich machte und seitdem fortwährend stieg. Am Ende
des 11. Jahrhunderts schildert Lambert von Hersfeld
die rheinischen Kaufleute als „ein Geschlecht, das vom
Winde wie ein Blatt bewegt werde, von Jugend auf
unter städtischem Luxus und Vergnügen erzogen ohne
alle Erfahrung des Kriegswesens sei und die Gewohn-
heit habe, nach dem Verkauf der Maaren bei Wein
und Mahlzeit gleich Helden über den Krieg zu reden,
ohne selbst das Werk hinausführen zu können."
Durch Störung des Donauhandels wurde der
Grund zu dem Aufschwung der schwäbischen und fränki-
schen Städte gelegt.
Kolossale Baureste aus alter Zeit sprechen von
dem Reichthum, den Goslar durch seinen Bergbau und
durch den Handelszug, der die Stadt berührte, erwarb.
Ihre Schätze zogen ihr aber Feindseligkeiten der Braun-
schweiger zu, denen sie eines Tages, als die Thore
schlecht bewacht waren und die meisten Bürger sich
außerhalb befanden, erlag. Acht Tage dauerte es, ehe
die Beute auf Lastwagen, die man von allen Seiten
herbeischaffte, fortgeführt war. Darunter waren so
viele Spezereien und Pfeffer, daß man diese kostbaren
Maaren mit Scheffeln in große Haufen theilte. Aus
den Kirchen schleppten die Braunschweiger goldene Kron-
leuchter und andere Zierarten hinweg, die in großer
Menge hier gesammelt waren.
Der rohe Luxus, der auf die Kostbarkeit des Stoffes
sieht und allem Auffallenden den Vorzug giebt, war in
der ersten Zeit natürlich vorherrschend. Die Beschaffen-
heit der Verkehrsstraßen, die nur kostbare Artikel zu
verführen gestatteten, trug das ihrige dazu bei. Nach-
dem die erste Gier in Gold und Silber, Spezereien
und Gewürzen, seidenenStoffen und Pelzwerk sich ge-
sättigt hatte, kam nun die Zeit der Veredlung der
Maaren durch Kunstfleiß. In einzelnen Maaren hatte
 
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