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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 11 (16. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0085
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Verbürgte
Auflage 5000.

ZentraL-OrganfürSammeLwesen,
Versteigerungen und Alterthumskunde.

Verbürgte
Auflage 5000.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei,

Nr. 11

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, 1«. März 1898.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeige«:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum SO Pfg., Auktionen 30 Pfg.

6. Jahrgang.

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Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil dar Denken E
! Gemeingut ist, und dar Denken aur der Quelle de» Wissen» ä
I schöpft. <W. Wundt.) E
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in Paris.
Von Rektor Soeuer.
(Abbildung neben).

Auf dem linken Ufer der Seine, im bekannten
Huartisr iatin, an der Kreuzung des Loulavarä 8t.
Model mit dem Loulevarä 8t. germaiu erhebt sich das
IlStkl cis 61nnz-, in seinem größeren Theile heute bloß
noch eine Ruine. Der neuere, nach dem südlichen Hofe
sich öffnende Theil mit dem Haupteingange in der ruo
äu 8ommsrarä ist ein hübscher Bau im Uebergangsstil
des 15. Jahrh., nach Plänen von Giovanni Fra Gio-
condo, dem Erbauer der Notre-Dame-Brücke, hergestellt.
Mau würde es dem malerisch hübscheu, aber im AU-
tagsgetriebe der modernen Stadt wenig beachteten Bau-
kleinode kaum ansehen, welch ein Stück Geschichte darin
verborgen ist. Und doch reichen seine Anfänge weit in
das römische Kaiserreich zurück, in die Zeit, da die alte
Lutetia der Sitz der Cäsaren war.
Das Palais besteht also aus zwei Theilen. Der
eine, ältere, der sich schon zu den Zeiten der Kaiser
Posthumus und Julians des Abtrünnigen bestand, soll
Constantins Chlorus zum Gründer haben. Dieser re-
sidirte, von Diokletian als Cäsar in Callien, Britannien
und Spanien eingesetzt, in Gallien von 292-306, in
welchem Jahre er in Park (Lboraonm) in Britannien
starb. Das Gebäude scheint ein Palast mit großen Thermen-
anlagen gewesen zu sein, und in ihm wurde i. 1.360 Julian
der Abtrünnige von den Legionen zum Augustus aus-
gerufen. Heute sind von diesem Theile noch erhalten
die Baderäume oder Thermen; ihre Konstruktion —
es sind nur noch gut erhaltene Ruinen davon da —
ist sehr einfach, aber auch sehr fest. Denn das ganze
Gewölbe über den Baderäumen hat bis zumAnfange dieses
Jahrhunderts hängende Gartenanlagen über sich ge-
tragen, aber deren Schwere und die Feuchtigkeit haben
dem römischen Mauerwerke und Mörtel nichts anhaben
können. Die Thermen bilden den nordwestlichen Theil
des heutigen Baues; dahinter liegt ein Garten, in dem
Reste von Architektur ehemaliger Bauten in Paris auf-
gestellt sind.
Nach den römischen Cäsaren wohnten zeitweise die
fränkischen Könige in dem Palaste, ehe sie ihre Residenz
aus der Seine-Insel aufschlugen, bis endlich gegen die
Mitte des 14. Jahrhunderts der verfallende Bau in
den Besitz der Cluniacenser Abtei gelangte. Von diesen
Besitzern stammt mit dem heutigen Namen der jüngere
Theil, das Hotel, erbaut am Ende des 15. und am
Anfänge des 16. Jahrhunderts und daher das Gepräge
der späteren Gothik und das der Renaissance an
sich tragend. Es erinnert in einzelnen Partien an die

Front des Bremer Rathhauses, wo auch die ursprüng-
liche Gothik im Renaissancestil überbaut worden ist.
Das Gebäude, welches in der Revolution zum Na-
tionaleigenthum wurde, wurde später von dem berühmten
Archäologen und Sammler Alexander äu 8ommsrarä
gekauft, der den Grund zu den heute vom Staate fort-
gesetzten Sammlungen legte. Im Jahre 1842 ging
nämlich der Bau mit allem Inventar an den Staat
über, der sich die Vervollständigung der Sammlungen
äu 8omwsrarä's zur Aufgabe machte.


6t Nusös äs I>ru-I8. (Text neben.)

Das Museum umfaßt ursprünglich, und auch jetzt
noch hauptsächlich, mittelalterliche Kunstgegenstände und
ist als solches wohl das reichhaltigste in Frankreich.
Mit der Zeit sind auch ethnographische Gesichtspunkte
maßgebend gewesen, wie die Sammlung von allerlei
Schuhwerk und Fußbekleidung, nicht bloß der verschie-
densten Zeiten, sondern auch der verschiedensten Länder
beweist. So erinnert das Museum einerseits an das
Germanische Museum in Nürnberg, andererseits an
das South - Kensington - Museum in London, wird

aber von beiden an Großartigkeit und Reichhaltigkeit
übertroffen.
Wenn wir in das Gebäude treten so stoßen wir
zunächst auf allerlei mittelalterliche Skulpturen aus
Holz, Alabaster und Marmor, auch Gemälde und ein
Mosaik von Ghirlandajo aus dem 15. Jahrhundert.
Hervorzuheben ist namentlich ein Geländer mit Holz-
schnitzereien aus dem gleichen Jahrhundert. Ein nun
folgender Saal enthält Höhlenfunde (Steinwaffen und
Knochen), sowie keltische Funde, auch Statuen, unter
Anderem eine Ariadne. Dann kommen herrliche Stücke
von alten Möbeln, besonders ein eiserner Schrank,
kirchliche Holzgeräthe, verschiedene flandrische u. A.
Altarblätter, Anrichtetische, besonders das von St.-
Germer mit sehr schönen Bas-Reliefs; auch flandrische
Tapeten und Kirchenornamente finden sich in reicher
Zahl; eine venetianische Schiffslaterne (von einer Ga-
leere stammend) aus getriebenem und vergoldetem
Kupfer, fesselt ganz besonders unsere Aufmerksamkeit.
Im letzten Raume des unteren Stockwerks befinde:
sich eine Sammlung von Prunk- und Galawagen,
-Schlitten und -Geschirren, darunter eine mit italieni-
schen Malereien geschmückte Staatskarosse, angeblich
vom Papste Paul V. (Borghese) stammend.
Der obere Stock zeigt uns in schönen, normännischen
Schränken allerlei Sammlungen: Schatullen, Hand-
schriften, erste Drucke (Inkunabeln), Schmelzmalereien,
alte Maße und Gewichte, alt-chinesische Kunstwerke,
Waffen, antike Gläser und Vasen, Truhen, Werkzeuge,
kunstvolle Schlösser, Schreine, Ritterrüstungen, Keusch-
heitsgürtel und Gobelins.
Unter der schon erwähnten Schuhwerksammlung
finden sich sehr reich vertreten türkische Babuschen, in-
dische Holzschuhe, d. h. Schuhe mit Holzsohlen, alle
Arten von altmodischen Hauspantoffeln. Im gleichen
Saale, Wandteppiche und ein Kamin mit Reliefs und
Zimmerdecke, beide aus dem 15. Jahrhundert und aus
Rouen stammend.
Die meiste Liebe und Sorgfalt scheint der Samm-
lung von bemaltem Steingut zugewendet worden zu
sein. Neben persischen Fayencen aus RhoduS, solchen
von maurischer und arabisch-spanischer Arbeit, die in
wundervollem, metallischem Glanze der Farben leuchten,
sind namentlich italienisches und französisches Steingut
und Steinkcüge aus Flandern und Deutschland ver-
treten. Die italienischen Steingutsachen sind theilweise
in einem prächtigen Glasschranke untergebracht.
Im nächsten Zimmer stehen wieder Möbel, eine
Himmelbetllade, aus dem 15. Jahrh., ein Nußbaum-
schrank aus der Zeit Heinrichs II., endlich ein gothischer
Betpult deutscher Arbeit: ein Adler (aus Bronze) mit
ausgebreiteten Flügeln bildet das Gesims zur Ablage
des Meßbuches.
Sehr reichhaltig ist auch die Sammlung von Eben-,
Holz-, Elfenbein- und Holzschnitzereien, hier auch ein
prächtiges Schachspiel aus Bergkristall, deutsche Arbeit
des 15. Jahrhunderts. Von der Menge bemerkens-
werther Schnitzereien sind namentlich Elfenbeinnrbeiten
aus dem 10. und 1-1. Jahrhundert hervorzuheben; so-
gar eine aus dem 6. Jahrhundert stammende Büchse, auf
 
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