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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 47 (23. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0373
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Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.

Verbürgte
Auflage 5000.

Verbürgte
Auflage 5000.

Zentral-Organfür Sammelwesen,
Versteigerungen rrnd Alterthumskunde.
Offizielles Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reichsmuseums" in Stuttgart.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.so.
vierteljährlich, Ausland ».—.

Stuttgart, 2S. November 18S8
(Erscheint wöchentltch.1

6. Jahrgang.

Anzeigen r
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 80 Pfg.

Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken ls
Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle des Wissens l
schöpft. (W. Wundt.) l

Die Kostbarkeiten der Würzburger
Univor sitäts-Bibliothek
Und
einiges über Würzburgs alte Kunst.
Von St. Wehnert, Würzburg.
Warum Würzburg, die uralte mit herrlichen Natur-
schönheiten ausgestattete Kiliansstadt neben der Ge-
schichte in der Kunst in den letzten Jahrzehnten so
wenig Bedeutung hatte, schien denjenigen, die ihre
Herbipolis genauer kannten, ein Nälhsel. Nach und
nach sichtete man aber und drängte die alte ehrwürdige
Kunst wieder in den Vordergrund. Man löste dies
Räthsel und sah ein, daß sich Würzburg mit andern
Städten erfolgreich messen kann. Die herrlichen Kunst-
schätze, die uniere Allvorderen schufen, lagen meistens
in engen Archiven und Schatztruhen und schienen für
unsere moderne Zeit ein verfehltes Dasein zu führen,
bis Männer der Wissenschaft und Kunst kamen und
diesen Schätzen das nöthige Interesse zuwandten, so
daß dieselben sozusagen neugeboren wurden. Was nun
die herrlichen Baudenkmale, die vielen Kirchen an
Schätzen der Vergangenheit und Perlen der Knast ent-
halten, tritt schon näher zu Tage. Man braucht hier
keine Schatzgräber. Was uns hier in der Kunst ge-
schaffen und was noch erhalten ist, haben wir in erster
Linie mehreren Kunst und Pracht liebenden Fürst-
bischöfen zu verdanken. Ich nenne nur die feingebil-
deten Fürstbischöfe Johann Philipp Franz und Karl
aus dem Giafcnhauje Schönborn.
Sie waren es, die den herrlichen Residenzbau zum
guten Thell schufen, Künstler für ihre Zwecke ausbil-
den ließen, andere hierher beriefen und so nach streng
künstlerischem Sinne Werke errichteten, die noch heute
den Kenner u d Laien in Staunen versetzen. Wer
kennt nicht den genialen Baumeister Balthasar Neu-
mann, der als einfacher Stückgießergeselle nach Würz-
burg kam und neben anderen zahlreichen Bauwerken
die wunderherrliche Residenz ausführte, die un-
streitig zu den schönsten Bauten Deutschlands gezählt
werden darf. Nicht mit Unrecht sagt Gurrlitt über
Neumann: „Daß er vielleicht der größte Baumeister
seiner Zelt in d-m Stile war, die strengen Formen des
Barok-Siils mit denen des zierlichen Roccoco zu ver-
schmelzen." Groß war die Zahl der Künstler, die sich
an der inneren Ausschmückung des Schlosses betheilig-
ten. So haben sich die herrlichen Fresken, die der
große venezianische Architektur-Maler Giovanni-Batista
Tropolo für das Schloß schuf, in wunderbarer Frische
erhalten, die Zimmer der Residenz enthalten durchwegs
geschmackvolle Kunstwerke, und selbst außerhalb dieses

mächtigen Baues verräth sich der Kunstsinn der fürst-
lichen Bauherren. Die schmiedeisernen Thore mit ihren
zierlichen Laubwerk- und graziösen Roccocoformen am
Eingänge des Hofgartens werden wohl nicht mehr, seit-
dem ihr Verfertiger, der Hofschloffer Johann Georg
Oegg, diese Meisterstücke ausgeführt hat, geschaffen wor-
den sein. Noch einen alten Würzburger Künstler will
ich hier nennen. Es ist der treffliche Bildhauer Till-
mann Riemenschneider. Im 16. Jahrhundert war es,
als er seine Werkstätte hier aufschlug. Namentlich sind
hier viele Beweise seiner Kunstfertigkeit vorhanden.
Seine Arbeiten erstreckten sich aber auch nach auswärts.


Bruststück mit angeschnallten Schößen.
Wer einmal nach Heilbronn am schönenNeckar kommt, möge
nicht versäumen, die dortige Kilianskirche zu besuchen
und eines seiner schönsten Kunstwerke, die Altarthüren
am Hochaltar bewundern. Es war im Jahre 1582,
als der große Fürstbischof Julius Eckter von Meßel-
brunn die Würzburger Universität gründete; was er
für Wissenschaft und Kunst schuf besteht heute noch und
bildet einen dauernden Grundstock für alle Zeiten. Viele
und bedeutende Männer waren es, die das Werk ihres
Gründers im Laufe der Jahrhunderte ausbauen halfen.
Die Kunst war es, die sich der Wissenschaft eng an-
schloß. Man schafft Lehrmittel, und diese bestehen

hauptsächlich aus den werthvollen Sammlungen der
jetzigen kgl. Universität. Ich nenne hier die Kunstsamm-
lungen des ästhetisch-archäologischen Attributs und die
des Wagnerschen Kunstinstituts, das Kupferstich-Kabinet,
die Gemäldesammlung, der Skulpturensaal, das Anti-
quarium, das Münzkabinet, und daran reiht sich würdig
die Bibliothek mit über 25,000 Bänden. Wenn es
manche Bibliotheken gibt, die obige Anzahl in Bänden
bedeutend überflügeln, so hat die hiesige Universitäts-
Bibliothek einen Vortheil, der nur selten von anderen
Bibliotheken übertroffen wird. Diese Vortheile, welche
viele andere Bibliotheken nicht aufzuweisen haben, sind
die kostbaren Kleinodien, welche lange Zeit weniger be-
kannt waren. Um nun diese höchst interessanten Gegen-
stände einem weiteren Publikum zugänglich und bekannt
zu machen, hat Hr. Oberbibliothekar Dr. Kerler das
Beste vom Besten herausgesucht und zu einer Ausstell-
ung vereinigt. Dem Kenner entgeht es wohl nicht, daß
das meiste aus den Bibliotheken der vielen Klöster
Frankens entstammt, nach der Säkularisation war es
einer kgl. Universitäts-Bibliothek wohl möglich, solche
Schätze an sich zu ziehen. Wir betreten den Hof des
alten ehrwürdigen Universitäts-Gebäudes, welcher mit
seiner hübschen Architektur einen überraschenden Ein-
druck macht, und finden zur linken Seite einen mit
Stuckarbeiten versehenen Roceocosaal, welcher wohl in
Bezug seines Zweckes des jetzigen Inhaltes würdig ist.
In eleganten Doppelkästen finden wir die Kostbarkeiten
vor. Jedes einzelne Werk ist mit einer belehrenden
Ettiquelte versehen und können Wissensbeflissene durch
die außerordentliche Mühe des Herrn Dr. Kerler nur
profitiren. Der erste Saal — die schwarze Kunst! —
welche nun seit 400 Jahren besteht und ihren Sieges-
lauf über alle Welttheile erstreckt. Wie unscheinbar
würden sich z. B. die alten Drucke von Faust und
Schöffer gegen einen modernen Prachtband des 19.
Jahrhunderts ausnehmen, und wie viel werthvoller
sind erstere. Wir sehen hier drei große Pulte, welche
das Kostbarste von allem enthalten, denn es sind Drucke
von 1450—1500. Wer andere Bibliotheken schon ge-
sehen hat, muß die Richtigkeit dieser Kleinodien zu-
geben, wenn er dieses sieht. Wir beginnen, bevor wir
einige Werke aufzählen, gleich mit dem entschieden Werth-
vollsten Buche. Es ist die 48zeilige Bibel aus der
Offizin von First und Schöffer, gedruckt in Mainz 1457.
Das erste mit Firma und Datum versehene Buch der
Welt. Es ist bekannt, daß nur wenige Exemplare da-
von vorhanden sind. Ehrwürdig reihen sich dann an:
Erste Augsburger, Nürnberger, Straßburger Drucke.
Erste Ausgabe des Thomas von Kempis, von der nur
drei Exemplare bekannt sind. Erster mit Holzschnitten
illustrirler Druck 1470. Erstes gedrucktes Buch mit
arabischen Ziffern 1473. Erste deutsche illustrirte Bibel,
Würzburger Heilbumsbuch 1483 und viele andere. Ge-
gen Ende des 15. Jahrhunderts war die Buchdrucker-
kunst für die damalige Zeit auf einer erfreulichen Höhe
angelangt. Das beweisen die vier ausgestellten Meß-
bücher, Bibel-Ausgaben und Psalter. Dann das sogen.
Katholikon, oder das älteste gedruckte Konversations-
Lexikon. Weiter die ersten Ausgaben des Romans
 
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