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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 27 (6. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0213
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Verbürgte
Auflage 5000.

ZentraL-OrgaKfiirSammeLwesen,
Verfteigerungen und Alterthnmsknnde.

Verbürgte
Auflage 5000.

Offizielles Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reichsmuseums" in Stuttgart.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchbandiuno und Buchdruckerei.

Nr. 27.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50
vierteljährlich, Ausland 3.—

Stuttgart, «. Juli 18S8.
(Erscheint wöchentlich.)

Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.

6. Jahrgang.


Mimzfmtde in der Pfalz.
«(Neuburg, Nußloch, Grünstadt, Dahn.)
(Fortsetzung.) lPM, Must

3. Grünstadt.
Nur wenige Tage Hüter als der im dreißigjährigen
Krieg bei Nußloch vergrabene Topf mit Silbermünzen
ausgepflügt wurde, kam mitten im freundlichen Hardtge-
LirgstädtchenGrünstadt ein weit größerer Topf mit Münzen
zum Vorschein, der noch nahezu hundert Jahre länger
in der Erde geborgen mar. Der Wirth und Malz-
fabrikant Schlichting, dessen Besitzthum gegenüber dem
Oberhof, einem ehemals gräflich leiningischen Amtshans
mit noch wohlerhaltenem prächtigem Steinportal. ge-
legen ist, ließ den ganzen geräumigen Hof der Wirth-
fchast tief aufgraben, um unter dem Platz einen Keller
zu erbauen. Aus der Fläche dieses Hofes standen früher
Lie Stallungen und Wirthschaftsgeväude, die zum lei-
ningischen Oberhof gehört hatten, und dies gab Anlaß
dazu, daß schon vor Beginn der Erdarbeiten scherzweise
davon geredet wurde, man werde beim Aufgraben auf
verborgene Schätze stoßen. Diese Erwartung ging
Wirklich in Erfüllung: Als am Montag, den 21. März
4898 Mittags 1 Uhr die schon seit einer Woche im
Gang befindliche Grabarbeit wieder begonnen hatte,
zerschlug ein Arbeiter mit seiner Haue einen großen,
irdenen Topf, der über Sonntag fast frei an einer ab-
.gegrabenen Erdwand gestanden war und sich nur wegen
daran klebender Lehmschollen den Blicken der Leute
entzogen hatte. Jetzt traf ihn einer der ersten Hiebe
mnd eine Menge von grünspanigen Münzen wurde bei
der Zertrümmerung des Topfes auf die Erde gestreut.
Es war Montag, eine Anzahl blaumachender Fabrik-,
arbeiter saß zechend im Wirthshaus, dessen Gaststube
einige Fenster auf den Hof hat, und merkten alsbald,
daß sich die Erdarbeiter draußen die Taschen mit irgend
etwas begehrenswerthem füllten. Darauf hin eilten
auch die Fabrikarbeiter herzu und keiner ging ohne
Beute fort. Nicht minder betheiligte sich die liebe Straßen-
jugend alsbald am Auflesen. Der Grundeigenthümer
selbst erlangte nur einen mäßigen Theil der Münzen;
wohl die meisten davon sind durch die Arbeiter, na-
mentlich die fremden Fabrikarbeiter vertragen worden.
Am zweiten Tag nach dem Fund kam ich nach Grün-
stadt und es gelang mir, etwa 1300 Stück der Fund-
münzen in gewiß zehnerlei verschiedenem Besitz zu be-
sichtigen, auch eine Anzahl davon zu erwerben. Theil-
Weise waren die Münzen durch ihre Besitzer schon ge-
reinigt worden, in einigen Fällen war leider auch von
unkundigen Händen das Oxyd gewaltsam abgekratzt;
die Mehrzahl der Münzen jedoch erlangte ich so, wie

diese aus der Erde gekommen waren, noch völlig von
der stellenweise heraus xidirten Legirung überzogen
und dadurcb zunächst ganz unkenntlich. Durchwegs
scheint der Fund aus Kleinmüuzen bis höchstens zur
Größe des Zehners (Orts) bestanden zu haben, nämlich
aus rheinischen Albus (Weißgroschen) des 15. Jahr-
hunderts, Batzen, Halbbatzen und ähnlichen Münzen
der ersten drei Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts. Fast
ausnahmslos waren es Gepräge deutschen Ursprungs,
und zwar von geistlichen und weltlichen Fürsten, von
Städten, österreichischen Kronländern u. s. w. Die
letzte Jahrzahl, die mir vorkam, ist 1535. (Auf einem
Halbbatzen obeipfälfischer Prägung Friedrich II. von
der Pfalz.) Die Zeit der Vergrabung dürfte also


Doppelbrust mit Bauchreifen und steifen Beintaschen zum neuen
Gestech über das Dia von einem Harnische des Andreas Grafen
»on Sonnenberg (ermordet rsit.) Arbeit des Desiderius Helm-
schm,ed zu Nürnberg um isos.
bald nach diesem Jahre anzusetzeu sein. Der Topf, der
die Münzen enthielt, soll drei bis vier Liter Fassungs-
vermögen gehabt und in der Form einem weithalsigen
Milchhafen gleichgesehen haben. Aus den wenigen
Scherben, die mir von dem Topf gezeigt wurden, konnte
ich allerdings diese Schilderung nicht nachprüfen. Wenn
wirklich der Topf so groß war und ganz mit Münzen
gefüllt gewesen ist, mag er 3000 bis 4000 Stück davon
enthalten haben. Die Hauptmasse, der von mir durch-
gesehenen Münzen bildeten kölnische, Mainzer, trierer,
pfälzische und jülich-bergische Albus (meist sogenannte
Raderalbus des rheinischen Munzvereins), sodann Batzen
von Pfalz-Neuburg, Leuchtenberg, Dettingen, Augsburg,
Regensburg, Konstanz (Stadt und Bisthum), Jsny,
Nördlingen, Passau (Bisthum) und Salzburg (Erzbis-

lhum.) Häufiger noch waren die Halbbatzen vertreten,
namentlich solche von Bayern, Kempten, Nördlingen,
Salzburg, Steiermark, Käcnthen und anderen Kron-
ländern Oesterreichs. Von Zehnern (Ortsthalern) waren
nur vereinzelte Stücke anzutreffen. Auch von einer
Goldmünze wurde mir erzählt, doch konnte ich diese
bis jetzt nicht zu Gesicht bekommen, weshalb ich den
Berich: darüber einstweilen anzweiseln muß.
Seltene Münzen waren Wohl auch im Fund vor-
handen, aber gegen die Masse der gewöhnlichen Stücke
sehr in der Minderzahl. So manches seltene und
wissenschaftlich beachtenswerthe Stück mag sich aller-
dings noch in unkundigen Händen befinden, bis es ge-
legentlich doch zur numismatischen Würdigung gelangt,
Da ich wohl den dritten Theil des Fundes zur Prüf-
ung vor mir hatte, so war mir damit doch ein an-
näherndes Bild von der Mischung der Münzen im
ganzen Fund geboten.
Im nachstehenden gebe ich die Beschreibung der
mir zu Händen grkommenen Münzgattungen. Ich be-
ziehe mich auch bei diesem Verzeichniß soweit möglich
auf die Sammlung Saurma-Jeltsch (Berlin 1892), in-
dem ich wieder die Abkürzung 8 anwende und die
Nummern der b i Saurma abgebildeten Münztypen
beifüge. Gelegentlich werde ich — aber nur bei wich-
tigeren Stücken und sofern diese bei Saurma fehlen —
auf andere Werke verweisen.*) Bei einzelnen Münzen
von besonderer Seltenheit oder bei anscheinend unedirien
Prägungen und neu aufgetauchten Varianten und Jahr-
gängen unterbleibt die Angabe der Litteratur aus be-
greiflichen Gründen; bei solchen Stücken ist jedoch die
Beschreibung ausführlicher gehalten.**)
Mainz (Erzbisthum), Dietrich III. von Erbach
(1434—59), Binger Raderalbus o. I. 8. 1251; desgl.
annonymer v. Bingen 1444 und 1445 (8 nicht.) Adolf
II. v. Nassau (1463-75), Albus o. I.. mit L.L-
6IIIL?I'U^', 8 1264 ; desgl., mit ^.R-MILkl'U^.';
deegl., mit ^.R—lULkl'LI^. *; desgl. wie vorher,
aber Umschrift der Ls: ^.VO I-L'LLV'—L? OONLLL*
Rs: * LIOlW'— * NOVL. * —LUOVN * Dietrich
v. Isenburg (1459-61 und 1475—82), Raderalbus
o. I., der thronende Heilige, zu seinen Füßen Familien-
wappen von Isenburg, VIL'LDLO'LD OtM'LI', Rs:
Vierfeldiges Wappen von Mainz und Isenburg im
Dreipaß, in den Ecken die Schildcyen von Köln, Trier
und Pfalz, UOiM * * U^.SV. Jakob von
Liebenstein (1504—8), Raderalbus o. I., Petrus auf
Thron, Rs: Vierfeldiges Wappen von Mainz und Lieben-
stein im Dreipaß mit dem Schildchen von Köln, Trier
und Pfalz.
Köln (Erzbislhum), Dietrich II. v. Mörs (1414
bis 1463), Nieter Raderalbus, 8 1431; Rieler Albus,
Petrus über Familienschild. RLOVI'—L.K6?I'6O, Rs:
Vierfeldiges Wappen von Köln und Möcs im Dreipaß,

*) Spezialwerke, wie Cappe uns Prinz Alexander von Hessen
(für Mainz), Merle-Walraf (für Köln), Bohl (für Trier) u. A.
standen mir nicht zur Verfügung.
**) Bei Wiedergabe der Inschriften konnte hier nicht zum Ausdruck
gebracht werden, daß die Münzen selbst vielfach Mönchsschrift auf-
weisen, sehr häufig sogar in Mischung mit lateinischen Buchstaben.
 
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