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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 41 (12. Oktober)
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Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.

Nr. 41.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich S.SO.
vierteljährlich, Ausland .

Stuttgart, 13. Oktober 1898.
(Erscheint wöchentlich.)

rr »emern
H schöpft-

(W. Wundt.)

33. Generalversammlung der
deutschen Geschichts- und Alter-
thumsvereine in Munster i. W.

aufgenommenes Hoch auf den Kaiser aus, indem er in
längeren Ausführungen die Verdienste des Hohenzollern-
hauses um die Entwickelung des deutschen Vaterlandes,
besonders seit dem Schlüsse des westfälischen Friedens,
schilderte.
Die Gesangchöre sangen mit Schwung und Prä-
cision das Lied vom deutschen Kaiser: „Durch tiefe
Nacht ein Brausen zieht" und dann hielt
Herr Professor Dr. Finke die Festrede über den
„Westfälischen Frieden und seine Bedeutung."
Redner bezeichnete es als eine besondere Eigen-
lhümlichkeit des deutschen Volkes, nicht nur die Er-
innerung glückstrahlender Zeiten der Vergangenheit in

In der in der Akademie abgehaltenen Sections-
sitzung sprach zuerst Architekt P. Walls aus Berlin
über den Denkmalschutz. Er berichtete zunächst, daß
auf Grund der vorjährigen Beschlüsse in Dürk-
heim nun eine Commission für die Denkmalspflege
zusammen getreten sei, die unter Vorsitz des Professors
Paulus-Stuttgart einen nach Dr. Grotesend aufgestell-
ten Entwurf eines Schutzgesetzes für Denkmäler als
Ausgangspunkt weiterer Verhandlungen angenommen
habe. Es folgt alsdann eine Betrachtung über neuere
Vorgänge in der Denkmalbewegung, auszugsweise Mit-
theilung über die Schriften des Professors Clemen-
Bonn und von Jul. Kothe-Berlin über die Organisation
und Gesetzgebung des Auslandes, insbesondere in Frank-
reich und Italien. Weiterhin kamen neuere Pläne und
Bewilligungen für Wiederherstellungen zur Sprache,
wobei Architekt Walls Zeichnungen und Meßbilder
über den Dom zu Meißen, das Schloß Marienburg,
das Rathhaus zu Dortmund und die Kaiserpfalz Eln-
hausen vorlegte. Die großen photogrammetrischen
Blätter entstammen der durch Dr. Meydenbauer in
Berlin gebildeten Meßbilderanstalt. Eingehend wurde
der zum Theil aus Reichsmitteln erfolgende Ausbau
des Schlosses zu Mainz besprochen, welchem durch einen
in der nächsten Nähe geplanten Kasernenbau eine un-
liebsame Beeinträchtigung droht. Es folgt ein Vortrag
des Herrn Archivrath Dr. Bailleu-Berlin über Forsch-
ungen in Privatarchiven zur Geschichte der Reformir-
'-ungen im 18. Jahrhundert. Eine zweite Sectionssitzung
wurde auf Nachmittag l/z2 Uhr angesetzt, diese officielle
Sitzung mußte jedoch, um das allgemeine Festprogramm
innezuhalten, bei Beginn aufgehoben werden. Es er-
folgte hierauf die Besichtigung der Stadt und ihrer
Baudenkmäler.
Den Glanzpunkt der Veranstaltungen bildete
die Hauptversammlung,
welche Vormittags 10 Uhr im Rathhaussaale begann.
Die Spitzen der Civil- und Militärbehörden mit ihren
Damen, zahlreiche Mitglieder des westfälischen Adels,
selbstredend alle Theilnehmer der Generalversammlung,
von Nah und Fern waren erschienen.
Nachdem die vereinigten Gesangchöre „Musikverein"
und „Liedertafel" dasBeethoven'scheLied: „DieHimmel
rühmen des Ewigen Ehre" vorgetragen hatten, brachte
Herr Erster Bürgermeister Jungeblodt ein begeistert


Doppelbrust mit Bauchreifen und steifen Beintaschen zum neuen
Gestech über das Dill von einem Harnische des Andreas Grafen
von Sonnenberg (ermordet 1611.) Arbeit des Desiderius Helm-
schmied zu Nürnberg um 1505.

sich aufzufrischen, seine Brust schwellen zu lassen beim
Gedanken der Großlhaten der deutschen Vergangenheit,
dem Hochgefühl vaterländischer Begeisterung berechtigten
Ausdruck zu verleihen, sondern sich auch in die dunklen
Zeiten traurigsten Geschickes mit verständnißvollem
Ernste zu versenken, aus den Leiden der Vergangenheit
neue Kraft, aus den Fehlern und Schwächen reiche
Belehrung zu ziehen. Die trübste Zeit unserer wechsel-
vollen Geschichte habe hier in Münster und im benach-
barteiz, Osnabrück ihr Ende genommen durch jenen
Friedensschluß vor nunmehr einem Vierteljahrtausend,
der die politische Ohnmacht unseres Volkes verewigen
sollte, einen Friedensschluß, geschlossen unter kräftiger
Beihilfe der intimsten Feinde Deutschlands, der Fran-

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6. Jahrgang.

zosen und Schweden, im Bunde mit den frechsten, bos-
haftesten und gefährlichsten Leuten von allen vier Ecken
des römischen Reiches und seinem Inhalte nach bestimmt,
Deutschlands Großmachtstellung zu vernichten, unser an
Nord- und Ostsee grenzendes, aus's Meer angewiesenes
Land zum Binnenland zu machen und die deutsche
Nation unter die Vormundschaft Frankreichs und Schwe-
dens zu stellen. Und doch habe das traute, herzer-
greifende Wort „pax perpstua" hundertfältigen Aus-
druck gefunden in dem ausalhinenden Jubel eines fast
verzweifelten Volkes, von dem ein sehr großer Theil
ja den Frieden nur vom Hörensagen kannte. Auch uns
erschien jenes Friedenswerk als ein weithin sichtbarer
Merkstein des vaterländischen, ja der europäischen Ge-
schichte. Denn es bedeute den endgiltigen Abschluß des
Mittelalters, von ihm datire das moderne Staats-
system wie unser mooernes Geistesleben, die Periode,
in der wir noch heute stehen; eine Entwickelung der
Wirthschaft, Politik und Wissenschaft, die trotz einzelner
Rückschritte und Stillstände noch immer aufwärts gehe,
eine Entwickelung der Dichtkunst und Musik, die um
den Beginn unseres Jahrhunderts ihren Höhepunkt er-
reicht habe. Wolle man aber recht verstehen, wie dieser
an sich so wenig erfreuliche Friedensschluß der weitren
Volkskreise trotz Allem habe beglücken können, so müsse
man ihn betrachten als Abschluß des größten Dramas
in unserem politischen Volksleben des dreißigjährigen
Krieges. Von dem Unheil, das dieser angerichtet, von
dem Greuel der Verwüstung in seinem Gefolge könne
man sich kaum ein zutreffendes Bild machen: Vor dem
Kriege ein dichtbevölkertes Deutschland mit glänzenden
Städten und wohlhabenden Dörfern, zu Ende des
Krieges dasselbe einst so schöne Land ein großer Kirch-
hof, eine Wildniß, von der Bevölkerung vielleicht ein
Drittel im Kampfe gefallen oder durch Krankheiten da-
hingerafft und der armselige in dem verwilderten Lande
unter Trümmern umherirrende bleiche Rest fast völlig
verdumpft, entnervt, aller Schnellkraft bar, alles höheren
Strebens, alles Selbstgefühls, ja anscheinend selbst der
Befähigung, auf eine Zukunft zu hoffen. Fast uner-
schöpflich sei das in den Archiven aufbewahrte Material,
das ein herzzerreißendes Bild liefere, von der materiellen
Noth und der moralischen und geistigen Verkommenheit
des Zeitalters jenes Krieges. Wohin nur immer die
Soldaten gekommen, hätten Niedermetzelungen, Plün-
derung und Brand ihre blutige Bahn bezeichnet, und
nach ihrem Abzug überall unheimliche Stille und
schreckensvolle Oede, die Städte entvölkert, die Aecker
verlassen und unbebaut, an Stelle üppiger Felder und
Wiesen Gestrüppe und wildes Haideland, bewohnt
von Wölfen und Räubern; dazu Elend aller Art und
Pest und schreckliche Hungersnoth, wie in den geseg-
neten Gefilden der Pfalz und Badens, wo sogar Kinder
abgeschlachtet worden und die Leichen in den Gräbern
durch Wachen hätten geschützt werden müssen. Frage
man nach der Ursache dieses Krieges, so gebe es auch
jetzt noch Kreise, die diesen furchtbaren europäischen
Völkerkampf unter Hinweis auf die Entwickelung des
voraufgehenden Jahrhunderts als eine geschichtliche
Nothwendigkeit bezeichneten. Seines Erachtens aber
 
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