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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 18 (4. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0141
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Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.

6. Jahrgang.

Deutschland u. Oesterreich ü.bo
vierteljährlich, Ausland 8.—

Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Psg., Auktionen 80 Pfa.

. x,-. » . , -. — » -
(Erscheint wöchentlich.)

Verbürgte
Auflage 5000.

Zentral-OrganfürSammelwesen,
Versteigerungen und Alterthnmskuude.

Verbürgte
Auflage 5000.
Offizielles Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reichsmuseums" in Stuttgart.

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Ä Die Wiffenschasten sind Gemeingut, weil das DenkenßE
Ä Gemeingut ist, und da« Denken au» der Quell« de» Wissens»«
H schöpft. , (W. Wundt.) HA
Auf den Ruinen einer unter-
gegangenen westfälischen Stadt.
W. Fricke (Bielefeld).
Südlich von Paderborn dehnt sich ein weites Acker-
gebiet aus, das unter dem Namen das Sendfeld (Si-
nutfeld) bekannt ist und ehedem die Kornkammer des
Bisthums war. Mehr nach Osten erheben sich als
Fortsetzung des Teutoburgerwaldes die Höhen des
Erzgebirges, die als der ehemalige überwaldische Be-
zirk des Stiftes bekannt sind. Das weile Gebiet, das
zur Zeit nur ein Forst bildet, war ehedem kultucreicher
-als heute. Nicht die Wogengänge der Soester Fehde
^der die des 30-jährigen Krieges brachten diese nach-
iheiligen Veränderungen hervor, die Ursache des Rück-
ganges muß weiter zurückgeführt werden und hängt
auch mit dem Untergange einer anfblühenden Stadt
zusammen, deren Trümmer noch heute im Walde ver-
borgen liegen.
Wenn der Wanderer von der Bahnstation Scherfede
.aus nach Norden hin die westlichen Ausläufer des
Erzgebirges durchzieht, gelangt er in eine fast undurch-
dringliche Waldwildniß, in der Roth- und Schwarz-
wild, Fuchs und Dachs ihr Wesen treiben. Quellen-
-geriesel begleitet ihn nach allen Richtungen, Ameisen-
kegel sperren oft den Weg und über den Walokronen
schweben Habicht und Mäusebussard, während im dunklen
Tannendickichte Wildtauben klagend gurren und in
den Lichtungen Häher ihren krächzenden Ruf ertönen
lassen.
Das ehemalige Kloster Hardehausen, das auf dem
Hofe Hardenhaus entstand, mit seinen Ackerfeldern und
Wiesen liegt hier wie eine Oase in der Wildniß. Von
ihm aus gelangen wir in westlicher Richtung nach einem
Marsche von einer Stunde zu einem Waldkegel, der
von tiefen, wasserdurchflossenen Schluchten umgeben ist.
Auf ihm erhebt sich die Ruine einer Burg und an sie
schließt sich nach Westen die Trümmerstätte eines großen
Ortes, der, waldbestanden wie er ist, den Tummelplatz
von Wildschweinen bildet, die grunzend an uns vorbei-
schießen, wenn wir die Wälle übersteigen, ihren Suhl-
stätten in den Schluchten zueilend. Wir stehen aus
den Ruinen der genau vor 500 Jahren untergegangenen
«tadt und Burg Blankenrode.
Um die Wende des 14. Jahrhunderts lebte im
nördlichen Gebiete des Fürstenthums Waldeck das
Rittergeschlecht der Brobickes, dem es gelang, auch in
den südlichen Theilen des angrenzenden Bisthums
Paderborn Gebiete zu erwerben, auf denen es Bergbau
auf Galmei und Blei betrieb. Besonders ergiebig
scheinen die bei Schneefeld am Ostrande des Send-

feldes gewesen zu sein, wo noch zahlreiche Geröllhügel
ihre Thätigkeit bezeugen. Hier nun entstand bald ein
blühender Ort und eine Burg, denen man den Namen
„Blankenrode" beilegte. Proconsuln (Richter) und Bürger-
meister der neuen Stadt, welche vielfach in von ihnen
ausgefertigten Urkunden auftreten, die Bezeichnungen
von Thoren, Klöstern und mehreren Kirchen beweisen
die wachsende Bedeutung des neuen Ortes, doch sollten
ihre Gründer, die Herren von Brobicke, ihres Besitzes
nicht froh werden, denn die Bischöfe von Paderborn
sahen das Wachsen der Macht eines fremden Dynasten-
geschlechtes auf ihrem Gebiete höchst ungern, besonders
schon aus dem Grunde, weil dasselbe ihrem Haupt-
gegner im Süden, dem Grafen von Waldeck, lehns-
pflichtig war, mithin also leicht zum Verräther werden
konnte. Möchlickerweise aber dachten die Brobikes eher


Nr. S2. Lederschnittarbettsn im Museum in Stuttgart. Text S. 140.
daran, sich dem oberherrlichen Einfluß der Waldecker
durch ihre Machtverlegunq zu entziehen, und zwar nach
der damals auch unter Rittern herrschenden Meinung,
daß unter dem Krummstabe gut wohnen sei.
Simon II. von Paderborn faßte nun 1384 den
Entschluß, die Brobickes zu verdrängen und gab seinen
Dienstmannen den Befehl, auf Kosten des Bisthums
dieselben zu befehden und ihnen Schloß und Stadt
Blankenrode zu entziehen. Doch nahm sich des be-
drängten Geschlechtes der damals im Herzen Westfalens
gegen die fürstliche und bischöfliche Uebermacht auftretende
Benglerbund, eine Vereinigung des mittleren Ritter-
standes, an, der seinen Namen von dem Knittel oder
Bengel, den er im Schilde führte, erhielt und der bei
dieser Gelegenheit unter der Führung eines Friedrich
von Padberg und der Mithilfe des Grafen von Waldeck
die Vasallen des Bischofs zu Paaren trieb, obgleich

nicht zu verhindern war, daß die feste Stadt Blanken-
rode in bischöfliche Gewalt, und zwar durch List ge-
rieth.
Am Südrande des Sendfeldes wogte der Kampf
auf und ab. Als nun gar Simon II., welcher die
Stammburg der Brobickes belagerte, am 25. Januar
1389 durch einen Pfeil getödtet wurde, schien der Bengler-
bund das Bisthum zu beherrschen und das Kapital
wußte sich nicht anders zu retten als dadurch, daß es
Friedrich von Padberg zum Beschützer des Stiftes er-
nannte. Dem neu erwählten Bischöfe Rupert von Berg
gelang es endlich, den Bund niederzuhalten, doch erhob
er unter Führung der Brobickes und Padbergs immer
wieder sein Haupt.
Unter Rupert stellte es sich auch heraus, daß ein
Herbold von Brobicke den Pfeil auf den Bischof ab-
geschossen hatte, der dann gehalten wurde, ein Sühn-
geld von solcher Höhe zu stellen, daß wir daraus er-
sehen, daß das Geschlecht auf seine industrielle Unter-
nehmungen reich geworden war. Ueberhaupt muß da-
mals ein bedeutender Wohlstand geherrscht haben, daß
das Sendfeld, welches eben in jenen Fehden am meisten
verheert wurde, heute roch nickt den alten Flor erreicht
hat. Wir treffen in den langen, waldigen Bezirken
vielfach noch unter mächtigen Bäumen die Wellenlinien
von Ackerländereien, ein Zeichen, daß hier in früheren
Jahrhunderten der Landbau verbreiteter war. Der in-
dustrielle Geist, der die Brobikes beseelte, ließ sie bald
in den östlich dem Sendfelde angrenzenden Bergen
die Mineralschätze erkennen und bewog sie, sich hier an-
zukaufen um Grubenbau zu treiben, und zwar mit
solchem Erfolge, daß eine rasch aufblühende Industrie-
stadt entstnda.
Ob nun der verhängnißvolle Pfeilschuß des Ge-
schlechtsoberhauptes, der mit den Seinigen in Blanken-
rode vom Bischof Simon II. belagert wurde, mit Ver-
anlassung gab, daß der Besitz dem neuen Bischof ver-
pfändet wurde, ist nicht mehr zu erfahren. Wir sehen
Burg und Stadt einige Jahre lang im Besitze des
Stiftes, das die Junker von Calmberg mit der Ver-
waltung betraute.
In den 12 Jahren andauernden, blutigen Fehden,
welche den südlichen Theil des Bisthums völlig ver-
wüsteten, gelang es den Grafen von Waldesi, Schloß
und Sladt Blankenrode zu überrumpeln und völlig
auszubrennen, wie es dann in einem Manuskripte heißt,
es wäre von Städten des Stiftes nur Blankenrode
wüste geblieben, „dat wann eyn greve van Waldeie und
brande dat net und vcnk darynne twe van dem Kalen-
berge de ere gelt daranne hadden." — Die Burg lag
aus der östlichen Seite der Stadt und war von dieser
durch eine kleine Schlucht getrennt. Auf dem höchsten
Punkte des nach Westen abgeflachten Kegels erhob sich
die Hauptfeste, deren Mauertrümmer aus dem kreis-
runden Wallringe noch an vielen Stellen hervorragen;
die Vorburg aber, birnenförmig gestaltet und durch
eine Brücke ehemals mit jener, wie wahrzunehmen ist,
verbunden, erstreckt sich nach Norden und zeigt neben
scharfen, wohlerhaltenen Umwallungen einen tiefen Sod,
den sogenannten Jungfrauenbrunnen, in welchen, der
 
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