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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 43 (26. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0341
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Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei

6. Jahrgang.

Anzeige».
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum ro Psg., Auktionen SN Psg.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.50.
vierteljährlich, Ausland 3. —.

Stuttgart, 2«. Oktober 18S8.
(Erscheint wöchentlich.)

Verbürgte
Auflage 5000.

« IZenrral-OrganfürSammelwesen,
Auflage o000. Versteigerungen und Alterthnmskuude.
OfstzieUes Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reichsmuseums" in Stuttgart.

M Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken jj
A Gemeingut ist, und das Denken aus der Quelle deS Wissend s
A schöpft. (W. Wundt.) l

Die Meister der Geigen-aukunft.
Von Franz Frioberg.
(Schluß.)

Auf dieses gab ihm der Graf zuerst 50 Dukaten
«für fein Spiel und schloß dann mit ihm folgenden Ver-
trag: 300 Gulden für die Geige, alle Jahre ein Kleid,
tägliche Beköstigung, läglich ein Maß Wein und zum
'Nebentrunk zwei Maß Bier, freie Wohnung, Holz,
Licht, dann monatlich zehn Gulden, alljährlich sechs
Scheffel Frucht und endlich so viel Hasen, wie er für
seine Küche nöthig hätte. Nach Abschluß dieses Ver-
trages erhielt Stetzitzky die Geige zum Geschenk. Der
alte Mann aber levte noch über sechszchn Jahre und
bezog während dieser Zeit aus des Grafen Kasse:
Für die Geige . 300fl.— kr.
Geschenke. 100 „ — „
monatlich 10 fl. . 1920 „ — „
tägliche Kost zu 20 Kreutzer .... 1946 „ 20 „
400 fl. .jährlich für ein Kleid .... 1600 „ — „
ein Matz Wein, täglich 12 kr.1168 „ — „
Jährlich 800 Maß Bier g, 4 kr. ... 853 „ 20 „
jährlich 6 Scheffel Frucht zu 3 fl. . . 288 „ — „
jährlich 6 Klafter Holz zu 3 fl. . . . 288 „ — „
Licht, täglich 1 kr. 97 „ 20 „
Vier, Jahre nach ihm bezog noch seine Base
an Frucht, 6 Scheffel. 72 „ — „
«nd ihretwegen bezog eine arme Wittwe
l/2 Klafter Holz und 4 Guld. Hauszins 22 „ — „
auch erhielt selbe alle Monate 1 fl. 30 kr.
und noch überdies 6 kr.78 „ — „

Dies macht in Sa. nach dem 24 fl.-Fuß 10,380 fl. 24 kr.
Die Zeitschrift „Europa, Chronik für die gebildete
Welt" vom Jahre 1860 bestätigt diese Angaben und
fügt noch hinzu: Diese Geige kam nachher in mehrere
Hände und ist jetzt im Besitze des Herrn Chrönsel in
Wien, der selbe im Jahre 1854 willig auf einige Stun-
den hergab, um zur Vermehrung der Feierlichkeiten bei
der Vermählung Kaiser Franz Josephs beizutragen.
Es war das letzte Mal, daß auf dieser Geige öffentlich
.gespielt wurde. Außer dem Dreigestirn Amati, Stradi-
vari und Guarneri sind noch von italienischen Meistern
-ersten beziehungsweise zweiten Ranges zu nennen;
Brescianer Schule: Gaspard da Salo, Giovanni Paole
Maggini. Cremoneser Schule: Andreas Amati, Hierony-
mus Amati, Andreas Guaruerius, Joseph Guarnerius
(zu unterscheiden von Joseph Guarnerius del Gssu),
Pietro Guarnerius, Carlo Bergonzi (wohl einer der
besten Schiller und treuer Helfer Stradivaris), Lorenzo
Guadaguini (ebenfalls Schüler und dazu vorzüglicher
Jimitator Stradivaris; seine Instrumente werden

häufig für die des Meisters verkauft), Paolo Grancino,
sdrancesco Ruggeri (namentlich vorzügliche Violoncelli),
Carlo Giuseppe Testore und Laurentius Storioni.
Neapolitanische Schule: Giovanni Baptista Grancino
und Alessandro Gagliano. (Letzterer besonders interes-
sant, weil er, der Sohn eines Marchese, wegen Mordes
von der Polizei verfolgt wurde und sich in einem
dichten Wald jahrelang verborgen hielt, woselbst cr zum
Zeitvertreib geigenähnliche Instrumente schnitt. Nach-
dem seine Person aufgebört hatte, die Polizei zu be-
schäftigen, wagte er sich wieder in die Oeffentlichkeit
und gründete in Neapel eine Lauten- nnd Geigenmacher-
werkstätte.) Venezianische Schule: Santa Seraphino
nnd Dominica Montagnana. Die deutsche Schule oder
wir wollen sagen die tiroler ist außer Duiffopruggac


Rücken mit Gesäßschurz von einem Maximilianharnische des Eitel
Friedrich, Grafen Zollern (gest. 1512). Deutsche Arbeit um 1506.

und Stainer noch vertreten durch: Mathias Albani,
David Techler und Egidius Klotz nebst seiner Familie
(namentlich Ersterer sehr berühmt; Spohr hält dessen
Geigen für ebenso bedeutend wie die Stainers, und
ein englischer Lord soll sogar für eine echte Egidius
300 Pfund und außerdem eine Lebensrente von 100
Pfund geboten haben), während die französische Schule
mit den Namen Lupot und Vuillaume zu Ende sein
dürfte.
Zum Schluß noch die Geschichte einer Guarneri-
Geige.
Im Jahre 1879 fuhr ich auf der Donau nach Ru-
mänien, um meine Schwester zu besuchen. Mit mir be-
fand sich ein Freund, der mir zu Liebe die Reise mit-
machte. Unterwegs stiegen wir in einem Dorfe aus,

um daselbst zu übernachten. Ich lag kaum im Bett,
da hörte ich plötzlich von der Wirthsstube her Zigeuner-
musik und den Ton einer Sologeige, der mich ganz
eigenthümlich berührte. Ich konnte mich schließlich nicht
mehr halten, stand auf und ging mit meinem Freund
ins Gastzimmer. Wie ich eintrete, kommt mir gleich
ein Klang entgegen, wie ich ihn nie schöner gehört
habe. Ich trete näher und bleibe starr ! Der Zigeuner
spielt eine urechte Guarnerius del Gssu. Kaum Hal
er geendet, schleppe ich ihn auf mein Zimmer, reiße ihm
die Geige aus der Hand und untersuche sie genauer.
Ja, ja, es ist, obzwar im schrecklich deronten Zustand,
doch unverkennbar eine Guarneri und zwar eine der
vollkommensten, die ich je gesehen habe. „Wo hast Du
die Geige her?" frage ich athemlos.
„Die hat schon mein Großvater gehabt, gnädiger
Herr!"
„Willst Du sie verkaufen?"
„Gern nicht, es käme auf den Preis an."
„Hundert Gulden!"
„Ja, Herr, für hundert Gulden kaufe ich mir zwei
Kühe und drei Schweine!"
Nun muß mich wohl der Teufel in diesem Augen-
blick geblendet haben. Ich dachte mir, der Zigeuner
hat hier doch keine Gelegenheit, die Geige zu verkaufen,
es hat also Zeit. Und so sage ich zu ihm: „Hebe einst-
weilen die Geige gut auf, in sechs Wochen bin ich
wieder zurück, dann hole ich die Geige, und Du be-
kommst Deine hundert Gulden." Der Zigeuner war
damit einverstanden. Nächsten Morgen fuhren wir
weiter. Ich weiß nicht, ich bemerkte jetzt plötzlich an
meinem Freund ein verändertes Wesen. Er wurde miß-
muthig, gereizt, gab mir bei jeder Gelegenheit Grob-
heiten und that, wie mir schien, alles Mögliche, um sich
mit mir zu entzweien. Ich wußte absolut nicht, was
ich dem Manne gethan hatte. Richtig, am dritten Tag
platzte die Bombe. Wir zankten uns tüchtig, und an
der nächsten Station stieg er aus und fuhr zurück,
während ich meinen Weg fortsetzte. Bei meiner
Schwester augelangt, hatte ich bald keine Ruhe mehr.
Ich dachte immer und immer wieder an die Geige zu-
rück. Mein Gott, wenn ein unglücklicher Zufall — oder
der Zigeuner gerieth in eine Schlägerei und zerhieb da-
bei die Geige! — Es war nicht mehr zu ertragen, und
ich reiste ab. Im Dorfe angelangt, war die erste Per-
son, der ich begegnete, der Zigeuner.
„Na, gnädiger Herr," fragte er mit freudiger
Stimme, „wie gefällt Ihnen die Geige?"
„Die Geige? Die will ich ja eben holen!"
„Was denn holen? Sie ist ja schon geholt!"
„Wie — was — geholt — wer?"
„Na, Ihr Freund war doch hier, hat mir die 400
Gulden gegeben und in Ihrem Namen die Geige ge-
holt. Jst's nicht richtig?"
Ich war einer Ohnmacht nahe. — Um jetzt kurz
zu erzählen, die Geige verkaufte mein ehrenwerther
Freund in Budapest sofort für 1000 Gulden, sie wurde
in Stand gesetzt und ging dann für den Preis von
750 Pfund nach England. Ich aber hatte die ge-
bührende Strafe für meinen Leichtsinn und den Glauben
 
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