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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 50 (14. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0397
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.ientral-crgansürSammctwcicn,
Bersteigerungeu «nd Alterthnmskunde.

Verbürgte
Auflage 5000.

Offizielles Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reichsmuseums" in Stuttgart.

Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.

Nr. 5V.

Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich ,50.
vierteljährlich, Ausland 3.—.

Stuttgart, 14. Dezember 18S8.
lErlcheint wöchentlich.:
.... ---.--

Anzeigen:
Di« Nonpareillezeile oder deren
Raum so Pfg., Auktionen so Psg.

6. Jahrgang.

A Die Wtffenschaften sind Gemeingut, weil das Denken
A Gemeingut ist, und da« Denken au« der Quelle de« Wissen«
H schöpft. (W. Wundt.)

Das
Portal am Quintinskirchhof
in Mainz.
Von
vr. Friedrich Schneider.

Das 18. Jahrhundert hat in den geistlichen, wie
'fürstlichen Residenzen eine große Zahl prächtiger Bau-
end Kunstdenkmäler geschaffen, die, soweit sie erhalten
-geblieben, im Einzelfall ein Beleg für das blühende
Kunstlebcn jener Zeit und bis zur Stunde eine Zierde
unserer Städte sind. Der repräsentative Zug der Kunst
des Barock eignete, wie kein anderer, seine Kunsterzeug-
nisse dazu, in vornehmer, malerischer Wirkung an die
Oeffentlichkeit zu treten. Statt schlichter Wände und
mageren Gliederungen, wie sie den Kirchen-und Profan-
Bauten des späten Mittelalters eigen waren, entwickel-
ten die Schauseiten der Gotteshäuser und Paläste schon
Aufwand in Verwendung des schönen, bunten Main-
sandsteins ; Säulenstellungen rahmten die Zugänge ein
ung ließen ans die höhere Prachtentfaltung des Innern
schließen: Figuren und anderer Bilderschmuck erhöhten
den Reichthum der Wirkung. Gesteigert wurde die
Wirkung durch den Gegensatz zu den bürgerlichen Wohn-
gebäuden, die in richtiger Maßhaltung weder im Um-
fang, noch in der Ausstattung über die thatsächlichen
Verhältnisse ihrer bürgerlichen Einwohner hinausgingen.
So verstand jene Zeit die Kunst, an der rechten Stelle
mit einer glanzvollen Wirkung einzusetzen und im
Wechsel vom Einfachen zum Bedeutenden jenen Reiz
hervorzubringen, der unseren alten Städten bisher eigen
war, aber unwiederbringlich verloren geht.
Beispiele derart besitzt die Stadt Mainz noch in
guter Zahl. Allem voran steht in ebenso machtvoller,
als künstlerisch hochstehender Wirkung die Schauseite
der ehemaligen Augnstinerkirche. Von stattlicher Ent-
faltung ist die Westseite der Pelerskirche und die in
vornehmer Einfachheit durchgesüh-te Front der Jguaz-
kirche. Von besonders glücklicher Wirkung ist der einstige
Stadion'sche Palast (Große Bleiche) und die großartig
aufgcrollte Front les Dalberger Hofs (Justiz-Palast).
Aber auch in kleineren Leistungen zeigte die Zeit ihr
Kunst Vermögen. Kann man leicht wieder Reizenderes
finden, als das Portal des ehemaligen Augustiner-
klosters (Seminar) ? Daneben seien nur noch im
Vorübergehen die Portale am Stephanrkceuzgang, am
Jnvalidenbaus, an Armenklaren, an Karmeliten u. a.
erwähnt. Und zum Schluß kehre ich zu jenem reiz-
vollen Portal bei St. Quintin zurück, dem diese Zeilen
gewidmet sind.

In enger, unregelmäßig verlaufender Straße, zwi-
schen niedlichen Barock-Häuschen eingebettet, leuchtet es
wie durch seine zierreichen Formen und seinen Figuren-
schmuck, so durch einen wirksamen Wechsel von Licht
und Schatten, vor der großen rauhen Masse der Quin-
tinskirche auf. Der Gegensatz ist hier von der glück-
lichsten Wirkung: der himmelhohe ungegliederte Thurm
der Kirche, diese mit ihrem massigen, dunklen Schiefer-
dach und daran jenes graziöse Kleinod, das sich in
seinem reizvollen Aufputz auf dem mächtigen Hinter-
gründe fast fröhlich spiegelt. Durchblicken» fällt das
Auge auf die hohen Frontgiebel der „Nähkiste" und
trifft am Ende, als zauberhaften Abschluß, auf den
Vielgliedrigen Hauptthurm des Domes.


Da« Alsbacher Schloß in Hessen. (Text Seit! SS7.)

Man zeihe mich nicht der Uebertreibung: aber wo
sonst findet sich ein so wechsel- und schönheitsvolles
Straßenvild ? Wohl geht man tausendfach achtlos daran
vorüber, man drängt und schiebt durch die viel bewegte
Straße und findet nicht Zeit, sich dessen bewußt zu
werden, was dorten dem wahrhaft Schauenden sich
bietet. Fremde müssen oft den Einheimischen zeigen,
was sie in täglicher Gewöhnung nicht auf seinen Werth
erkennen. Hundertfältig trägt heute die photographische
Kunst naturgetreue Bilder unseres Portals mit der
Schustergasse in alle Welt und macht Propaganda für
dieses geradezu einzige Straßenbild. Ein Mainzer
Künstler (ff Wilh. OhauS) hat vor Jahren diesen Blick
in einem köstlichen Bild verewigt.
Das Portal besteht aus einem stach überwölbten
Durchgang, der von Pilastern flankirt ist. Ein geschwun-
genes Gesims schließt den Unterbau ab, in dessen Mitte
eine Kartusche mit Inschrift heraustritt. Flache Voluten
mit Zier-Vasen treten darüber dem Sockel zur Seite,
ivorauf als Hauptfigur die Statue der Immaculata
steht. Rechts und links stehen tiefer in der Linie der
Pfeiler die Kirchenpatrone, der heil. Bischof Blasius
und der heil. Märtyrer Quintin in dem Jdealkostüm
eines römischen Kriegers.
Ausfallender Weise ist die offen zu Tag liegende

Widmungs-Inschrift bis jetzt nirgends mitgetheilt. Sie
enthält neben der Angabe der Urheber und der mit der
Stiftung verbundenen Absicht auch die Jahreszahl der
Gründung in einem s. g. Chronostichon eingeflochten
Sic lautet:
I) rrl Qi? uL.vr.xL Vlrrslnls iroxorrl
r-Vs OIO-^L D LOoirl
L.xmrlO-x. r2OLI-.L8l.XL ir'i'I oVO-rl xl
r>riLL8Lkes roii'i.xI.L irXi-MsIs
r-rror-irlls Liik-XI'r
Die Summe der hervorgehobenen Zahlzeichen ergib t
die Jahreszahl der Errichtung 1752.
Hiernach wurde das Portal zu Ehren Gottes und
der Heiligen Jungfrau und zur Zierde der öffentlichen
Straße von der Kirchenfabrik von St. Quintin aus
deren eigenen Mitteln errichtet. Es ist zu beachten,
wie mit Nachdruck hervorgehoben wird, daß der neue
Thorbau nicht so sehr dem nächsten Zwecke des Ab-
schlusses zwischen Kirchhof und Schustergasse dienen, als
vielmehr der Straße zum Schmuck gereichen sollte. Man
war sich bewußt, hier ein Werk von künstlerischer Be-
deutung zu schaffen und bekundete diese Absicht für
kommende Zeiten durch einen entsprechenden Ausdruck
in der Inschrift. Und heute nach anderthalb Jahrhun-
derten muß jenem Kollegium wackerer und einsichtiger
Männer das Zeugniß crlheilt werden, daß sie von
Pietät und Bürgersinn geleitet ein Werk gestiftet haben,
das eine wahre Zierde der Straße, ja ein künstlerisches
Kleinod unserer Stadt geworden ist.
lieber die Stiftung selbst gibt das Protokoll jener
Verhandlungen Auskunft, die von der Vertretung der
Kirchenfabrik darüber gepflogen wurden. Ich verdanke
den Hinweis der Gefälligkeit des Herrn Psr. Forschner
zu St. Quintin und theile den Wortlaut hier zum
erstenmalc mit.
Demgemäß wurde vom Kirchenvorstande im Jahre
1752 „zum Zierrath der Kirch dahin gedacht, ein neues
„Portal aufrichten zu lassen. Weswegen man dann
„mit H. Caspars Hirnle Bildhauern dahier wegen der
„dazu gehörigen Bildhauerarbeit, nämlich deren drei
„Statuen und übrig im Riß angesetzten Zierrathen da-
„hin Übereinkommen, daß er die dazu gehörigen Weiß -
„steine aas seine Kosten liefern und künstlich verfertigen
„soll, wogegen ihm von Seiten der Kirchenfabrik 250
„Gulden zahlt werden sollen. Dem Steinmetzmeister
„Kilian Clausner soll für die Steinlieferung auf den
„Platz und seine Arbeit 180 Gulden gegeben werden,
„wogegen man sich zu ihm versichert, daß er alles nach
„dem Riß verfertigen werde, und ist zu vermehrter Fest-
haltung dieser Kontrakt von beiden Theiien unter-
schrieben und dem Protokoll der (Kirchen-)Fabnk ein-
„oerleibt worden. So geschehen am 6. Juli des Jahres
1752." An dieser Sitzung der Kirchen-Geschworenen
nahmen Theil unter dem Vorsitz des Weihbischofs
Dr. Nebel der Netteste Herr Viktor, der mit Wahrnehm-
ung der Bauangelegenheiten betraute Herr Fink, so-
 
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