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Antiquitäten-Zeitung — 6.1898

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Nr. 23 (8. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61938#0181
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Offizielles Organ des Vereins zur Erbauung eines „Deutschen Reithsmuseums" in Stuttgart.


.Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Josef Laut in Stuttgart, Reinsburgstr. 44, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei.
Nr. 23.
Abonnement:
Deutschland u. Oesterreich 2.S0
vierteljährlich, Ausland 3.—
Stuttgart, 8. Juni 18S8.
(Erscheint wöchentlich.)
Anzeige«:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Psg., Auktionen so Pfg.
6. Jahrgang.

Die Wissenschaften sind Gemeingut, weil das Denken
Gemeingut ist, und dar Denken aur der Quelle der Wissens 8°
schöpft. (W. Wundt.) k°

Ausstellung alter Kunstwerke
im Akademiegebände in Berlin.

Wiederholt schon sind ältere Kunstwerke aus dem
Privatbesitz von Berliner Sammlern und Kunstfreunden
in den bekannten beiden Sälen und dem Korridor im
ersten Stockwerk des Akademiegebäudes bei gewissen
Gelegenheiten und festlichen Anlässen zur öffentlichen
Ausstellung gelangt. Unser Publikum ist dann jedes-
mal freudig überrascht gewesen durch die Menge be-
deutender Schätze älterer italienischer, deutscher, vlämi-
scher, französischer, holländischer und spanischer Kunst,
die in Berlin verborgen sind und von deren Vorhanden-
sein nur die glücklichen Besitzer selbst und die in ihren
Häusern Verkehrenden wußten.
Wieder ist eine derartige Ausstellung in jenen
Räumen in's Leben gerufen. Sie sollte diesmal aus-
schließlich Kunstwerk- und kunstgewerbliche Arbeiten, die
den Zeiten des Mittelalters und der Renaissance ent-
stammen, enthalten. Das Unternehmen hat großen An-
fang sowohl bei dem Kaiser und seiner knnstliebenden
Mutter, wie bei den privaten Sammlern, Besitzern und
Hütern solcher Schätze gesunden. Durch ihre Beisteuern
ist eine Ausstellung zusammengebracht, die durch den
Reichthum an köstlichem Inhalt ein sehr gerechtfertigtes
Erstaunen erregen muß. Dieser Inhalt ist ebenso
mannigfaltig als künstlerisch bedeutend. Da sind aus-
erlesene und wohleryaltene Gemälde und Handzeich-
nungen von italienischen, niederländischen und deutschen
Meistern des 15. und 16. Jahrhunderts; Stickereien
und Wirkbilder von der größten Schönheit und Kunst-
vollendung; Büsten, Statuen, Statuetten, Reliefs aus
Marmor, Silber, Bronze, Terracotta, Fayence, Holz,
Elfenbein; Bronzeplaquelles, Medaillen, Schaumünzen,
Thürklopfer; Prunkgesäße von k instvollster Ausführung
aus Silber und Gold, Emaillen (Zellenschmelz und
Malerei) Kunstmöbel jeder Gattung und Größe, aus
denselben Epochen, italienische, ober- und niederdeutsche;
Truhen, Kästen, Schränke, Tische. Alles das ist in
einer Gruppirung, die von feinem Geschmack und Kunst-
gefühl zeugt, in den Räumen so vertheilt, daß kein
Gegenstand in seiner Wirkung durch die anderen ihn
umgebenden geschädigt wird und jeder zu der ihm ge-
bührenden Geltung gelangt. Im Uhrsaal sind die Ge-
mälde an allen vier Wänden in genügenden Zwischen-
räumen von einander anfgehängt, ebenso Stickereien
und Gewebe. Kleinkunstwerke in Vitrinen zusamenge-
stellt, einzelne größere Bronzen, wie die beiden herr-
lichen halblebensgroßen Statuen antiker Götter aus
dem Besitz des Grafen Pourtalss, auf Tischen; ge-
schnitzte Truhen mit Kiffen belegt, durch Intarsien ge-

schmückte oder geschnitzte Stühle, Schränke, Schemel,
Truhen, Kassetten stehen längs der Wände, Teppiche
von außerordentlicher Schönheit bedecken den Boden.
Der Raum des Langen Saals und ein Theil des Kor-
ridors sind durch Zwischenwände, die in ersterem an
der beleuchteten Südwand hervortreten, in Kojen ab-
getheilt, die meist mit Werken aus dem Besitz je eines
Sammlers gefüllt wurden. Die lange Nordwand gegen-
über ist mit großen, prachtvollen Arazzi aus dem 16.
Jahrhundert (im kaiserlichen Besitz) bekleidet. Auch
hier überall erlesene Kunstmöbel und Bodenteppiche von
herrlicher Farbenfülle und Vitrinen, hinter deren Scheiben
bronzene, edelmetallene und elfenbeinerne Kleinkunst-
werke aufgestellt sind. Vitrinen mit ähnlichem Inhalt
stehen in nicht geringerer Zahl im Korridor. Am
Himmelfahrtstage um 1 Uhr Mittags wurden diese
Räume einer eingeladenen Gesellschaft von Herren und
Damen, bekannten kunstfreundlichen und kunstverständigen
Persönlichkeiten Berlins zu einer „Vorbesichtigung" ge-
öffnet. Der erste Eindruck ist dank der zweckentspre-
chenden und geschmackvollen Aufstellung (die Gemälde


No. bS. Miniatur-Kassette im Museum zu Stuttgart, Neckarstr. S.
zT-xt Seite iso.)
auf der Wandbekleidung aus tiefrothem Stoff) — ein
außerordentlich wohlthuender, künstlerisch vornehmer,
ruhig harmonischer. Trotz der starken gesättigten weit-
hin leuchtenden Farben der alten Gemälde wirkt auch
keins von ihnen hart und schreiend, ebenso wenig wie
die Farben der andern Gegenstände, und kein Ton fällt
aus diesem edlen Akkord heraus.
Ein Katalog war noch nicht erschienen, noch kein
Stück mit Nummern und mit den Namenbezeichnungen
seines Urhebers und seines Besitzers versehen. Man
war in diesen Stunden der Vorbesichtigung in Bezug
auf die der ersteren, wo das eigne Wissen, Erkennen
und Errathen nicht ausreichte, und hinsichtlich der letz-
teren einzig aus die vertraulichen Mittheilungen der
anwesenden Besitzer und der Herren Ausstellungs-
arrangeure angewiesen. Bei jedem Anwesenden, der
zu ihnen zählte, fand man übrigens ein freundliches
Entgegenkommen und eine liebenswürdige Bereitwillig-
keit, die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten.
An der Spitze derer, welche Kunstschätze aus ihrem
Besitz zur Ausstellung hingegeben haben, werden der

Kaiser und die Kaiserin Friedrich genannt. Vom Kaiser
wurden, wie schon erwähnt, die großen, herrlichen,
alten, flandrischen Arazzi, die angeblich nach
Kartons von Van Orley ausgeführten Wirkbilder ge-
liehen, mit denen wir oben drei Wände des Treppen-
hauses und die eine Wand des langen Saales behängt
sehen. Von ihm sind auch die wundervollen Meister-
werke alter Gold- und Silberschmiedekunst, die im
Uhrsaal in einer Vitrine aufgestellt sind und unter
denen sich die beiden hohen Prachtpokale von Jamnitzer
und der ältere nicht minder kunstreiche mit ornamen-
talem und figürlichem Bildwerk, wie mit farbigen
Steinen vielgeschmückte Abendmahlskelch aus der Ni-
kolaikirche befinden.
Aus der Kaiserin Friedrich Besitz stammen unter
anderen Erzeugnissen die prächtigen, zinnernen Schüsseln
und Humpen (in einer im Korridor stehenden Vitrine),
deren Oberflächen mit schönen Flachreliefdarstellnngen
im edeln Renaissancegeschmack bedeckt sind.
Als diejenigen Privatsammler, denen die Ausstell-
ung ihre Fülle von auserlesenen Kunstschöpfungen dankt,
wurden insbesondere genannt: Frau Hainauer, welche
die non ihrem verstorbenen Gatten mit feinstem Kunst-
und Schönheitssinn, gründlicher Sachkenntniß und
leidenschaftlicher Liebe dafür zusammengebrachten Meister-
werke der Künste und Kunstgewerbe ans den Zeiten
der Renaissance treulich in ihrem Hause auf den ge-
wohnten Plätzen bewahrt hat. Herr v. Bcckerath, der
eine Koje im langen Saal besonders mit einer Menge
von Meisterhandzeichnungen mit altflorentinischen
Fayencebildwerken aus der Werkstatt der Della Robbias,
und solcher aus bemalter Terracotta oder Stuck, wie
eine Vitrine mit edeln Bronzen und Emaillen füllte,
Der nicht minder bekannte große Sammler Herr Schnitzler,
der Geheime Rath Dirksen, der Eigenthümer der Mehr-
zahl jener köstlichen italienischen Majoliken in dem
großen Glasschrank am Ostende des langen Saales;
die Gesellschaft der Kunstfreunde zur Unterstützung der
königlichen Museen, Herr James Simon, Herr Salo-
mon, die eine Menge meisterlicher Kleinkunstwerke aller
Gattungen, besonders Bronzen beisteuerten; Graf Pour-
talss, Fürst Lichvowsky, Herr v. Carstanjen, Dr. Reichen-
heim, Herr v. Wesendank, Herr Weisbach, Direktor
Bode, Direktor Lippmann. Herr Hollitscher, der eine
Vitrine im Korridor mit Bronzen und Majoliken von
erlesenster Schönheit füllte, Direktor Fr. Goldschmidt,
Professor Karl Becker, Geh. Rath Professor Richard
v. Kauffmann, dessen Koje im westlichen Theile des
Korridors besonders reich an Meisterwerken altnieder-
ländischer und altdeutscher Malerei ist, Bilder von un-
anfechtbarer Echtheit von Lukas v. Leyden, Memling,
Heghe v. d. Gaes, Rogier v. d. Wehden, Gerhard David,
Patinier, dem „Meister vom Tode der Marra" u. A.
enthält. — Auf die einzelnen oder auch nur auf die
hervorragendsten Stücke der Ausstellung hier schildernd
oder gar kritisch besprechend einzugehen, verbietet die
große Menge der vorhandenen Erzeugnisse. Genug,
wenn man in einem Bericht darüber den Grundcharaktcr
des Unternehmens zeichnet, den Gesammteindruck wieder-
giebt und das Publikum hinweist, welche geistigen Ge-
 
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