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Heidelberger Familienblätter — 1866

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No. 1 - No. 13 (3. Januar - 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0009

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Zur Trichinenfrage.
Die Berichte über die eben ſo ſchreckenerregende, als auch für die
Wiſſenſchaft intereſſante Trichinenendemie in Hedersleben haben bis jetzt
meiſt nur über die traurigen Folgen der Krankheit geſprochen, aber noch
keine näheren Aufſchlüſſe gegeben über die Entſtehung und über die beſon-
deren Gründe der ſo ungewöhnlichen und verderblichen Ausvehnung der
Trichinenkrankheit an dieſem Orte. Nach Privatnachrichten iſt dieſes Un-
heil; dadurch veranlaßt, daß der Metzger, welcher die Abnormikät des betr.
Ieleiſches wohl erkannt hatte, daſſelbe it dem Fleiſche von zwei andern ge-
ſunden Schweinen vermengte und die gefährliche Warire nur als Beilage
gab. Dieſes Geſtändniß kam auf dem Sterbebette vön ſeinen Lißpen,
denn wie bekannt inußte er und deſſen Frau ſeinen Leichtſinn und ſeine
Gewiſſenloſigkeit mit dem Tode durch Trichinen büßen. Der Grund aber
für die Intenſität dieſer Endemie iſt darin gefunden, daß, wie es gewiß
ſchon tauſendanalgfrüher geſchehen iſt, von Sziten des Arzte e falſche
Anſicht über das Weſen der dortigen Krankheitsfälle anfänglich beſtand,
inſofern er die ſo plötzlich in dem Orte auftretenden Erkrankungen mit'
Erbrechen und heftigein Durchfall für Cholera erklärte und deswegen
ſtopfende Mittel, namentlich Opium, in großer Menge verordnete, was die
Selbſthülfe der Natur, welche die Trichinenbrut mit dem Durchfall aus“
zuſtoßen ſich beſtrebt, hemmte, ſo daß die Einwanderung nach den Muskeln
um ſe zahlreicher und gefährlicher wurde. Hätte man gleich Anfangs, wie
es jetzt geſchieht, Benzin, Terpentinöl, Chinin öder einen Aufguß von per-
ſiſchem Inſectenpulver, wie jüngſt vorgeſchlagen, alsbald angewendet, ſo
wären wohl die durch ihre Fruchtbarkeit ſo verderblichen Darmtrichinin
eher vernichtet oder doch vermindert worden, und die Einwanderung in
die Muskeln, welche die ungeheuern Schinerzen erzeugt, wäre nicht ſo zahl-
reich geworden. Angeſichts dieſer neueſten Trichinenendemie werden die
Witzeleien der entwever aus egoiſtiſchen Gewerbsintereſſen oder aus Frivo-
lität Ungläubigen verſtummen. Zu einer ernſten Beachtung der Trichinen-
frage muß man um ſo mehr geſtimmt werden, wenn man lieſt, wie in
neueſter Zeit ein Criminalproceß, der einſt in Preußen viel von ſich reden
machte, und in welchem es hauptſächlich um abſichtliche Vergiftung durch-
Wein ſich handelte, endlich nach 20 Jahren ſeine Aufklärung dadurch erlangte, daß

man an einem jene Epiſode noch Ueberlebenden zufällig Trichinen in gro-
zer Menge fand, wodurch marn plötzlich auf die richtige Beurkheilung jener

in Folge vermeintlicher Vergiftung eniſtandenen Krankheitsſyniptome und
zahlreichen Todesfälle hingewieſen wurde — freilich zu ſpät mit Rückſicht

auf die unſchuldig Angeklagten (vgl. Caſper'ſche Vierteljahrsſchrift für ge-
richtliche und öffentliche Medicin. Jahrg. 1863.): —. Wie oft kann man
von Aerzten den Ausſpruch hören: Ruhranfälle endigen gern mit heftigem
Gliederweh oder mit Bruſtentzündung. oder es heißt: das gaſtriſche Fieber“
ſei in Thyphus übergegangen. Mit dieſen Sätzen ſind ja die Hauptzüge
des Bildes der Trichinenkrankheit gegeben. Wie ſo gar nicht ſelten waren
 
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