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Heidelberger Familienblätter — 1866

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 38 (2. März - 30. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0133

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Hemelerder Lamiicmdlimer.

M 32. Frreitag, n 16. —— 2806.

Der Rubrieator.

— Rovetlette.

Eine der ſinſterſten Nachte ſenkte ſich auf die Stadt Paris herab.
Die Feierabendglocke verſtummte. Ohne die brennenden Fackeln vor den
Pfeilern des Gebäudes würde man die niedrigen⸗ Säulen und gothiſchen
Bogen des Palaſtes des Prinzen Philipp von Valois nicht. erkannt haben,

obgleich er an. einem hervortretenden Orte, auf der hoͤchſten Spitze des

Greveplatzes, einer ſandigen Strecke, die mit ſteiler Reigung. bis zum ufer
der Seine hinabläuft, erbaut war.
Ein junger Er trat aus einem der an den Palaſt anſtoßenden
Häuſer hervor. r ſchlug einen Theil ſeines großen Mantels über die
rechte Schulter arüe, wahrſcheinlich um nöthigenfalls ſich ſeines eiſenbe-
ſchlagenen Stockes, den er in der Hand trug, ungehindert bedienen zu
können, und ging dann mit beſchleunigten Schritten dahin. Nachdem er
das Ufer erreicht hatte, ging er am Kloſter und der Straße d'Hieres vor-
über und durcheilte den ganzen Quai des Ormes, welcher von nen Straßen
Paon Blanc und Fosgier⸗l'Anier begrenzt wird.
Dort mäßigte er⸗ endlich die. Schnelligkeit ſeines Ganges und ſchlug,
noch ganz außer Athem, zweimal ſeine Hände gegeneinander.
Da öffnete ſich die Thür eines ihm gegenüber gelegenen Hauf ſes mit
aller Vorſicht und eine junge in eine lange Mantille eingehüllte Frau
trat aus derſelben hervor; ſie ging auf ven⸗ jungen Mann zu und bot ihm
ihre zitternd Hand.
½% „Henryot,“ ſagte ſie mit aufgeregter Stimme nach längerem Schweigen,
„uieber Heuryot, dieſes Rendezvons iſt das letzte: Du mußt Dich morgen
auf immer entfernen und nach einem fremden Lande reiſen, denn unſere
Liebe iſt nicht mehr unſchuldig und rein. wie zur Zeit unſerer Kindheit;
ſie grenzt — — heilige Jungfrau erbarme Dich meiner — ſie grenzt an
Ehebruch!/
Der junge Mann ſtieß einen unarticulirten Seufzer hervor.
„Ach! Ja, mein theurer Henryot, wir müſſen uns trennen für das
ganze Leben! Du mußt in Zukunft das Gedächtniß an Deine Margarethe
Dir aus dem Sinne zu ſchlagen ſuchen, wie man einen ſchlechten Gedan-
ken des böſen Geiſtes »erſcheucht Lebe denn wohl! ebe wohl, lebe wohi,
Henrvot!“ —
Bis dahin hatte er wie vernichtet von der Verzweiflung dageſtanden;
als er ſie einen Schritt thun ſah, um ſich zu entfernen, fuhr er lebhaft
auf und ergriff die Hand wieder, die ſich ſoeben der ſeinigen entzogen hatte.
— „Nein, rief er aus, „nein, Du gehöͤrſt mir! Meine Gattin biſt
Du. In unſerer Kindheit, als wir beide in der naͤmlichen Wiege ſchliefen.
plauderten da nicht unſere Eltern vertraulich von der Abſicht, uns mit
einander zu verheirathen? Lächelten ſie nicht und nickten bedeutſam mit
dem Kopfe, wenn ich meine Spielſachen von keiner andern Hand berühren
laſſen wollte⸗ aals von der Hand meiner kleinen Warareihen Als ich nach


 
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