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Heidelberger Familienblätter — 1866

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No. 117 - No. 130 (3. October - 31. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0513

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Dedeiender Tamilienblätier.

127. — * ben 26. Odbbet 7 1866.

Binenehr.
Eine Novelle von A. Ma y. —*

„Gortſetzung, 5*—

Es wochte die ihr bewußt oder unbewußt nahetretende Empfindund
dieſer eigenthümlichen Maͤͤnnlichkeit ſein, welche Lenore gleich bei der erſten
Begegnung im Coupee anzog und in ihr eine freundliche Erinnerung an
ihren Reiſegefährten zurückließ.
Ihre Erinnerung war indeſſen ſchon nahe⸗ varan, wieder ganz zu er-
blafſen, als ſie durch Melchthal erneuert wurde. Otto's Benehmen Melch-
thal gegenüber konnte nicht verfehlen, jenen erſten günſtigen Eindruck zu
erhöhen. Lenore Kronberg hätte kein Mädchen und noch weniger eine junge
Künſtlerin ſein müſſen, wenn ſie nicht gleich beim erſten Zuſammentreffen
Otto's in ihrer Wohnung gefühlt hätte, daß auch ſie einen günſtigen Ein-
druck auf Otto gemacht habe, und wenn dieſe ſtets Vergnügen erregende
Beobachtung nicht 19 Intereſſe für ihn geſteigert hätte. ö
Seine nähere Bekanntſchaft verwandelte ihr Intereſſe bald in eine
warme Freundſchaft. Sein Umgang ward ihr ſchnell zum Bedürfniß. Sie
überließ ſich der Freude an dieſem neuen belebenden Element in ſeiner
Gegenwart mit harmloſer Seele. Sie fühlte dabei nichts von einer tieferen
Leidenſchaft. Es fiel ihr auch nicht ein, eine ſolche auf der anderen Seite
zu vermuthen. Sie dachte deshalb nicht daran, den freundſchaftlichen Ver-
kehr mit Otto für etwas Anderes zu nehmen, als für eine jener idealen
Beziehungen, die im Künſtlerleben öfter vorkommen und wie liebliche Blu-
men aufblühen und eine Zeitlang duften. Man freut ſich an dem Dufte
und denkt nicht daran, daß gewöhnlich der Tag nicht ſehr ferne liegt,
an welchem ſie die harte Nothwendigkeit des Lebens wieder aus den
Händen reißt und in den raſch dahinſchießenden Strom der Vergangenheit
ſchleudert.
So war Lenoren's Beziehung zu Otto in der Zeit, als der nnerwartete
Zweikampſ vor ſich ging.
Duelle bereitet man unter dem Mantel der tiefſten Verſchwiegenheit
vor. Sie pflegen jedoch bald nach ihrem Stattfinden ein öffentliches Ge-
heimniß zu werden. So geſchah es auch bei dieſem Zweikampfe. In
wenigen Tagen bildete er eine von Mund zu Mund gehende Stadtneuig-
keit. Wenn auch die Perſonen der Kämpfenden zu wenig bekannt waren;
um allgemeines Intereſſe zu erregen, ſo wurde dies doch dadurch hervor-
gerufen, daß beide Duellanten der Ariſtokratie angehörten und daß eine
beliebte Schauſpielerin die Veranlaſſung dazu gegeben hatte. Die Conver-
ſations⸗ und Ankleidezimmer des Hoftheaters ſind nicht die letzten Räume,
in welchen dergleichen Stadtgeſchichten Eingang finden. Es war deßhalb
kein Wunder, daß auch dieſes Duell bald im Munde von Lenoren's Col-
leginnen war. Sie hatten zwar nicht den Muth, deſſelben ausdrücklich
gegen Lenore zu erwähnen; dieſe fühlte ſich jedoch plötzlich von ihrer Um-
gebung ſo eigenthümlich angeſehen und beobachtet, daß ſie nicht wußte, was
 
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