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Heidelberger Familienblätter — 1866

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No. 104 - No. 116 (2. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0457

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Bedelberger Zamuicnblätter.

113. —* Sanatse, ven 25 Sepnbe

Das Mocchen des Jira.

Aus den Papieren eines Achtzigläͤhrigen mitgetheilt von · V. E. vener

Goriſetzung und Schluß.)

„ So, 1 ſchloß Röschen, njetzt wiſſen Sie Alles, und ich habe es fur
meine⸗ Schuldigkeit gehalten, mit Nichts gegen Sie hinterm Berge zu hal-
Was Sie füͤr das Beſte halten nun zu thun, das müſſen Sie ſelbſt
wiſſen.“
„Wohl!“ rief ich und ſprang auf: „Wohl weiß ich es l Schmach und
Schande aber, daß du mich erſt daran mahnen mußteſt. Ich will nicht
noch mehr Erniedrigung über mich bringen, und Unheil und Verdruß über-
Euch, gute Leute, in deren Gemeinſchaft ich mich als. Storefried eingedrängt
habe. Noch dieſe Stunde ſcheide ich von Euch!“
Das wollte nun zwar Röschen unter keiner Bedingung zugeben, daß
ich ſofort, noch in der Winternacht aufbreche. Sie erinnerte mich an mei-
nen wunden und zerſchlagenen Körper, dem es großen Schaden bringen
könne, wenn ich mich der Kälte auf's Neue ausſetze. Ich hatte aber glück-
lich meine Energie wieder gefunden und bangte vor Nichts, als ſie wieder
zu verlieren, deshalb mußte raſch gehaͤndelt werden, um jeden Rückfall zu
vermeiden.
Eine Chaiſe gab es im ganzen. Dorfe nicht, und eine Poſt paſſirte
gleichfalls nicht durch; wohl aber wußte ich, daß jeden Montag in den
erſten Morgenſtunden ein Botenfuhrwerk von Delsberg nach Baſel durch-
fuhr. Früher Morgen war es faſt über den Vorgängen dieſer Nacht geworden,
es war keine Minute zu zoͤgern. Ich eilte auf mein Zimmer, kleidete mich
nach langer Zeit wieder in angemeſſene Tracht, und packte meine Effekten.
Alles, was mich an die Zeit, meiner Thorheit und Erniedrigung erinnern
tonnte, ließ ich zurück. Ich. wollte ganz und vollſtändig mit. dieſer⸗ Ver-
gangenheit brechen.
Da fiel mir auch Rösli's, Portrait mit dem Papagei in die Hände.
Auch dies, einſt mein Schatz, den ich bis zum letzten Blutstropfen ver-
theidigt hätte, warf ich in den Schrank zurück, und mit bitterem Hohn
waͤrf ich ihm den letzten Blick zu. Dieſe weibliche Bilderſchwärmerei hatte
wahrlich nicht den kleinſten Theil meiner Leiden verſchuldet.
Ich hoͤrte das Führwerk, von ferne an dem Glockengeläute renntlich. ö
Ich griff meine Effekten auf und eilte hinab, wo ich Rösli bitterlich weinend
antraf. Ich eilte auf ſie zu und faßte ihre Hand, ſie ſank ſchluchzend an
mein Herz. Auch meine Augen wurden feucht, und mit Mühe hielt ich
meine Faſſung aufrecht. ö
„Lebe wohl, lebe tauſend Mal wohl! Du gutes, liebes, tluges Rösli!“
rief ich mit erſtickender Stimme. „Der Herr erfülle dir deine Wünſche,
und laſſe ſie dir zum Glück gereichen. Er ſegne dich ſo reich, wie du es,
verdienſt. Grüße mir den Vater, die Brüder und deinen Heiri. Ich ver-
gebe ihnen Allen, was ſie an mir geſündigt, und ſie werden mir meine
 
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