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Heidelberger Familienblätter — 1866

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No. 90 - No. 103 (1. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0417

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Heidelberger Zamilienbläuicr.

V 103. res, den 1. agen — 1866

2. —5

RW Das Nösgen des Zura.
* Aus den Bantan eines . wiaepau von . oeiger

Gorherung *

Der Burſch⸗ hatte ein offenes hrliches Geſicht. „Seine Hiede verrieth
viel und Mutterwitz, ja ſogar, für einen Bauernburſchen! n

Zeit. aus einem abgelegenen Thal des Jura ſtammend, eine gewiſſe Intel-

ligenz. Wir häatten, ſchien es, beiderſeits Gefallen au nander waxen
bald des Handels einig.
In Baoſel heimiſch zu werden, Bekanntſchaft zu gew
man ſehr güt an erſte Häuſer empfohlen iſt, war von Hicher für den
Fremden ſchwer. Auch ich mußte das empfinden. Sehr einformig gingen
meine Tage dahin, und an die Förderung meiner Zwecke war noch gat
nicht zu denken.
Mein Diener Ruedi, der, wie ſchon geſagt, ein ganz verſtündiges

Bürſchchen war und dabei eine ſo gute treue Seele, daß man ihn lieb
haben mußte, trat mir unter dieſen Umſtänden bald näher, als es in
Randern Verhältniſſen wohl der Fall, geweſen wäre. In vielen Fällen kehrte
jedoch eine Rede wieder, die ich Anfangs nicht beachtet, mir doch endlich auf-

fallen mußte.
War irgendwie von einer Peiſon weiblichen Geſchlechtes die Rede,
wurde von irgend einer Eigenſchaft einer ſolchen lobend geſprochen, 0.
lautete Ruedi's Antwort gewiß: „So ſchön wie mi Rösli iſchi ſie do net,“
oder: „Mi Rösli cha's do ſchöner,“ oder: „Wie mi Rösli iſcht do Keini hi,
oder wie nun gerade die Veranlaſſung ihm Gelegenheit zur Variante gab,
aber „s'Rösli“ war der immer wiederkehrende Refrain. Für ihn war nun
einmal der Inbegriff alles Preiswürdigen 8'Rösli.“

Daß für einen geſunden jungen Burſchen von kraͤftigen Trieben die

Herzliebſte die Krone der Schöpfung iſt, das fand ich ganz natürlich, ich
verlor deßhalb kein Wort darüber, lächelte nur innerlich über die vermeint-
liche gluckliche Befangenheit des Burſchen. —
Endlich trieb er mir es doch gar zu toll, und ich wollte ihn deßhalb auf·

ziehen. Ich ſagte ihm, er müſſe ſich⸗ wohl auch für den Inbegriff aller

Vollkommenheit halten, denn wenn er nicht von ſolcher Eitelkeit, beſeſſen
ſei, ſo ſei es ſchwer zu verſtehen, wie er hätte die Kühnheit haben können,
Rösli auf längere Zeit zu verlaſſen. Vereinige ſie wirklich ſo alle Vor-
zuͤge in ſich, wie er glaube, ſo würde ſie wohl auch von Anderen begehrt
werden. Ob er gar nicht⸗fürchte, ausgeſtochen zN werden ꝰ?

Wie erſtaunte ich, als ich zur Antwort bekam: „Ja i, hab kein Schah

5Rösli is nit mei Liebſchti. Röeli is mi Schweſchterli. Mir het no
keini g'falle wie s'Rösli, und wenn i keini find ſo ſchön, ſo⸗ lieb und guet
wie die, ſo mag i gar Keini.“
Nun, das war mir in meiner Praxis noch nicht vorgetommen, auch

in den wohlberechtigtſten Fällen von Bruderliebe nicht. Ich machte einige

ohne da
 
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