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Heidelberger Familienblätter — 1866

DOI Kapitel:
No. 39 - No. 51 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0177

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Demelerger Bamiltndlüner.

* + 43. — Wleg den 11. Ahril ö * — 1866

* Der ertuicene Kaſſier. — —

Aus den Crinnerungen eines euſchen Volzeibeamten.

— (Jonſetzung.) * —
Mit der ſchöͤnen Margot war ich auch nicht beträchtich weiter gekon
men; ſie kokettirte mit mir und heuchelte mir Theilnahme, wollte aber nur
eredliche Abſichten“ von mir annehmen, und ich trieb das Spiel natürlich
nicht ſo weit, um mich um ihre Hand zu bewepben. Doch galt ich für.
ihren erklärten Liebhaber, der alle vierzehn Tage einmal bei ihr Thee trank

und ſie zuweilen aus dem Theater nach Hauſe geleitete. Ueber Reveillot

ſprachen wir nie, und wie ſehr ich mich auch bemuͤhte, ihr Treiben genauer
zu beobachten — ich vermochte kaum etwas zu erkunden, was den Verdacht
ihrer Connivenz mit dem entflohenen Diebe rechtfertigte, dieſen oft peinlil-
chen Argwohn, deſſen ich mich trotzdem nicht mehr entſchlagen konnte.
„Siit beiläufig vierzehn Tagen aber hatten mich Dienſtgeſchäfte abge-
halten, die ſchöne Margot zu beſuchen Wir waren einer Spielerbande
auf der Spur, welche in verſchiedenen Hotels nach einander ihr Weſen ge-
trieben, und einzelne Gimpel von Stande auf eine Weiſe gerupft hatte,
daß der Verdacht entſtand, es habe ſich dabei vielleicht auch noch um fal-
sſches Spiel gehandelt. An einem Abend waren wir ſo glücklich geweſen,
den Spielclub auszuheben, und hatten mit Erſtaunen eine Anzahl Cava-
liere des Hofes, Ritlerguisbeſitzer ꝛc. dabei entdeckt, die freilich meiſt mit
ausgefegten Taſchen erſchienen, und nach Angabe ihrer Namen entlaſſen
werden mußten. Bei dem Tumulte, den die Proteſtation der vornehmen
Herren gegen unſer Eindringen in eine Privatwohnung hervorrief (obwohl
unſere Verfaſſung keine Habeas-Corpus⸗Acte aufweiſt), war es aber einigen
der Spieler gelungen, aus dem Lokale zu entwiſchen und einen Theil ihrer
Kaſſe zu ſalviren, weshalb ich meine Leute auf den Bahnhof ſchickte, um
zu verſuchen, ob wir nicht der Burſche habhaft werden könnten, denn um
halb zwei Uhr⸗nach Mitternacht fuhr ja ein Nachtſchnellzug durch, mit
dem die betreffenden Gauner oder Spieler von Profeſſion (was nach mei-
ner individuellen Anſchauung nahezu identiſch. iſt) noch aus unſerem Be-
reich entwiſchen köonnten. Ich ſelbſt hatte mich in aller Eile verkleidet und.
durch falſchen Backenbart, Brille, Schlapphut. ꝛc. unkenntlich zu machen
verſucht und hielt mich in den Warteſälen des Bahnhofes ſchon eine halbe
Stunde vor dem Eintreffen des fremden Zuges auf, mit einem kleinen
Reiſetäſchchen in der Hand, um mir alle ankommenden Paſſagiere mit
Muße zu beſchauen.
So ſehr ich mir auch Mühe gab, recht unbefangen zu erſcheinen *o
ergriff mich doch eine Art fiebexiſcher Aufregung, als der Zug endlich ein-
fuhr und die Paſſagiere ausſtiegen. Jetzt kam die Zeit. wo meine Vögel
ausfliegen mußten, u unſ nachdem ich eine Weile alle diejenigen beobachtet
hatte, welche einſteigen wollten — es waren ihrer kaum zwei Dutzend Per-
ſonen im Ganzen — begann ich mir die einzelnen Coupés zu beſchauen
und mir von einem der Schaffner hineinleuchten zu laſſen, als ob ich einen
 
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