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Heidelberger Familienblätter — 1866

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 38 (2. März - 30. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0145

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BHewelberger Tamilienblätter.

35. * Tun. — 23. — 2 1866.

Der Rubricator. — —

ö 5

— * *

(Schint.)
In ſolcher Gemüthsverfaſſung verbrachte Henryot den Reſt des Tages,

die ganze Nacht und einen Theil des Morgens des folgenden Tages.

Endlich öffnete ſich die Thür ſeines Gefängniſſes; der alte Prieſter
erſchien; ſeine Bläſſe und ſeine Thränen verkundigten ihm, daß Keine Hoff-
nüng mehr übrig ſei.
—Da ergriff eine plötzliche Verzweiflung, eine jürchterliche Wuth den
armen Henryot. Er durchrannte ſeine Zelle, ſtieß den Kopf gegen die
Mauer, heulte ſchrecklich und ſchlug ſich mit⸗ ſeinen. Ketten. Weder die
freundliche Stimme des Prieſters, noch die Anſtrengungen eines ſtämmigen
Kerkermeiſters, welcher auf ſein Geſchrei herbeigekommen war, konnten den
Raſenden bändigen. Erſt längere Zeit nachher fol er blutend und erſchoͤpft
zu den Füßen ſeines Beichtvaters nieder-
„O mein Sohn, o mein Sohn!“ ſagte der Gottesmann zu ihm,
„wenn die irdiſche Gerechtigkeit Dich ungerechterweiſe beſtraft, iſt nicht die
göttliche Gerechtigkeit da, die Dich für alle Leiden belohnen wird, welche
Dir hienieden auferlegt' werden? Nimm mit Ergebung die Dornenkrone
dieſer Welt au, damit: Du in einem beſſern Leben die Krone der Seligkeit
empfangeſt. Biete Deine Leiden Jein Chriſto dar, als Sühne für Deine
Sünden.e““
„Aber ſie, ſie, welche Sünde hat ſie begangen, deren⸗ Reinheit der der
Engel gleichkommt? Und man will ſie martern in Gegenwart einer Volks-
menge, die ſich über jeden ihrer Schmerzensſchreie freuen und dem Henker
Veifall jauchzen wird. Laßt mich l1 — Es gibt keine Gerechligkeit, weder
auf Erden, noch im Himmel!“ ö
ö „O mein Sohn,“ rief der fromme Greis aus, „ſtirb nicht als ein
Ungläubiger“ Weiſe nicht die göttliche Palme zurück, welche die Engel
Dir darreichen. Stirb nicht ſo; denn ein ſolcher Tod würde für mich,
der ich⸗Dich getröſtet And unterſtüht, ein. Quell ewiger Thränen und Ver-
zweiflung ſein.
„Ach, Vergebung, mein Vater! ſoöhnte Henryot. „Aber es iſt ein
ſo ſchreckliches Loos! Wenn ich allein ſtürbe! Aber ſie, ſie —“
Dem Prieſter gelang es endlich, den Gefangenen etwas zu beruhigen
und als die Henker den armen Rubrikenmalex fortzuführen kamen, fanden
ſie ihn auf den Knieen vor ſeinem Beichtvater, der. ihm muler Thränen
den Segen ertheilte. 5
Der Gewohnheit jener barbariſchen Beiten gewäß wurf man den Un-
glücklichen⸗auf eine Hürde, und ſo wurde er mitten durch die ihn beſchimpfonde
Volksmenge hindurch nach der Rotre⸗ Dame⸗ Kuche geſchleift, wo er nffent
lliche Buße thun ſollte.
Eine ungeheure Menſchenmenge erfüllte die Kirche. Gegen die Ge-
wohnheit führte man Henrhot bis zum Chore, wb uſzein großer ſchwatzer ö
 
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