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Heidelberger Familienblätter — 1866

DOI Kapitel:
No. 104 - No. 116 (2. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0433

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Hridelberger Tamilicubläter.

M 107. Sonntag, den 9. Septeuben: 1866.

Das Röschen des Jura.
Aus den Papieren eines Achtzigjährigen mitgetheilt von V. E. Heigel.

ö Cortſetzung.) ö
Gileich dem albernſten Burſchen, dem zum erſten Male ihr Netz über
den. Kopf fällt, ward ich von ihr, durchgerüttelt und geſchüttelt, daß ich ſo
ſchwach, mürbe und ſiech. ward, daß ich mich ſelbſt recht von Herzen ver-
achtete, aber damit nicht einen Funken Energie in mir anfachen konnte.
„Etwas aber mußte geſchehen. Dies „Hangen und Bangen in ſchweben-
der Pein“ war zu aufreibend. Zur Activität konnte ich mich aus eigener
Kraft nicht erheben, ſo mußte ein Act der Paſſivität wenigſtens ſie mög-
lichſt'erſetzen. Rosli ſollte ſehen, wie ſtark meine Liebe ſei, und dieſe Erkennt-
niß konnte nach meiner Hoffnung, die ſich an den Strohhalm anklammerte,
bei des Mädchens edlem Herzen mich auch zum Ziele führen. — *
Au Eines Tages bat ich Vater Rebmann um eine Unterredung unter vier
ugen.
Ich begann erſt dem erwartungsvollen guten Alten eine Recapitulation
meiner Lebensgeſchichte zu machen, deren Weſentlichſtes er bereits wohl
kannte. Ich ging ſchnell über auf die letzten Ereigniſſe, die mich aus
franzöſiſchen Dienſten brachten, und mich nach der Schweiz führten. Ich
ſchilderte meine Abneigung gegen das fernere Verbleiben in der Welt, in
der ich bisher gelebt, und die ich nach all meinen ſchmerzlichen Erfahrungen
herzlich verachten gelernt. Ein, wie ich es erachtete, gütiges Geſchicke habe
mich in ſein Haus geführt, und Alles, was ich da geſehen, habe mich nur
immer mehr belehrt, daß das wahre Glück in ſchlichter Niedrigkeit, verbunden
mit einer nützlichen raſtloſen Thätigkeit, am ſicherſten gedeihe. Sein eignes
Bild und das ſeiner glücklichen Familie habe den Wunſch in mir wach
gerufen, mir ein gleiches oder ähnliches Loos zu gründen. Mich zu prüfen,
ob dieſer Wunſch auch von Dauer ſei, und ob eine ſolche Exiſtenz auch
wirklich ſich für mich eigne und ich für ſie, ſei der wahre Grund meines
langen Aufenthaltes in ſeinem Hauſe. Mein Entſchluß ſtehe nun uner-
ſchütterlich feſt, und ich bäte ihn, mir zu deſſen Ausführung behülflich zu
ſein. Gerade ganz und gar ſeine Thätigkeit, welche meiner Liebe zur
Kunſt Nahrung gebe und meinen Geiſt beſchäftige, thue mir am Beſten
Genüge. Bei meinen mancherlei Vorkenntniſſen und künſtleriſchem Talente
werde mir die Erlernung der techniſchen Fertigkeit in der Bildſchnitzerei
nicht ſehr ſchwer fallen. Ich wünſchte alſo geradezu Fein Lehrling zu wer-
den, auch als Mitglied ſeines kleinen Muſikcorps wünſchte ich einzutreten.
Während der Lehrzeit werde man ſich immer mehr kennen lernen, und es
werde ſich darnach das Weitere entſcheiden. Was mich beträfe, ſo fühle
ich die Liebe und Achtung wie gegen einen Vater für ihn; auch gegen ſeine
braven Söhne hegte ich die brüderlichſten Gefühle. Wären ſie eben ſo mit
der Zeit für mich geſinnt, ſo könne dann ſpäter auf irgend eine Weiſe
eine innigere, dauernde Verbindung zwiſchen uns eintreten, wo nicht, ſo
 
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