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Heidelberger Familienblätter — 1866

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No. 64 - No. 76 (1. Juni - 29. Juni)
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Heidelberger Tamilienblätter.

74☚... Sonntag, den 24. Juni: ᷣ 1866

—— Aus einer Reiſe um nie Erde. ö

Berliner Blätter veröffentlichen intereſſante Auszüge aus den Reiſe-
Erlebniſſen des Profeſſors Eduard Hildebrand, die derſelbe in Tagebüchern
und andern »Berichten niedergelegt. Wir greifen für unfere Lefer die an-
ziehende Schilderung des Beſuches bei einem aſiatiſchen Gouverneur und
der darauf erfolgten Theilnahme an einem wunderlichen Neujahrsmahle bei
dem Könige Siams heraobbbddd.
Am 14. März — heißt es in dem Auszuge — ſtand ich kurz vor
dier Uhr Morgens auf und machte mit einigen Bekannten Ausflüge nach
den bemerkenswertheſten Tempeln Bangkoks, der Hauptſtadt des aſiatiſchen
Königreichs Siam. Die dreihundert Fuß hohe What⸗Pagode hatte ich
ſchon gleich nach meiner Ankunft geſehen, und ihre Ornamentik aus blau
und weiß gemuſtertem groben Porzellan bewundert; jetzt beſuchten wir zu-
nächſt den berühmten Tempel, in welchem zein unfoͤrmliches Abbild des
Buddha in einer Länge von 175 engliſchen Fuß und 50 Fuß Höho: auf
einem niedrigen Poſtament lagert. So vielzich durch die Vergoldung der
Statue erkennen konnte, iſt dieſelbe aus Backſteinen aufgemauert. Andere
Tempel ſind mit Hunderten vier Fuß hoher vergoldeter Bildſäulen des
Gottes gefüllt. Einmal unterwegs, ſtatteten wir auch den Elephantenſtäl-
len des Königs einen Beſuch ab. Wir fanden einiger mit Stoßzähnen von
ſieben Fuß Länge beiwaffnete Exemplare, die zum Theil mit goldenen Ringen
geſchmückt waren. Wohlgemerkt ſind die Landeskinder verpflichtet, dieſen
Bewohnern des königlichen Marſtalles dieſelben Huldigungen darzubringen,
wie dem Könige. * ö ö
Am 15. März, einem Sonntage, hatte Hr. Markwald aus Berlin
mich nebſt drei anderen Herren zu einer Waſſerparthie geladen. Wir fuh-
ren um 6 Uhr Morgens ab, kürzten eine Krümmung des Stromes durch
einen Canal ab, und kamen um acht Uhr in Pratlat an. Der von unge-
fähr 10,000 Einwohnern bevölkerte kleine Ort iſt“ eine Feſtung, würde
aber einer Belagerung von europäiſchenStveitkräften ſchwerlich länger als

eine Viertelſtunde widerſtehen können. Wir ſtatteten ſogleich. dem Gouver-

neur einen Beſuch ab, trafen ihn jedoch nicht zu Hauſe. Dafür machten
wir den anweſenden Gemahlinnen des hochgeſtellten Militärs unſere Auf-
wartung. Es waren ihrer zwölf, und jede trug einen Säugling an der
Bruſt, doch ſtimmte das Colorit der holden Kleinen wenig üÜberein. Dem
Vernehmen nach iſt der Gouverneur von Pratlat ſehr ſtark vörheirathet
und recrutirt unaufhörlich unter der weiblichen Bevölkerung des Ortes für
ſeinen Harem. Die Zahl ſeiner Frauen ſoll über hundert betragen. Die
ihren Eltern mit Güte öder Gewalt entführten Mädchen werdemn in dem
Alter von zehn bis dreizehn Jahven in dem Hauſe des⸗ Gouverneurs zu
Danzerinnenund Orcheſter⸗Mitzliedern ausgebildet, denn der edle Kriegs-
herr unterhält auch ein eigenes Theater. Nächſtdem! beſuchten wir⸗ den
Polizei⸗Präſidenten, welchen wir gleichfalls nicht zu Geſichte bekamen, doch
wurden wir von den älteren Ehefrauen, die ſämmtlich Betel kauten, ſehr
zuvorkommend empfangen und mit Cocusmilch bewirthet, die zungen Damen
ö
 
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