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Heidelberger Familienblätter — 1866

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No. 131 - No. 142 (4. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0549

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Heidelberger Tamilienblãtter.

M 136. Freitag, den 16. Nabember 1866,

Frauenehre.
Eine Novelle von A. Mayy.

Gortſezung.)

Vch habe ſchon ein paar ſolcher Ehen zwiſchen vornehmen Herren,
zwiſchen Herren von ſogenannter Geburt und ſo armen Kreaturen erlebt,“
fuhr Mutter Kronberg fort. „Ich ſag' Ihnen, es kommt nichts Gutes
dabei heraus, für beide Theile nichts Gutes. Anfangs kümmert es den
Mann nicht, ob ſich die Welt über die Mesalliance moquire oder nicht.
Das wird aber anders, wenn er ſieht, daß ſeine Frau wirkliche Imperti-
nenzen erleben muß. Und ſolche können nicht ausbleiben. Man macht
Beſuche, die nicht erwiedert werden. Man erhält Excuſationen, wenn mau
einladet. Zeigt ſich die gnädige Frau einmal irgendwo, ſo rücken die hoch-
müthigen Dämchen ihre Stühle hinweg und die Mütter heißen ihre Töch-
ter aufbrechen, damit ſie kein Aergerniß nehmen. Das empört den Mann.
Er beſchwert ſich darüber gegen ſeine Freunde; dieſe wiſſen aber nichts
zu thun, als die Achſeln zu zucken und ihm zu verſtehen zu geben, daß
er ſelbſt daran ſchuld ſei. Stait ſich nun über die Andern zu ärgern, läßt
es der Herr Gemahl die unſchuldige Frau entgelten. Er wird verdrießlich,
verliert den Geſchmack an ihr, ſucht ſich zu zerſtreuen und vernachläſſigt
ſie. Sie grämt ſich Anfangs darüber, dann beſinnt ſie ſich und denkt:
Soll ich denn durch dieſe Heirath die Erlaubniß eingebüßt haben, das Le-
ben zu geuießen? Dabei wacht die Erinnerung an die alte Zeit auf. Was
man einmal erlebt hat, Herr Baron, läßt ſich nie mehr ganz wegwiſchen,
wie ein Kreideſtrich auf der Schiefertafel. Es kommen ihr ſchöne, liebens-
würdige Männer in den Weg. Anfangs läßt man ſich die Kurmacherei
gefallen, nur um den Herrn Gemahl ein wenig zu reizen. Allmälig findet
man an der Sache ſelbſt wieder Gefallen. Der Mann erfährt davon, er
macht Scandal. Man überwirft ſich, kurz. die unglücklichſte Ehe von der
Welt iſt fertig, und man darf es ſich noch zum beſonderen Glück anrech-
nen, wenn man durch eine anſtändige Scheidung wieder auseinanderkommt.
Das wäre aber ganz anders geworden, wenn man gar nicht auf den Ge-
danken gekommen wäre, ſich zu heirathen. Man hätte ſich der-Welt gegen-
uͤber mehr Zwang anlegen müſſen. Man hätte —
„Hören Sie aüf, Frau Kronberg,“ rief Otto, der während dieſer
langen Rede mehrmals, jedoch vergeblich, verſucht hatte, die Sprechende zu
unterbrechen. „Sie beurtheilen mich nach jenen flachen, ſittenloſen Genuß-
menſchen, die Sie allein Gelegenheit hatten, kennen zu lernen. Sie ſehen
in unſerer Neigung nichts, als eines jener gewöhnlichen, unwürdigen Ver-
hältniſſe.. ——
„Nun, um Betſtunden mit ihr zu halten,“ erwiederte Mutter Kron-
berg, „wollen Sie das Mädchen doch auch nicht heirathen. Und wie ſieht
es denn dann mit dem Komödieſpielen aus? Das muß natürlich aufgege-
ben werden. Das hält man freilich Anfangs für gar nichts. Aber es hat
 
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