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Heidelberger Familienblätter — 1866

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 38 (2. März - 30. März)
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Didelberger Familienblätter.

341. i, den 14. Mir˖⸗6h'(;1 1800.

Die Krebſe.

(Aus der N. Fr. Preſſe.)



ö Zuerſt will ich ei ein kleines Examen mit dir halten lieber Leſer. Was
iſt der Floh, der ſich mit dir zu Bette legt? Ein Inſect. Was iſt die Fliege,
die ſich dir des Morgens auf die Naſe ſetzt, um dich freundlichſt zum Auf-
ſtehen zu mahnen? Ein Inſect. Was iſt die Feldwanze, die du auf den
Himbeeren zum Nachtiſch ſpeiſeſt? Ein Inſect. Das kleine Geſchoͤpf, das
dir aus Verſehen in die Augen fliegt? Ein Inſect. Was iſt die Heuſchrecke,
die vor deinem Tritte aufſtiebt, der Käfer, der dir über den Weg läuft, die
Gelſe, die in lauen Sommernächten unentgeltlich dich vor dem Einſchlafen
ſchützt, ohne daß du dir⸗ erſt einen ſchwarzen Kaſfee Zu machen brauchſt?
Alles Inſecten.
ö So, und jetzt denke dir, du ſeiſt Fiſch und fuh dich glücklich aüf
kühlem Grunde, entronnen der Plage der Inſecten Weit gefehlt! Statt
einem Miſtkäfer haſt du das Vergnügen. dir einen Flohkrebe aus den
Augen zu wiſchen; ſtatt daß dich Flöhe und Wanzen beſuchen, hängen
ſzich die Schmarotzerkrebſe an deine Kiemen; ſtatt dich von einem Hirſch-
käfer zwicken zu laſſen, bereitet dir ein Taſchenkrebs den gleichen Genuß,
und wenn du dir den Finger ganz abzwicken laſſen willſt, 3. 10 i dir's ein
Hummer umſonſt; trittſt du ins Dickicht des Tangenwaldes, ſo kitzeln dich
Geißelkrebſe mit ihren Fühlfäden; betrittſt du die Brunnenkreſſe, ſo ſtieben
dir die Seitlinge auf gleich einem Mückenſchwarme, kurz — das tägliche
Brod, die Laus im Pelze, iſt Krebs. Denke alſo beim Worte Krebs ja
nicht blos an den komiſchen Burſchen, der in unſeren Bächen und Flüſſen
hinter Geſtein ſitzt, aus Löchern hervorglotzt, ſeine gewaltigen Scheeren
immer kampfbereit voranſtreckend und doch dabei dem Krebsgang der Feig-
heit huldigend, an dieſes ſonderbare Geſchöpf voll ſcheinbarer Widerſprüche;
nein, denke dir bei dieſem Worte genau ſo viel, wie wenn ich dir das
Wort Inſect nenne; denke, daß mit dem Worte Krebs eine ganze Welt
vor dir ſich entfaltet, voll der tollſten und barockſten ⸗Geſtalten, von der
Größe eines Sandkornes bis zur Athletengeſtalt eines Hümmers, einer
Seeſpinne, voir der ſchlanken, zierlichen Form der Stabkrebſe uiid den
ätheriſchen Garnelen bis. zur Ungeſchlachtheit der tellergroßen Mollusken-
krebſe, von der Unbehilflichkeit einer Fiſchlaus bis zur Behendigkeit einer
Rennkrabbe, kurz, an einen Formenreichthum, ſo groß, ja noch größer, als
die Welt der Inſecten unſeres Feſtlandes.
In der That, der Krebs iſt im Waſſer daſſelbe, was das Inſect im
Reiche der Luft, das Salz auf jeder Suppe, das allgegenwärtige Geſchöpf,
dem nichts entgeht, das alle Plätze und Plätzchen ausfüllt, aus allen Ver-
hältniſſen und Exiſtenzen Nutzen und Nahung zieht, der große Magen der
Natur, die immer rührige Polizei, die Alles entfernt, was dem Verderben
aunheimgegeben iſt; er raubt und mordet, untergräbt und frißt, benagt und
zerſtört in Millidnen von Heerſchaaren, unzählbar wie der Sand am
Meere, augegenwarlig wie das Clement, in dem er lebt, in allen Saiteln
 
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