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Heidelberger Familienblätter — 1866

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No. 117 - No. 130 (3. October - 31. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43663#0528

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— — 2⁴ —

der Apotheke!⸗ Das war falſch; es ſchlugen gleichzeitig mehrere Flinten-

kugeln von den ſüdlichen Höhen her in eine zwiſchen der Apotheke und dem
Nachbarhauſe herorragende Feuermauex, und der aufwirbelnde Kalkſtaub
ſcheint für Pulverrauch gehalten worden zu ſein; überdies hätte der Schuß
vom Dache aus abgefeuert ſein müſſen, und die Apotheke hat auf dieſer
Seite keine Dachlucke.

Ich war erſt einige Minuten gefangen erklärt, ſo brachte man auch ö

den Bezirksamts⸗Adjuncten Johann Scheps, den Apotheker Carl Czerny
jun., den proviſoriſchen Schützen⸗Commandanten Emanuel Fiedler, den
Maſchinenſchloſſer Joſeph Lesk und den Polizeimann Ignaz Gulſch als Ge-
fangene aus den Häuſern. Ich mußte noch als Gefangener eine Requi-
ſition von Stroh beſorgen; während dem wurden die Uebrigen paarweiſe
mit Stricken zuſammengebunden und die Paare wieder mit einem Stricke
vereinigt und vom Ringplatze auf der Straße gegen Königshain abgeführt.
Nachdem ich die Stroh⸗Requiſition beſorgt hatte, bat ich nochmals einen nur
einzeln auf dem Ringlatze ſtehenden Oberſt, mich zu entlaſſen, da die wider
ntich gerichtete Beſchuldigung nur auf einem Irrthum beruhen könne; als
mir dies verweigert wurde, bat ich auch vergebens um die Geſtattung, von
meiner Familie Abſchied nehmen und zwei Sparkaſſebüchelchen, die ich zufällig
bei mir hatte, abgeben zu dürfen. So mußte ich, begleitet von zwei Sol-
daten des 41. Infanterie⸗Regiments, die Stadt verlaſſen, ohne daß meine
Familie von meiner Gefangennahme Kenntniß hatte. Unterhalb des Nieder-
thores und dann bei der Spittelmühle wurde durch öſterreichiſche Soldaten
von den Anhöhen bei Krieblitz aus auf die mich begleitenden Soldaten ge-
ſchöſſen, die Kugeln ſchlugen neben uns in die Mauer ein, ohne Jemanden
zu treffen. Als ich mit meinen Begleitern beim erſten größeren Truppen-
körper ankam und der Commandant die Soldaten fragte, wer ich ſei, führ-
ten ſie mich, als wenn ſie es aus eigener Wahrnehmung wüßten, als den
Bürgermeiſter auf, der preußiſche Soldaten erſchießen ließ. Ich widerſprach

ziemlich barſch dieſer Lüge, und von da an präſentirten ſie mich bis zur

Uebergabe oberhalb Wolta, eine Stunde von Trautenau, nur als Bürger-
meiſter — — . ö
Auf dem Platze angelangt, wurden mir die beiden Hände mit einem
neuen Stricke feſt zuſammengebunden, und ich wurde commandirt, mich
niederzulegen. Nebſt den Obengenannten fand ich auf dem Felde einige
Schritte von mir bereits gebunden lagern die beiden Trautenauer Poſtbe-
amten Capouſel und Sub, den Häusler Johann Thamm aus Groß Aupa,
den Trautenauer Bürger Hönig aus der Niedervorſtadt, die Fabrikarbeiter
Müller und Schlumps, den Tagarbeiter Franz Reh aus Bausnitz, einen
Leiermann aus Arnau, den Schloſſer Kneitſchel aus Freiheit. Die meiſten
dieſer Perſonen hatte ich noch nie geſehen. Nach ungefähr einer Stunde
— meine Hände waren mittlerweile ganz blau geworden — brachten ſie
den Gaſthofbefitzer Anton Stark, den Maſchinenbauer Wilhelm Kirſhaw
aus Leeds (England), den Kellner Rudolph Smrt aus Hohenelbe und den
Schuhmacher Anton Baudiſch aus Parſchnitz.

(Fortſetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag von Adolyh Emmerling.
 
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