Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1886

DOI Kapitel:
No. 1 - No. 26 (1. Januar - 31. Januar)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43926#0018

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


ſich mit ihnen über die einzunehmende Haltung zu

berathen.
Egnbten.

General Stephenſon ſcheint entſchloſſen zu ſein,
ſeinen jüngſten Sieg über die Mahdiſten nach Mög-
lichleit augzunüßen. Er meldet telegraphiſch unterm
31. v. M. aus Koſheh: Die Reiterei und das be-
rittene Fußvoll marſchirten heute Morgen nach
Koyek und ſtoßen morgen nach Sayid Effendi vor.
Butler bewegt fich heute nach Koyek nach Zuruͤck-
laſſung eines Bataillons in Abri. Die egyptijchen
Truppen ruͤckten nach Atab und Amara vor. Morgen
verlege ich mein Hauptquartier nach Abri. Ich
ſchätze die geſtrige Stärke des Feindes auf etwa
6000 Mann. Er verlor Geſchütze. Der Feind
wurde geſtern ſiberrumpelt: alle unſexe Truppen
waren in Stellung, ehe der Feind eine Ahnung von
unſerer Anweſenheit hatte. Grenfell befehligte die
Divifion und ihm allein, ſowie denjenigen, die unter
ſeinem Befehle ſtanden, geblihet das ganze Lob fuͤr
alle Bewegungen der Grerzſtreitkraft einſchließlich
der gefirigen, die von ihm ſeit etlichen Monaten
mit fehr großer Geſchicklichkeit, Umſicht und uner-
muͤdlicher Thatkraft geplant und ausgeführt worden
find. Butler befehligte ſeine Brigade bemerkenswerth
gut und führte ſeinen Theil des Planes vorzuͤglich
au8, obgleich er den heftigſten Anprall des Feindes
auszuhalten hatte.

Aſien.

Sanſibar, 1. Jan. Biſchof Hannington, der
im Juni Mombaſa verließ, um, wenn möglich, eine
neue Straße nach dem Victoria Nyanza⸗See zu
entdecken, welche den langen Umweg Aber Unyanyembe
vermeiden würde, iſt auf Befehl des Königs von
Uganda zwei Tagemärſche von Uganda entfernt,
vethaftet worden. Den neueſten Geraͤchten zufolge
ſoll der König geheime Befehle zur Hinrichtung
des Biſchofs ertheilt haben. Gerüchte über eine
Invafion der Deutſchen ſollen das Voll in Auf-
regung verſetzt haben. — Die deutſche Forſchungs—⸗
expedition unter der Flihrung des Dr. Fiſcher iſt in
Kagei angekommen.

Aus al und teru.

Wieblingen, 4 Jan. In der letzten Syl-
veſternacht ſchoß ein 19jähriger Burſche einem
Wirthe bei dem er häufig zu verkehren pflegt das
Neujahr an, d. h. der Schuß ging vorzeitig los
und dem unbedachten Schüßen in die Hand. Das
waͤre noch nicht ſo ſchlimm geweſen, wenn der Ver-
letzte die Wunde gehörig gepflegt und ſo jede Ge-
fahr von vornherein befettigt haͤtte. Statt deſſen
wuͤrde gar nichts gethan und ſo traten in nächſter
Nacht bedeutende Anſchwellungen dex Bruſt und
des Armes ein, ſo daß der Verletzte ſtark mit Ath-
mungoͤbeſchwerden zu kämpfen hatte und der zuletzt
herbeigehoite Arzt nur den aͤußerſt gefährlichen Zu-
ſtand des jungen Menſchen conſtatieren konnte.

* Mußloch, 3. Jan. Bei der unlaͤngſt hier ſtatt-
gehabten Gemeinderathswahl erhielten auch vier
hiefige Frauen Stimmen, was natuͤrlich viel Auf-
fehen erregte. — Die hiefige Poſtagentur hat ſchon
ſeit einem Vierteljahr das Mißgeſchick, daß fie
leinen beſtändigen Briefträger bekommt, da, ſeit der





mand für ſo geringe Zahlung, wie fie die Poſtlaſſe
bietet, die veraͤntwoͤrtliche und zeitraubende Arbeit
ubernehmen will. Hier iſt Abhilfe ſehr zu wuͤnſchen.

© Aus dem Amte Sinsheim. 3. Jan. In
Reihen verſagte einem ledigen jungen Nann (früherer
Soldat) belm Neujahroͤſchießen die Waffe. Er
unterſuchte dieſelbe, dieſe entlud fich und riß dem
Unvorſichtigen zwei Finger, welche er Über die
Piſtolenmündung geleßt hatte, ab. Ebenſo hatte
ein erſt kürzlich aus der Lehre entlaſſener Menſch,
welcher über Neujahr zu ſeinen Eltern nach Treſchk-
lingen gelommen war, das Ungluͤck, daß ihm ein
gelaͤdener Revolver, den er aus der Taſche zog,
losging und der Schuß die Hand des jungen
Menſchen derart verſtümmelte, daß eine Ampu-
tation als unumgaͤnglich erſcheint. — Ein
hochbetagter Metzger aus Adersbach glitt dieſer
Tage aus und fiel ruͤcklings zu Boden. Er wurde
durch dieſen Sturz derart am Kopfe und der
Wirbelſäule verletzt, daß er alsbald ſeinen Geiſt
aufgab. In Steinsfurth wurde ein Zuchthausbeſen
Namens Peter Reuther verhaftet, weil er in drin-
gendem Verdacht ſteht einen größeren Zigarrendieb-
ſiahl ausgeführt zu haben. Er verfuchte während
ſeines Transports zu entfliehen und widerfeßt ſich
beim alsbaldigen Einfangen energiſch, ſo daß ihm
wiederum eine ordentliche Bortion „Stilleben in
ſicherer Ausſicht ſteht.

Z Aus Badeu, 2. Jan. In Ihrer Zeitung
vom 18. v. Mts. find die von der Großh. Forſt-
behörde feſtgeſetzten neuen und ausgedehnteren Schon-
zelten der verſchiedenen Wildgattungen bezeichnet,
zegen welche kaum von irgend einer Seite etwas
einzuwenden ſein wird, wenn nicht vielleicht beſorgt
werden muß, daß die, für den Abſchuß der Rehe
enger gezogenen Grenzen eine Preisminderung dieſer
Wildgaͤtiunz zur Folge haben könnte. Dagegen
dürfte es am Platze ſein, wenn auch bezuͤglich des
Wildſchadens entſprechende geſetzliche Beſtimmungen
getroffen wuͤrden, die den Jagdpaͤchter zum Erſatz
far den durch das Wild in Feld und Wald ver-
urſachten Schaden verpflichten. Fälle, wo ſelbſt
bei namhaften durch Rehe verurſachten Schaden,
die Reklaͤmationen der Geſchädigten kaum beruick-
fichtigt wurden, oder doch nur mit Mübhe eine
inappe Entſchädigung zu erlangen war, find geeignet,
Unzufriedenheit herborzurufen und ſollten fortan
nicht mehr vorfommen. Der Landmann iſt größten-
theils ſo belaſtet, daß ihm in der gegenwaͤrtigen
Zeit des Fortſchritts, wo er mehr als je darauf
angewieſen iſt, den höchſt möglichen Ertrag von
ſeinem Grund und Boden zu ziehen, kein derartiger
Schaden zugemuthet werden darf. Wer eine gut
gehegte Jagd will, von dem kann in folgerichtiger
Weife auch verlangt werden, daß er auch für den
durch das Wild angerichteten Schaden einſteht, ein-
gedenk des Sprichworts! „Was dem einen recht iſt,
iſt dem andern billig.“

Geislingen, 3. Jan. Heute Abend 8 Uhr
ereignete fich hier ein erhebliches Eiſenbahnungluck.
Der Dampfkeſſel einer Hilfsmaſchine iſt geplatzt.
2 Wagen find verbrannt; der Fuͤhrer iſt todt; der
Heizer ſchwer verletz. — Ueber das Geislinger
Eiſenbahnungluͤck wird noch folgendes berichtet: am



hiefige Polizeidiener den Dienſt gekündigt hat, Nie-

Bug 605 ekplodirte auf der Station Geislingen

geſtern (3. Jan.) Abends etwa um e8 Uhr der
Dampfteſſel der Schiebmaſchine. Fuͤhrer Wagner
wurde etwa 200 m weit gegen Geislingen hinab-
geſchleudert und dort in einem Garten todt auf-
zefunden. Heizer Fingerle wurde links an die Mauer
zeworfen und fo verlegt, daß er heute fruͤh ſtarb.
Wagenwaͤrter Schmid wurde ebenfalls verletzt.
Der Keſſel wurde gaͤnzlich von den Raͤdern getrennt
und liegt in umgelehrier Richtung auf der Bahn-
linie. Die expiodirte Schiebmaſchine befand ſich
am Ende des Güterzuges, der ſich in der Richtung
Geislingen⸗Amſtetten zu bewegen hatte. Die Ur-
ſache der Explofion iſt unaufgeklärt; drei Guͤter-
wagen wurden zerſtört. Eines der beiden Geleiſe
war heute früh bereits wieder frei gemacht. Nach
anderer Nachricht wäre das 2. Geleiſe fahrbar
geblieben.

Würzburg, 29. Dez. Heute Nacht 2 Uhr
erſchoß ſich kurz nach der Beimkehr aus der Geſell-
ſchaft der Sohn des ehemaligen Cafetiers und
jeßigen Privatiers Ott. Motive unbekannt. Der
junge Mann, Reiſender in einem hieſigen Geſchaͤft,
war bis zum 1. Olt. Einjähriger in einem hiefigen
Regiment geweſen. Das iſt in verhältnißmäßig
kurzer Zeit die fünfte derartige That; von den be-
treffenden fünf Perſonen find drei ſofort geſtorben,
die beiden andern werden mit dem Leben davon-
kommen, doch das Augenlicht ganz, reſp. zum Theil
einbüßen.

Aus Baden, 4. Jan. Der 50jährige Lambert
gerle von Mingolshetm wurde beim Holzfaͤllen
von einem fallenden Eichſtamm ſchwer getroffen.
Es wurden ihm hierbei der linke Schenkel und das
Schienbein zeiſchlagen. -Der dem Trunke ergebene
Schuhmacher F. in Raſt att machte am Sylveſter-
abend den Verſuch, ſeinem Leben mittelſt eines
Rafirmeſſers ein Ende zu machen. Der Verſuch
gelang zwar nicht, doch ſollen die Verletzungen, die
er ſich zufügte, ſehr bedeutend ſein. — Den gleichen
Tag waͤhlie der 50jährige Kaufmann Stähle von
Taiſersdorf, A. Ueberlingen, um ſich in ſeinem
Bette zu erſchießen. Grund: zerruͤttete Vermögens.
verhaͤliniſſe. — An den uͤblichen Verletzungen durch
unvorfichtiges Schießen in der Neujahrsnacht hat
es auch diesmal nicht gefehlt. Man meldet heute
in dieſer Beziehung aus Karlsruhe: In der
Kronenſtraße wurdẽ einem Voruͤbergehenden der
Pfropfen einer Piſtole in die Naſe gefeHoffen. —
In Mahlburg verlor der Sohn des Herın Guſtav
Pfeifer durch einen von einem Dritten aus nächſter
Naͤhe abgefeuͤerten Schuß ein paar Zaͤhne und eben-
daſelbſt der Sohn des Adlerwirths einen Finger.
Der Sohn des Graveurs Hagen erhielt beim ein-
treten in eine Wirthſchaft einen Schuß in's Geſicht,
der ihn wahrſcheinlich des Augenlichts berauben
wird. — In Zeuthern, A. Bruchſal, hat ſich
ein dortiger lediger Burſche an einer Hand erheblich
verletz. — In Retſch, A. Schwetzingen, iſt ein
junger Mann in einen Lungenflſigel geſchoſſen wor-
den und in Eberbach erhielt das 11 Jahre alte
Soͤhnchen des Zieglers Schuppert durch einen Schuß
an der Stirne eine Verletzung. — In Berolz-
heim bei Borberg iſt die Scheuer des Landwirths
Gottſchalk abgebrannt. — Am 1. Januar, Morgens,





„Muſſen,“ erwiderte Dora ſcharf. „Was lönnte
mich dazu zwingen.“

„Jene Rücfichten, auf die ich Sie vorhin auf-
merkſam machte.“

„Sie haben nichts damit zu ſchaffen.“


durch den ſcharfen Ton, den fie anſchlug, und der
ihn ſchon jetzt befuͤrchten ließ, daß er ſeine Hoff-
nungen nicht erfüllt ſehen werde.

— nicht durch mein Verſchulden, es iſt nur eine
natürliche Folge —“


reden und vermuthen, will ich nichts mehr hören,“
unterbrach ſie ihn ſo gebieteriſch, daß er verſtummte.
„Wenn Sie geglaubt haben, daß ich mich dadurch
beſtimmen laſſen würbe, ſo war das ein Irrthum.“

Seine Zähne gruben ſich tief in die Unterlippe
ein, mit nervoͤſer Haſt drehte er an den Spitzen
ſeines Bartes.

„Ich habe keineswegs geglaubt, daß ich dieſen
Faktor zu Hülfe rufen muͤſſe, um Sie meinen
Vuͤnſchen geneigt zu machen ſagte er mit einem
leichten Achfelzucken, „ich wollte Sie nur darauf
aufmerkſam machen —“

„Genug davon, wenn ich bitten darf!

Und Sie wollen mir nicht ſagen, weßhalb Ste
an mir zweifeln?“ fragte er, fich noch einmal zu dem
vertraulichen Ton zwingend, in dem er vorher zu
ihr geredei hatte. „Ich glaubte bisher, daß nur die
Erinnerung an den Elenden zwiſchen uns ſtehe, der
Sie betrog —

„Haben Sie noch nie eine Frau betrogen?“ unter-
brach ſie ihn abermals.


„Mit meinem Wiſſen nicht!“
„Und doch vermuthe ich trotz dieſer Erklärung,

tannt hat.“

{ Dieſer Schlag traf ihn ſo unerwartet, daß er
zuſammenzuckte, und wenn er auch ſeine Faſſung
behauptete, ſein plötzliches Erſchrecken war ihr doch
nicht entgangen.

„Ich ſagte Ihnen ſchon mehrmals, daß jene
Danie mir fremd geweſen ſet“, erwiderte er unwillig,
„weßhalb kommen Sie nun in dieſer Stunde wie-
der darauf zuruͤck?“

„Weil ich mich gerade in dieſem Moment der
haßerfuͤllten und racheduͤrſtenden Blicke jener Dame
erinnere“, antwortete ſie, ihn ernſt und voll an-
ſchauend; „ich bin niemals in Zweifel daruͤber ge-
weſen, daß dieſe Blicke nur Ihnen galten.“

„Ich bedaure, daß die Dame nicht mehr lebt,
und es mir dadurch unmoͤglich gemacht iſt, Sie
über dieſe Vermuthung zu beruhigen.“

„Ich glaube nicht, daß —“

Ich wuͤrde Ihnen den Beweis liefern, daß die
Dame mich nicht gekannt hat.“

„Dora war empört uͤber dieſe Luͤge, fie haͤtte
ihm ſeinen Namen John Brighton ins Geſicht
ſchleudern mögen, Niemand konnte ihr zumuthen,
daͤß ſie dieſem Manne noch laͤnger Freundſchaft
heucheln ſolle.

Sie dachte nicht mehr an die Warnung und an
die Plaͤne des Kriminalbeamten. Haß, Abſcheu und
Verachtung hatten ſo ſehr fich ihres ganzen Denlens
und Flihlens bemächtigt, daß fie nur noch das un-
} abweisbare Beduͤrfniß empfand, mit dieſem Manne
faͤr immer zu brechen.




„Wenn dies der einzige Grund iſt, der Sie be-
wegt, an der Aufrichtigkeit meiner Gefinnungen zu
zweifeln, dann werden Sie wohl ſelbſt zugeben
müſſen, daß dieſer Grund nicht ſtichhaltig genannt
werden kann“, fuhr er nach einer kurzen Pauſe
fort, während er ſein Lorgnon auf die Naſe
tlemmte und den Blick voll ungeduldiger Erwartung
auf fie heftete. „Ich war Zluͤcklich, mich Ihren
Freund nennen zu duͤrfen, ich glaubte, daß dieſe
Freundſchaft mich zu Hoffnungen berechtigte, deren
Erfuüllung mir daͤs höchſte Erdengluick verhieß, und
nun muß ich erfahren, daß Sie mit grundloſen
Vermuthungen fich quälen, die das Vertrauen, deſſen
ich mich bisher erfreute, erſchuͤttern. Ich bitte Sie,
gebieten Sie dieſem Mißtrauen, ſchenken Sie mir
dollen Glauben und ſeien Sie verfichert, daß Sie
an meiner Seite ſo gluͤcklich werden ſollen, wie
Sie es verdienen.“

„Ich bedaure —“

Rauben Sie mir nicht jede Hoffnung“, ſchnitt
er ihr in fieberhafter Erregung das Wort ab;
„fordern Sle Bedenkzeit, ich werde ſie Ihnen ja
gerne gewaͤhren. Berathen Sie mit Ihrer Familie
daruber

„Nein, Herr Sonnenberg, ich werde das nicht
thun denn ich darf von dieſer Seite keinen auf-
richtigen Rath erwarten“, erwiderte ſie mit eiſiger
Kälte. „Sie wiſſen, daß mein Herz mit all ſeinem
Denken und Fuͤhlen noch immer jenem Ungluͤcklichen
zehört, den Sie einen Elenden ſchelten und daß es
niemal8 von ihm laſſen wird. Sie haͤtten alſo
ſelbſt ſich ſagen konnen und muͤſſen, daß die Er-
faͤllung Ihrer Hoffnung nicht in der Moglichkeit





liege — EGortſetzung folgt.)
 
Annotationen