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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936

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Paul, Bruno: Auf Schwanenwerder, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0015

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BRUNO PAUL »AUF SCHWANENWERDER«

OSTSEITE, LOGGIA VOR DEM ESSZIMMER

AUF SCHWANENWERDER

Ueberall dort, wo der Bauplatz nichts anderes als
»Gelände« ist, ein Stück Sandboden oder Acker-
land, kann die rechte Stelle für ein Haus leicht gefun-
den werden, wenn man die Lage zur Straße, zur
Sonne und zur Nachbarschaft entsprechend in Rech-
nung stellt. Der Standplatz des Hauses wird dann im
Bebauungsplan sauber eingetragen. Aus ihm ent-
wickeln sich die Wege, die Bepflanzung mit Bäumen,
Sträuchern und Hecken, die Verteilung von Wiesen,
Waldboden und Rasenflächen für die Anlage des
Gartens fast von selbst.

Aber zuweilen machen sich auf dem Baugelände
oder in seiner Umgebung allerhand Widerstände gel-
tend, ältere Lebensrechte und besondere Schönheits-
werte sprechen mit, die in langem, langsamem Wachs-
tum entstanden sind. So ist es hier. Hohe und ge-
wichtige Baumgruppen stehen auf weiten Wiesen-
flächen, heiteres Lichtgeflimmer in leichtem Laub-
filigran flirrt über Gemeinschaften von schlanken,
weißen Birkenstämmen. Durchblicke leiten zum
dunklen Spiegel des Wassers über eine Geländewelle,
deren sanfte Schwellung sich gegen jede kubische

1936. t. 1

Härte eines etwa geplanten Baublockes wehrt. Alles
in Jahrzehnten geworden, gepflegt und behütet. Da
ist keine Willkür erlaubt, es paßt kein Schema, und
die Diktatur der Reißschiene hört auf. Wo das Haus
stehen wird, bestimmen hier die Bäume! Denn sie
suchten sich ihren Standplatz aus und brauchten
ganze Menschenalter, um zu wachsen und groß zu
werden. Anders als ein Haus. Das kann in kurzer
Bauzeit von ein paar Monaten überall hingestellt
werden. Deshalb steht der Architekt bedachtsam
unter den alten hohen Bäumen und hält mit ihnen
Rat, wo er das Haus hinstellen kann und darf, ohne
die alten Lebensrechte zu schmälern und liebgewor-
denes Unersetzliches zu stören.

Vielleicht sogar entwickelt sich dann eine gute
Kameradschaft zwischen den alten Bäumen, den
Wiesenflächen und dem neuen Hause, die ganz unge-
wohnte Ausblicke, überraschende Gegensätze, andere
Bilder mit neuen Schönheiten entstehen läßt.

Dann bleibt dem Architekten als Lohn das erwär-
mende Gefühl, ein notwendiges Stück Bauwerk in den
köstlichen Rahmen schöner Natur eingefügt zu haben,
 
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