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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936

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Rückblick und Ausblick
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0133

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INNEN-DEKO RATION

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RÜDEN AU ER —STUTTGART »SITZGRUPPE« AUS EINEM KLEINEN WOHN-ESSZ1MMER

RÜCKBLICK UND AUSBLICK

eit wir nicht mehr von einem Stil reden und nach
einem Stil suchen, haben wir einen Stil.

Wir Älteren gedenken noch manchmal jener Zei-
ten unsrer Jugend, wo nichts heißer begehrt und um-
stritten war als die Werte Stil, Kultur, Form. Der
Inhalt des Wortes »Kultur« war gerade wieder neu
entdeckt worden, er war bestimmt worden als geistig
begründeter Formzusammenhang aller Lebensäuße-
rungen der Nation. In Verbindung damit gewann der
Begriff »Stil« ein neues Gewicht, eine neue fordernde
Bedeutung. Stil war begriffen als Charakter, ja als
direkte Lebensbekundung einer Zeit. Was hieß es also,
daß unsre Umwelt keinen Stil hatte ? - Es hieß bei-
nahe, daß sie keinen festen Lebensbestand hatte.
Konnte es sein, durfte es sein, daß unsre Epoche in
dieser großen Sache das Stiefkind der Geschichte war ?

Aber mit dem Augenblick, da diese Frage, die viele
geängstigt hatte, aus dem Bewußtsein langsam zu-
rücktrat, begann im stillen ein Wachstum. Es hat
zu dem Ergebnis geführt, daß sich unser Bauen und
Raumgestalten heute in erfüllten, begründeten und
abwandlungsfähigen Formen bewegt, die nicht nur
unsre »Zeit«, sondern auch unser wirkliches, volles

1936. IV. 2.

Menschentum in sich enthalten. Früher konnte es
die Frage geben: Wie sichere ich meiner Wohnung
nicht nur den zivilisatorischen Zeitzusammenhang,
sondern auch den Zusammenhang mit der geistigen
Wertwelt der Bildungsüberlieferung, der uns zuge-
hörigen Geistesgeschichte? Die neuen Formen schie-
nen im Anfang so leer von aller Anknüpfung, die
über den dürren Moment und seine Zivilisation
hinauslag. Aber je bescheidener die Bau- und Raum-
künstler ihre Aufgabe zu fassen wußten, je schlichter
sie sich unter die Führung des Wirklichen stellten,
desto schöner wuchs die Fassungskraft der neuen
Formen heran. Der neue Wohnraum bewegt sich
nicht mehr in Formen, die buchstäbliche, feststellbare
Anspielungen auf vergangene Formen enthalten.
Er drückt ein Leben aus, in dem alle menschenbilden-
den Faktoren der vergangenen Zeiten wie der Gegen-
wart verarbeitet sind. Unser Formenkanon, d. h. unser
Stil verhält sich in dieser Hinsicht wie der Mensch
unsrer Zeit. Auch er trägt die Beziehung zu ehr-
würdigen, fortwirkenden Bildungswerten nicht mehr
als Einzelbestandteile, nicht mehr als griechische
und lateinische »Zitate« mit sich herum. Der Wert
 
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