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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936

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Licht und Wärme
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0239

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INNEN-DEKORATION

227

LICHT UND WÄRME

Manchmal kommt man mit seinen Gedanken ins
Bereich der einfachen, grundlegenden Dinge.
Man sieht Altvertrautes plötzlich neu. Längst Ge-
wohntes zeigt sich von einer frischen Seite. Man kann
zu staunen beginnen über Dinge, die man seit Jugend-
tagen als selbstverständlich hingenommen hat. So
kann es zum Beispiel kommen, an einem Abend vor
dem flackernden Kamin, wo man im bequemen Sessel
lesend oder träumend sitzt und eine treue Lampe das
Buch und die Träume bescheint - daß der Geist oder
das Gefühl oder die Phantasie plötzlich aufstrahlen
in dem Gedanken: Licht und Wärme! Was bedeuten
sie alles an Segen für den Menschen, für seinen Weg
durchs Dasein, für seine Arbeit, ja für die ganze Ent-
wicklung des Menschengeschlechts! Möglich, daß ein
solches plötzliches »Neuentdecken« von Licht und
Wärme geheim anknüpft an erlebte Lagen, wo man
beides entbehren mußte, zum Beispiel als Soldat im
Feld, als Wandrer in Bergeinsamkeiten, als Reisender
in einer gottverlassenen Dorfschenke. Möglich auch,
daß Urerinnerungen unsres Geschlechts mitwirken,
das ja vor Jahrtausenden sich Licht und Wärme er-

obern mußte und nach dieser Eroberung erst ins volle
Menschsein eintrat. Wie dem auch sei: Jetzt, in der
besonderen Verfassung dieses Staunens, entdeckt man
gleichsam zum erstenmal Licht und Wärme in ihrem
vollen Wert. Licht! Man haftet nicht mehr an der
läppischen Tatsache, daß man jederzeit durch einen
Druck auf den Knopf Licht in Fülle haben kann. Man
verweilt beglückt auf der Anschauung »Licht«! Licht
heißt: klare Umwelt, klares Überschauen der Situa-
tion. Licht heißt Sicherheitsgefühl, Verdrängung des
Ungewissen; es heißt Herrschaft über die Dinge der
Umgebung und damit Freiheit! Als Kinder haben wir
uns alle einmal vor dem Dunkel gefürchtet, auch
wenn wir keine Pflegerinnen hatten, die uns unklu-
gerweise das Dunkel mit Fabelwesen bevölkerten. Die
Furcht vor dem Dunkel hat einen einfachen und tie-
fen Grund: das Auge will sehen, der Geist will sehen,
unterscheiden und herrschen! Die Finsternis ist ein
Widerstand gegen biologische Grundtriebe. Das
Menschliche selbst wird gedrosselt durch das Dunkel;
nur wenn wir uns Sichtbarem gegenüber befinden,
stehen wir in einer richtigen menschlichen Situation.
 
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