Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0257
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Zahn, Leopold; Ritter, Heinrich: Neue Arbeiten von Fritz Gross
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ARCHITEKT FRITZ GROSS - WIEN
VORRAUM DER WOHNUNG DR. W.
NEUE ARBEITEN VON FRITZ GROSS
Stil ist nach Wilhelm Pinder Generationsschicksal
(»Wer im Nachen sitzt, muß mitfahren«). Der Ar-
chitekt Fritz Groß wird, wie alle seine gleichaltrigen
Zunftgenossen, bestimmt durch seine Vorliebe für
schnittige Linien und klare geometrische Formen und
durch eine aszetische Grundhaltung, die jeden luxu-
riösen Überschwang verpönt. Dieser gesamteuropä-
ische Zeitstil wird modifiziert durch nationale (oder
lokale) und individuelle Faktoren.
Der lokale Faktor bei Groß ist Wien. Das schließt
jede Überbetonung des Technischen, des nur Ratio-
nal-Zweckhaften - etwa im Sinne der Wohnmaschine
- aus. Es ist bezeichnend, wie Groß einen technischen
Gegenstand — einen Radiator zum Beispiel - zwar
nicht schamhaft versteckt, wohl aber durch eine Um-
mantelung aus Marmorplatten in eine ästhetische Ge-
samtwirkung einbezieht.
Dazu kommt der individuelle Faktor. Groß ist auch
Maler. Und deshalb bedeutet ihm die Farbe ebensoviel
wie die Form. Er gliedert und komponiert seine
Räume nicht nur durch Formen, sondern auch durch
Farben. Aber die Farbe hat bei ihm außer der glie-
1936. VIII. 1
dernden und kompositioneilen Aufgabe noch eine ge-
fühlsmäßige. Groß wendet sich nicht nur an den ratio-
nalen Menschen, sondern an den ganzen Menschen,
der praktische und seelische Forderungen stellt. Seine
Doppelbegabung bewahrt ihn davor, den Architekten-
beruf allzu ingenieurmäßig aufzufassen. Als leben-
diger Mensch schafft er aus seiner Zeitlage heraus,
gibt er der Zeit, was der Zeit ist, aber zeithörig ist er
nicht. Gegen die Entpersönlichungstendenz, die in
unserer Epoche liegt, stemmt sich die Persönlichkeit
des schöpferischen Künstlers, den ein einseitig ratio-
nal-mechanisches Machen nicht befriedigt.
Undnochein dritter Wesenszugmuß hervorgehoben
werden: eine starke Liebe zum Handwerk, zur hand-
werklichen Vollendung. Diese erstreckt sich bis auf
die kleinste Teilform, auf Beschläge, auf Schlüssel-
griffe usw. Jede Teilform wird von Groß im Natur-
maßstab entworfen und durchgezeichnet und ihre
Ausführung im ständigen Kontakt mit dem Hand-
werker überwacht. Groß fordert von seinen Handwer-
kern Qualitätsarbeit, er führt einen ideell und mora-
lisch hoch zu bewertenden Kampf für die Erziehung
VORRAUM DER WOHNUNG DR. W.
NEUE ARBEITEN VON FRITZ GROSS
Stil ist nach Wilhelm Pinder Generationsschicksal
(»Wer im Nachen sitzt, muß mitfahren«). Der Ar-
chitekt Fritz Groß wird, wie alle seine gleichaltrigen
Zunftgenossen, bestimmt durch seine Vorliebe für
schnittige Linien und klare geometrische Formen und
durch eine aszetische Grundhaltung, die jeden luxu-
riösen Überschwang verpönt. Dieser gesamteuropä-
ische Zeitstil wird modifiziert durch nationale (oder
lokale) und individuelle Faktoren.
Der lokale Faktor bei Groß ist Wien. Das schließt
jede Überbetonung des Technischen, des nur Ratio-
nal-Zweckhaften - etwa im Sinne der Wohnmaschine
- aus. Es ist bezeichnend, wie Groß einen technischen
Gegenstand — einen Radiator zum Beispiel - zwar
nicht schamhaft versteckt, wohl aber durch eine Um-
mantelung aus Marmorplatten in eine ästhetische Ge-
samtwirkung einbezieht.
Dazu kommt der individuelle Faktor. Groß ist auch
Maler. Und deshalb bedeutet ihm die Farbe ebensoviel
wie die Form. Er gliedert und komponiert seine
Räume nicht nur durch Formen, sondern auch durch
Farben. Aber die Farbe hat bei ihm außer der glie-
1936. VIII. 1
dernden und kompositioneilen Aufgabe noch eine ge-
fühlsmäßige. Groß wendet sich nicht nur an den ratio-
nalen Menschen, sondern an den ganzen Menschen,
der praktische und seelische Forderungen stellt. Seine
Doppelbegabung bewahrt ihn davor, den Architekten-
beruf allzu ingenieurmäßig aufzufassen. Als leben-
diger Mensch schafft er aus seiner Zeitlage heraus,
gibt er der Zeit, was der Zeit ist, aber zeithörig ist er
nicht. Gegen die Entpersönlichungstendenz, die in
unserer Epoche liegt, stemmt sich die Persönlichkeit
des schöpferischen Künstlers, den ein einseitig ratio-
nal-mechanisches Machen nicht befriedigt.
Undnochein dritter Wesenszugmuß hervorgehoben
werden: eine starke Liebe zum Handwerk, zur hand-
werklichen Vollendung. Diese erstreckt sich bis auf
die kleinste Teilform, auf Beschläge, auf Schlüssel-
griffe usw. Jede Teilform wird von Groß im Natur-
maßstab entworfen und durchgezeichnet und ihre
Ausführung im ständigen Kontakt mit dem Hand-
werker überwacht. Groß fordert von seinen Handwer-
kern Qualitätsarbeit, er führt einen ideell und mora-
lisch hoch zu bewertenden Kampf für die Erziehung