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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936

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Frank, Willy: Schönheit und Kultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0327

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INNEN-DEKO RATION

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»SPEISEGEDECK« MALEREI: ROT UND GOLD ENTW. PROFESSOR PAUL BÖRNER-MEISSEN

SCHÖNHEIT UND KULTUR

Eine leichte, lächelnde Welt voll Schimmer, Far- gemacht, in denen dem Leben vieles von seinem
benreiz und edler Form ist die Welt des Porzel- »Schmuck« ausgebrochen wurde. Wir brauchen nur
lans. Sie besteht aus Geräten, aber ihre Geräte sind an die Zeiten der Inflation zu denken, an die Zeit der
zugleich unbelastet und liebenswürdig wie Spielwerk. grauenvollen Verarmung, wo uns nichts blieb als der
Die Formen schmiegen sich und schwingen sich rund. Kampf ums Essen und Wohnen. Die Ärmsten,'die
Der edle Werkstoff gibt ihnen etwas Geistiges. Er Unverwöhntesten haben damals empfunden, daß es
versteht sich aufs Klingen und Glänzen. Blumen sich nicht mehr »lohnte«, bloß unter solchen Ziel-
streuen sich über die ebenen und geschwungenen Flä- Setzungen zu leben. Sie empfanden, daß mit dem
chen. Ein mit Porzellan gedeckter Tisch sieht keinem Schwinden der Schönheit aus ihrem Leben dieses
Ding auf der Welt ähnlicher als einem gutgehegten selbst seine menschenwürdige Gestalt eingebüßt hatte.
Blumengarten. Dieses Empfinden entsprang keinem kränklichen
Beim schöngedeckten Tisch, sagt man, »ißt das Ästhetentum, keinem launischen Verlangen nach
Auge mit«. Das bedeutet: das feine Gerät interessiert mehr Annehmlichkeiten, keinem törichten Genießer-
den Speisenden noch von andrer Seite her als von der tum, sondern ihm lag die Einsicht zugrunde, daß in
Seite der Hungerstillung. Es bringt den künstleri- der Schönheit tief verborgen ein Stück unaufgebbarer
sehen Sinn ins Spiel, es redet den Menschen vielfäl- Menschlichkeit steckt. Das Form-Empfinden, das
tiger an und bringt ihm beim Essen und Trinken noch Denken, Tun und Sich-selbst-Erkennen in Formen ist
zusätzliche Erlebnisse. Es gesellt zu einer leiblichen in jedem Menschen angelegt, und zwar so zwingend,
Befriedigung eine ästhetische, es läßt zwei weit aus- daß wir ihn auch in primitivsten Lagen feilend, ent-
einanderliegende Empfindungsbereiche gleichzeitig wickelnd, »verschönernd« seinen Zustand bearbeiten
in ihm anklingen. sehen. Es gibt eine biologische Angewiesenheit
Dies aber ist ein Wesensmerkmal aller Kultur, des Menschen auf das ästhetische Erlebnis, und un-
sofern man diesen Begriff richtig versteht als gleich- merklich, aber doch unaufhaltsam sehen wir aus
sinnige Geltendmachung des Menschentums auf den dem, was als Sauberkeit, als Ordnung oder Leibes-
verschiedensten Lebensgebieten; und diejenigen wis- pflege anfängt, immer wieder das Schöne aufsteigen,
sen vom Menschen nicht viel, die verkennen, daß in irgendeiner Form. Beim Indianer entwickelt es sich
diese gleichzeitige, nach allen Seiten ausstrahlende als kunstvoller Tanz, als kunstvolle Ornamentik,
Geltendwerdung des spezifisch Menschlichen zu un- beim Eskimo als Kleiderpracht, beim Neger als
seren tiefsten und allgemeinsten Bedürfnissen gehört. wuchernde Zierform. Selbst der Soldat im Unter-
Wir, die wir heute leben und die wechselnden Ge- stand, der schlimmer als sie alle daran war, brachte
schicke der letzten drei Jahrzehnte durchlitten haben, seine Erdhöhle in möglichst entwickelte Form , um
reden ja von diesen Dingen nicht wie der Blinde von seines Menschentums gewiß zu bleiben. Stets drängt
der Farbe. Wir haben in Deutschland Zeiten durch- Leben von selbst zum Schönen weiter, nicht weil
 
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