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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Hofmann, Franz: Josef Nicklas
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0034

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lichteit zu verleihen, in der gleichzeitig die innige
gefühlsmäßige Anteilnahme am Gegenstand, das
Erbe der Romantik, mitklingt. In andern Bildern
tritt die krause Verflechtung der Linie wieder mehr
in Erscheinung und zaubert jenen Reichtum der
Phantasie hervor, der die deutsche Kunst vor der
romanischen so sehr auszeichnet und ihr gegen-
über oft herzerfrischend wirkt. Dürer nannte das
so schön „den versandet heimlich schätz des her-
zen". In der künstlerischen Wirkung nähert sich
die Radierung mit geätzter Platte bei Nicklas
manchmal dem Holzschnitt. Das erklärt sich aus
den aufs Monumentale gerichteten künstlerischen
Absichten, die Festigkeit gebende ruhige Flächen
erheischen. Die Kaltnadeltechnik bietet wieder an-
dere Möglichkeiten. Es ist kein Zufall, daß sie der
Künstler für die Landschaft, die wir hier im Bilde
sehen, gewählt hat. Die unendliche Weite des
Raumes, die mit bewundernswerter Ökonomie der
Mittel vorgezaubert sich auftut, liegt im Ton des
Zeichengrundes selbst und gewinnt durch die
Leichtigkeit des Konturs und gerade durch die Ver-
meidung von betonten Tiefenlinien größte Aus-
druckskraft. Es ist etwas Faustisches, was aus einem
solchen Blatte uns anspricht, das Unermeßliche,
das Ziel der Sehnsucht des nordischen Menschens,

das wiederum in den bekannten Landschaften, die
Dürer auf der Reise nach Italien zeichnete, seinen
Vorläufer hat, das als das hohe Lied in der Land-
schaftsmalerei der Niederländer und bei allen Deut-
schen nordischen Grundcharakters wiederkehrt.
So betrachtet, führen die hier gezeigten Blätter auf
den Gedanken zurück, von dem wir unseren Aus-
gang nahmen: die Lebenskraft und Lebensdauer der
Stile hat sich nicht geändert, aber viele Eintagsflie-
gen, die sie heute umschwärmen und wohl auch in
der Vergangenheit umschwärmten, trüben ihre
Klarheit in der jeweiligen Gegenwartskunst. —Das,
was ein Dürer in der Liebe am Detail kläublerisch
in einen Faltenwurf, in ein Veilchensträußehen und
in wunderliches Getier an eigenem Seelentum hin-
einzulegen wußte, hat ebensowenig seine stilbil-
dende Kraft verloren, wie die Weite einer nieder-
ländischen Landschaft. Die klassische Ruhe und die
malerische Bewegtheit bieten unermeßliche Mög-
lichkeiten der Verschmelzung, und sie w erden im-
mer das Antlitz des deutschen Stils tragen, wenn
die deutschen Künstler von ungebrochenem Selbst-
vertrauen ihren Blick nicht auf schwankende Mei-
nungen der Umwelt, sondern allein auf die Natur
und die großen künstlerischen V orbilder unserer
Vergangenheit gerichtet halten.

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