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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Eberlein, Kurt Karl: Peter Cornelius: zum 150. Geburtstag des Meisters
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0065

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jede moralische Kraft potenziert sich im Kunst-
werke durch die Vermählung mit der Schönheit".
Nur aus seiner Nationalität heraus wollte er sich
zur Menschheit erheben und war in alledem „bis
ins innerste Lebensmark ein Deutscher", so daß
sich Romantik und Klassik, Linie, Form und Farbe
wundersam verbanden. Er wollte das Lebensbrot
der Kunst nicht ästhetisch betrachtet wissen und
lehnte die gottlosen Geschmäckler und „Fächler"
mit Verachtung ab. Wer Rhythmus und Phantasie
nicht als die höchsten Ausdrucksmittel deutscher
Kunst auch in den Werken des Cornelius erkennen
kann, dem ist nicht zu helfen. Wer sehen will statt
schauen, für den ist der französische Impressionis-
mus recht, der, als Cornelius die schauenden Augen
schloß, in Manets Pariser Ausstellung eben die
Momentlupe öffnete. Alles was deutsch war, deutsch
in Schau und Phantasie, in Glaube und Deutung,
all dies lebte mit Cornelius bis in die Tage des
neuen politischen Deutschlands hinein.
Auch wir kennen die Grenzen dieser großen Per-
sönlichkeit und das Zeitbedingte seines riesigen
Werkes. Wir verkennen nicht, daß hier eine sinn-
lich-kräftige, einzigartige Natur wie jener einsame
Goethe alle Phasen des Zeitgeistes durchläuft, vom
spielerischen Rokoko zur deutschen Gotik, vom
mittelalterlichen „Faust" über Italien zur klassi-
schen „Helena", bis zur ewigen Madonna, wir ver-
kennen nicht, daß hier die dünne Oberschicht der
Gebildeten, des Adels, des Hofes dem Volke vor-

gezogen wird, daß Philosophie, nicht Geschichte,
Kunst, nicht Leben, Religion, nicht Natur, gewollt
sind. Aber das Individuum stirbt, nicht der Typus.
Das Gesetz, die Idee, das Gedicht, das Ober-
geschoß — dies alles in solcher Zeit mit Liebe,
Reinheit, Glauben gegen das geistlose Gemeine,
das sinnlich Reale, das bildlos Gesehene zu be-
haupten und gegen alle Moden, gegen alle „moder-
ne Ostentation und Geistesleere'' heroisch durch-
zusetzen und die Kunst eben nicht zur „Krämerin
und Modezofe" werden zu lassen, das war wirklich
Tat. Nicht nur seine Faustblätter, seine Nibelun-
gengraphik, die Wände der Casa Bartholdi, die
bunte Festpracht der Glyptothek, der englische
Glaubensschild, die Kartons zum Berliner Campo
Santo — sein Vorbild, sein Ethos, seine Kraft und
Reinheit, seine prophetische künstlerische Mission
werden leben. Immer wieder ruft man sich Goethe
als Gleichnis auf, mit ähnlicher Tragik, Zeitfremde,
Einsamkeit. Hier ist Existenz, nicht Effekt, hier ist
mehr als Kunst, hier ist Weisheit, mehr als Schön-
heit und Scheinheit — Bedeutung. Hier lebt eine
Persönlichkeit wie ein einsamer Berg über Tälern
das Gesetz seiner Höhe, das sich nie erniedrigt.
In Cornelius lebt noch einmal jener deutsche
deuterische, träumerische Geist Dürers mit riesigen
Visionen trotz beschränkter Mittel und Kräfte über
sich selbst hinaus in eine Welt, deren Gedanken
wie ewige Sterne dauern.

Peter Cornelius. Handzeichnung

Stadl. Kunstmuseum Düsseldorf

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