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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Hofmann, Franz: Alfred Vollmar als Graphiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0196

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werden zu lassen und ihn angespornt imReiche der
Kunst, das über den Härten des Lebens steht, eine Welt
der Freiheit und des höheren Sinnes zu suchen.
Als typisch romantisch wie auch als Verbindung zu
den Altdeutschen kann man bei Alfred Vollmar die
stimmungssymbolische Beseelung der Naturformen
im Sinne phantastischer, oft spukhafter Gestaltungen
auffassen. Ein anderer solcher Wesenszug ist sein
Gefühl für das Kosmische, vor allem das unerschöpf-
liche Wunder des Lichtes. Goethe sträubte sich aus
einem verwandten mystisch visionären Grundgefühl
heraus bekanntlich gegen seine physikalische Zer-
legung.— Ein weiteres kosmisches W under, das ihn
zu künstlerischen Schöpfungen begeistert, ist — der
Sage des Altertums von der Gaea verwandt — die
immer neues Leben gebärende Mutter Erde. Ein sol-
ches Bild, wie wir es hier sehen, ist im Sinne von
Tod und Erlösung tief religiös empfunden. In einem
anderen, wie dem der vor dem Hagel in panischem
Schreck fliehenden Herde liegt Apokalyptisches. Es
mögen gefühlsmäßig grauenvolle Erinnerungen an
die Verwüstungen des Krieges und seine Schrecken
mit angeklungen haben. Die Schlachtfelder, die der
Weltkrieg zurückließ, erweckten Vorstellungen von
erbarmungsloser kosmischer Vernichtung weit grö-
ßeren Formats und ließen unter dem Gesichtspunkte
von Jahrtausenden gesehen die Dünne des Firnisses
menschlicher Kulturen erstmalig empfinden. Einem

nach der visionären Seite hin begabten Künstler, wie
Alfred Vollmar es ist, liegen solche Bilder nahe und
sie schließen den Kreis der Betrachtungen, den wir,
von der Welt des deutschen Mittelalters ausgehend,
zogen. So wird es bei echt deutscher Kunst immer
sein, denn als geistige Ausstrahlung der Erbmasse
unseres Volkes kann sie durch den Wandel von Ver-
gangenheit, Gegenwart und Zukunft nur eine Än-
derung ihrer Spielart, aber niemals ihres Wesens er-
fahren. Ich sehe eine gewisse Wiederkehr der deut-
schen geistigen Grundhaltung bei Alfred Vollmar
auch in Hinblick auf die geschichtliche Epoche
des Klassizismus und der Romantik zu Beginn des
l g. Jahrhunderts und zwar darin, daß sich in man-
chen seinerLandschaften im Gegensatz zu den phan-
tastischen Figurenkompositionen die abgeklärte klas-
sische Ruhe als Gegenpol zur bewegten Romantik
wiederfindet.

Wenn heute von einem neuen deutschen Stil wohl
mehr, als seinem Gedeihen förderlich ist, gesprochen
wird, so mögen die Bilder Alfred Vollmars auch als
ein Beispiel dafür lehrreich sein, daß die Formen-
sprache aus dem, was den Künstler in tiefster Seele
bewegt, geboren wird. Wollte man aber von über-
nommenen oder gewollten Formen zum Geiste vor-
dringen, so wäre das der alte Holzweg, der an so
vielen Beispielen der Nachkriegsepoche sichtlich
zum Verfall deutscher Kunst geführt hat.

Künstler-Anekdoten

Leibi und Sperl

Als Leibi bei der Arbeit an seinem berühmten Ge-
mälde ..Drei Frauen in der Kirche" den Kopf der
jungen Bäuerin fertig hatte, fragte er seinen Freund
Sperl um sein Urteil. — !;Der Kopf ist gut", sagte
Sperl, „er könnte aber noch besser sein."
Da kratzte Leibi den Kopf wieder herunter und malte
ihn neu. Als Sperl am nächsten Tag kam, wurde er
wieder um sein Urteil gebeten. — „Ja, weißt du ,
sagte Sperl zögernd, ...gestern war er doch besser."
Da fuhr ihn Leibi wütend an: ..Warum hast du das
nicht gleich gestern gesagt?!".

Der grobe Menzel

Menzel hatte einen angesehenen Großindustriellen
porträtiert. Auf einer Abendgesellschaft, die der
Industrielle gab, wurde das Bild zum ersten Male
gezeigt, jedoch zunächst ohne Nennung des Künst-
lers, dessen Signum auf dem Bild vom Hausherrn
verdeckt war. Ein junger Kunstgelehrter fühlte
sich bemüßigt, das Bild scharf zu kritisieren. Er
räumte zwar ein, daß das Gesicht in der Ähnlich-
keit gut getroffen war, tadelte aber eine gewisse
Flüchtigkeit im einzelnen.

„Das Bild ist ja nur so hingeschludert', sagte er.
„Sehen Sie nur diese Knöpfe an — einfach hin-
gehauen, kaum angedeutet ..."

In diesem Augenblick trat Menzel dazu.
„Ich will Ihnen mal was sagen, junger Mann'',
rief die kleine Exzellenz mit grimmiger Stimme.
„Ich male Köppe, nicht Knöppe!"

Zu viel verlangt

Der Dichter Richard Dehmel saß Liebermann zu
einem Porträt. Da er mit Liebermann gut befreun-
det war, durfte er es sich erlauben, an dem ent-
stehenden Bild allerhand zu kritisieren und fort-
während neue Änderungswünsche vorzubringen.
Schließlich wurde es aber Liebermann doch zu viel.
„Hören Se mal", sagte er. „Sie dürfen von einem
Porträt nich verlangen, daß es och Mama und Papa
sagt."

Der Titel

Der Kunstschriftsteller Karl Scheffler besuchte
eine der ersten expressionistischen Ausstellungen
der Nachkriegszeit. Vor dem Bild 158 blieb er
kopfschüttelnd stehen. Es war unmöglich zu er-
kennen, was das Bild darstellen sollte. Schließlich
sah Scheffler im Katalog nach und fand bei der
Nr. 158 den Namen „W7einberg'" angegeben.
„Weinberg?!" rief Scheffler. „Nun weiß ich erst
recht nicht: Ist es eine Landschaft oder — ein
Porträt?"

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