Wilhelm Leibi. Die Spinnstube
seits pflegt noch nicht in einen Sinn für die leben-
dige Bedeutung der Formen uberzugehen, in ihre
struktive und schmuckhafte Ungebundenheit. um
mit einer solchen paradoxen Prägung den Versuch
einer Charakterisierung' germanischer Y\ esensmerk-
male zu machen. Wenden wir uns indes mit sol-
chen Worten zu der nordischen Kunst von Münch,
so kann uns ein darin ausgedrücktes, lebendig wi-
derstrebendes und doch verbundenes Wesen augen-
blicklich einleuchtend werden. Es ist als Tatsache
vorhanden, wenn auch viele, welche gewohnt sind,
die Welt durch die klassische Vermittlung zu sehen,
sagen werden, dies sei ein Extrem. Aber man wird
zugeben müssen, daß es auch außerhalb der rationa-
len klassischen Ordnung noch andere Gesetzmäßig-
keiten in der Kunst gibt, welche heute Anwart-
schaft auf Geltung in nordischen Werken und auf Er-
kenntnis in den altgermanischen Dingen haben.
Die klassische Ordnung steht zeitlich und vernünf-
tig dazwischen. Aber Marees ist doch der Künstler,
der sie zugleich einmalig erfüllen wollte und gegen
sie ringen mußte. Er rang gegen die Neigung des
klassischen Yv esens zu einer bloßen menschheit-
lichen Neutralität und suchte in der bildhaften Be-
gegnung eine tiefere Wahrheit der empfindenden
Sinne. Was Marees in Bildern eines goldenen Zeit-
alters sah, ist, wiewohl das klassische Ruhewesen
oder den objektiven Zusammenklang von Ausdruck
und Gestalt noch scheinbar verstärkend, doch keine
neutrale Schönheit, sondern eine von schwereren
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seits pflegt noch nicht in einen Sinn für die leben-
dige Bedeutung der Formen uberzugehen, in ihre
struktive und schmuckhafte Ungebundenheit. um
mit einer solchen paradoxen Prägung den Versuch
einer Charakterisierung' germanischer Y\ esensmerk-
male zu machen. Wenden wir uns indes mit sol-
chen Worten zu der nordischen Kunst von Münch,
so kann uns ein darin ausgedrücktes, lebendig wi-
derstrebendes und doch verbundenes Wesen augen-
blicklich einleuchtend werden. Es ist als Tatsache
vorhanden, wenn auch viele, welche gewohnt sind,
die Welt durch die klassische Vermittlung zu sehen,
sagen werden, dies sei ein Extrem. Aber man wird
zugeben müssen, daß es auch außerhalb der rationa-
len klassischen Ordnung noch andere Gesetzmäßig-
keiten in der Kunst gibt, welche heute Anwart-
schaft auf Geltung in nordischen Werken und auf Er-
kenntnis in den altgermanischen Dingen haben.
Die klassische Ordnung steht zeitlich und vernünf-
tig dazwischen. Aber Marees ist doch der Künstler,
der sie zugleich einmalig erfüllen wollte und gegen
sie ringen mußte. Er rang gegen die Neigung des
klassischen Yv esens zu einer bloßen menschheit-
lichen Neutralität und suchte in der bildhaften Be-
gegnung eine tiefere Wahrheit der empfindenden
Sinne. Was Marees in Bildern eines goldenen Zeit-
alters sah, ist, wiewohl das klassische Ruhewesen
oder den objektiven Zusammenklang von Ausdruck
und Gestalt noch scheinbar verstärkend, doch keine
neutrale Schönheit, sondern eine von schwereren
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