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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 55.1939-1940

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Utech, Joachim: Wie ich Bildhauer wurde
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https://doi.org/10.11588/diglit.16488#0014

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Joachim Utech. „Mutter". Rotgrauer Granit

Wie ich Bildhauer Wurde. Von Joachim Utech

Weit draußen vor den Toren der Kleinstadt Belgard
in Pommern wurde ich am 15. Mai 1889. gleichsam
mitten in der Natur, wo mein Vater, der Baumeister
Wilhelm Utech. sein Anwesen hatte, geboren. Für
uns Kinder war es das höchste Glück, den Vater in
seinem Reisewagen begleiten zu dürfen, wenn er auf
dem Lande seine Bauten besichtigte. Darum ist es
auch zu verstellen, daß von seinen 6 Jungen 4 den
väterlichen Beruf ergriffen, um Baumeister zu wer-
den, wie Vater. Großvater und der Urahn, dessen
Großvater auch schon Baumeister in Pommern war.
Mein Vater betrieb, wie es sich in der Familie seit
Generationen eingebürgert hatte, neben seinem Be-
ruf die Landwirtschaft, deren Zügel in den Händen
der Mutter lag, die als Bauerntochter sie musterhaft
führte. Mit den Tieren des Hofes verband uns stets
engste Freundschaft. Ich liebte besonders unsere
Pferde und Hunde.

Auch die Schulzeit auf dem Gymnasium in Belgard
vermochte nicht die Liebe zu den Tieren und der
Xatur zu stören. Mein Zeichenlehrer erkannte meine

künstlerischen Neigungen und förderte sie, wie und
wo er konnte. Ich mußte wohl das Blut meines Ur-
ahns, des Bildhauers und Baumeisters Bogislav Gott-
hilf L~tech, geerbt haben, denn ich wollte ..Künst-
ler" werden.

Nach Beendigung meiner Schulzeit reiste mein Vater
mit mir nach Berlin, damit ich in der Werkstatt des
Bildhauers Prof. Wrba eintreten sollte. Dieser war
aber gerade einem Ruf nach Dresden gefolgt, so daß
wir unverrichtetersache heimkehren mußten. Ich
ging darauf zu einem Bildhauer und Stukkateur in
Kolberg in die Lehre und kratzte während der Som-
mermonate 1907 dort auf den Neubauten eifrig Or-
namente aus dem Fassadenputz. Da mir aber ständig
die klassizistischen Reliefs meines Urahns, mit denen
ich zusammen im väterlichen Hause meine erste
Jugend verlebt hatte, vor Augen standen, so ist es
erklärlich, daß mir diese Kratzerei im Putz, die da-
mals in der Architektur in Mode war. keine Freude
bereitete. Ich war deshalb glücklich, als ich im
Herbst 1907 die ,.Kunstschule des Westens" in Ber-

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