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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 55.1939-1940

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Pfleiderer, G.: Karl Schlageter
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https://doi.org/10.11588/diglit.16488#0070

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Karl Schlageter. Entwurf für einen Wandteppich. Teilstück

Karl Schlageter. Von G. Pfleiderer

Der Maler Karl Schlageter ist der Mitwelt kein Un- gens nur allzu naheliegende Agitation und keine bil-
bekannter mehr. Erfolgreiche Ausstellungen in vie- lige Tendenz, sondern echtes, tiefverwurzeltes Maler-
len deutschen Städten, Reisestipendien und Staats- und Menschentum gemacht hat. Es war ein stiller,
preise. Aufträge führender Persönlichkeiten und aber desto größerer Heroismus, die Xotzeit der ge-
Unternehmungen und Ankäufe von Aluseen liegen nannten Jahre zu solchem "Vorsatz zu verwenden:
hinter ihm. denn es waren keine Verkaufsbilder, die hier für
Aber wer ist er? Müssen wir nicht jeden Künstler einen durchschnittlichen Geschmack besitzender
nach dem großen Umbruch in Staat und Geisteswelt Kreise geschaffen wurden, sondern Bekenntnisse, die
von neuem betrachten, ihn sozusagen in zwei Weh ihre Entstehung über alle Lebenserfahrungen hinaus
ten sehen? einer mehr und mehr bewußt werdenden v erwandt -
Nach dem Weltkrieg hatte der junge Maler in be- schaftlichen Verbundenheit und dem Gefühl der
geisterten) Anlauf Landschaft und Figur gleichzeitig schicksalhaften Zugehörigkeit zum Yolksganzen ver-
bezwungen und beides mit starkem kompositionellem dankten, das man aber in Käuferkreisen nicht zu tei-
Talent zu einem Jugendwerk moderner, wohltuen- Jen geneigt war.

der Romantik vereinigt. Heute nun, da wir den Künstler als einen reifen Por-
Im Laufe der Zeit aber war eine Wendung eingetre- trätisten kennen, bei dem der Anspruch, den die
ten. Bittere Tatsachen aller Art hatten den Werden- Kunst um ihrer selbst willen erhebt, nicht mehr unter
den, der heute 44 Jahre alt ist. zur Wirklichkeit zu- dem Anspruch der zu malenden Person auf Ähnlich-
rückgeführt. Die Träume der Romantik verflogen. keit der Wiedergabe leidet, da wir ihm ebensooft als
Die Ideale allein genügten nicht mehr, und es begann ausgezeichneten Landschafter und als Meister der
der Gleichschritt mit den Vielen, die in einem kämp- figürlichen Komposition begegnen, der sich an jedes
ferischen Leben täglich antreten und sich überwin- Problem heranwagt und der nebeneinander Entwürfe
den müssen. In den Jahren 1950 bis 1952 entstan- für großformatige Mosaiken und Glasmalereien fer-
den unter solchen Einflüssen hervorbrechender Ent- tigt, weite Flächen von Versammlungsräumen deko-
täuschungen Werke, die in keinen bürgerlichen Salon rativ bezwingt, virtuose Pinselzeichnungen hinwirft,
mehr paßten, aber desto mehr anfingen, im mensch- sich daneben aber ständig um das Gelingen von Wer-
lichen Sinn monumental zu sein. ken bemüht, die dazu bestimmt sind, nicht nur dem
Anstreicher. Schreinergehilfen, Metallarbeiter, Mau- Begriff des Malerischen seine intimere Vollendung,
rer, Arbeitende und Arbeitslose, Gesellen und Meister, sondern auch dem Wohnen des Menschen höheren
fast alle in Lebensgröße, sah man plötzlich an den Sinn und echte Kultur zu geben, in diesem Stadium
Wänden des Ateliers. Von der Straße wurden Bettler der Lebensmitte interessiert mehr das Allgemeine
hereingeholt, billige Modelle und doch so unendlich und Grundsätzliche, das die bisherige Gesamtleistung
wertvoll für den Künstler, der als Maler und Mensch beherrscht.

nunmehr aufs Ganze ging. Was sich uns darbietet, ist ein Mensch von Vielfalt
Was wir heute aus diesem Stadium seines Lebens und Lebenskraft. Sein Werk entspringt der begieri-
notieren. ist die Feststellung, daß Schlageter. als er gen Schau des Seienden, ist erdgebunden und im gan-
so um die Seele des einfachen Volksgenossen rang, zen gesehen real, nicht faustisch, nicht ideologisch,
in jedem seiner Bilder über den Einzelfall hinaus aber immer diszipliniert und von jener Bescheiden-
zu einer repräsentativen Allgemeingültigkeit vor- heit der Sprache, die den Schaffenden erhöht. Zwei-
drang, daß er durch seine Schöpfung auch dem Ar- deutigkeit ist verhaßt und ebenso jede Situation, der
heiter wieder die Hoheit der seelischen Existenz zu- man Kompliziertheit oder Krampf ansehen könnte,
rückreichte. Überall ist die innerste Verfassung kern- Wenige Farbkomplexe bringen die Entscheidung,
haft und aufrecht geblieben. Der Mensch kann arm umgrenzt von massiven festen Linien, die gekonnt
sein und trotzdem edel, ja sogar — in des Wortes sind und überzeugend. Zwischen ihnen aber wird ge-
tiefster Bedeutung — aristokratisch. Das ist das An- malt im wahrsten Sinne des Wortes, so, daß auch die
erkenntnis eines Künstlers, den keine, damals übri- kleinste Fläche lebt und in den kostbaren Tempera-

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