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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 55.1939-1940

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Scheffler, Karl: Erinnerung an August Gaul
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Tumler, Franz: Vor einem Bilde von Dürer
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https://doi.org/10.11588/diglit.16488#0076

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In einige Brunnen hat Gaul dann das Tier vorsichtig
einsichtsvoll mit architektonischen Formen in Verbin-
dung gebracht. Nicht mit dem souveränen Architek-
turgefühl Adolf Hildebrands, immer jedoch mit Ver-
ständnis und künstlerischem Takt. Der Fischotter-
brunnen, der Hirschbrunnen, der Entenbrunnen, der
Wisentbrunnen, der Schwanenbrunnen und andere
Arbeiten dieser Art gehören zum Besten, was in die-
ser Art gemacht worden ist, ja sie sind in ihrer Art
einzig und haben, ungesucht, etwas Volkstümliches.
Als Gaul starb, war die Trauer allgemein. Sehr
lebendig geblieben ist mir das Begräbnis auf dem
kleinen Dorffriedhof in Dahlem bei Berlin. Es war
von katholischem Zeremoniell umgeben und schloß
mit der schönen Sitte, am Grabe ein Vaterunser für
den zu beten, der von den Leidtragenden zunächst
sterben werde. An dem dicht von Künstlern umstan-
denen Grabe durfte ich Worte der Würdigung und
des Abschieds sprechen, während Herbstnebel feucht
und still niedertropften. Vom Friedhof aber fuhr ich
mit Hans Purrmann in Gauls Atelier, das er sich am
Boseneck selbst erbaut hatte, und wo, kaum vollendet,

der große, tragisch blickende Menschenaffe stand,
den die Nationalgalerie später erworben hat. Und
dort, wo die Werkzeuge noch lagen, wie der Künstler
sie aus der Hand gelegt hatte, wo wir so manches Mal
echte Werkstattgespräche mit ihm geführt hatten,
kam es zu einer zweiten Gedenkfeier. Wir sprachen
von der Echtheit und Bestimmtheit seiner Kunst, von
der milden Freundlichkeit seines Wesens, und das
ewig unerschöpfliche Thema war wieder einmal die
Kunst.

Ebenso lebendig wie damals ist Gaul mir noch heute
gegenwärtig. Mit Bezug auf ihn ist einmal an Goe-
thes schönes Gedicht erinnert worden, das so beginnt:

„Zu Ephesus ein Goldschmied saß."

Man kennt es und weiß, wie es weitergeht. Der
letzte Vers enthält eine Malmung für alle Zeiten:

„Will's aber einer anders halten,

so mag er nach Belieben walten,

nur soll er nicht das Handwerk schänden —

sonst wird er schlecht und schmählich enden."

Künstler-Anekdoten

O s t e n d e

Vor ein paar Jahren sah sich der Bürgermeister von
Ostende veranlaßt, gegen allerlei Unsitten im Bade-
leben einzuschreiten. Gleichzeitig wurde auch das
Ausstellen und Aufstellen „unbekleideter mensch-
licher Figuren" schlechthin verboten. Ein paar mar-
morne Damen mußten aus den städtischen Anlagen
verschwinden und ein Herkulesbrunneil wurde ab-
gebrochen.

Eine Woche später stand in der Kunsthandlung der
Hauptstraße eine kleine Bronze-„Flora" von Maillol.
mit einem Hemd angetan, im Schaufenster, und ein
Pappschildchen besagte:
„Preis (ohne Hemd): 750 Frs."

*

Etwas Gutes

Im alten München gab es eine sogenannte Lokalaus-
stellung: sie wurde nicht eben von den Besten be-
schickt.

Eines Tages traf Menzel auf der Durchreise in Mün-
chen ein. Professor Stieler suchte ihn im Gasthof auf
und erfuhr zu seinem Erstaunen, Menzel wäre in
die Lokalausstellung gegangen. Er fand ihn dort in

Betrachtungen versunken vor einem recht gleichgül-
tigen Landschaftsbild.

„Sehen Sie", sagte Menzel, „wenn man sich nur recht
bemüht, kann man in jedem Bild etwas Gutes fin-
den."

„Haben Sie auch hier etwas Gutes gefunden, in die-
sem Bild?"

„O ja", sagte Menzel. „Den guten Willen!"
Der Bauernmaler

Pieter Brueghel, der saftige Bauern-Brueghel. war
kein Freund des modischen Italienkults seiner Mal-
genossen.

Einst fand er im Wiener Hofmuseum neben einem
seiner eigenen Bilder einen pompösen Benaissance-
Prospekt des Vredeman de Vries, an dem der Maler
noch arbeitete. Brueghel kam hinzu, als sein Lands-
mann eben abwesend -war, nahm Pinsel und Palette
und setzte dem Unglücklichen ein dralles Bauern-
paar von offenkundig unfeinen Absichten in eine
feierliche Türnische.

Alle Welt lachte, Vredeman war wütend, der Be-
steller entzückt.

Dichter über Bildwerke, die sie lieben-.
Vor einem Bilde von Dürer. Von Franz Turnier

An einem hellen Vormittag sah ich das Bildnis des
Johannes Kleeberger von xAlbrecht Dürer. Schön ist
dieses Gesicht vor allem, und der Schönheit des Men-
schengesichtes diente der Maler. Dieser Mund spricht
nichts aus, dessen nicht die Stirn mächtig ist: so streng

Vor einem Bilde zu reden ist das Schwerste: der
Bedende hat mit dem ersten Worte zu schauen auf-
gehört. Zu leicht will er sich selber im Beden auf-
tun, nur dem, der lange geschaut hat, der nichts an
sich reißen will, ist auch das Wort erlaubt.

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