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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 55.1939-1940

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Penzoldt, Ernst: Das kleine Mädchen von Salonae
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Sommer, P.: Wie sich Künstler rächen
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https://doi.org/10.11588/diglit.16488#0152

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in seiner holdesten Jugend abzubilden als Denkmal
der Erinnerung an dieses, nur dieses eine, ganz be-
stimmte Mädchen, das so eben nur einmal in der
AVeit war. Wir wissen seinen Namen nicht, ob es
Cornelia oder Faustina hieß, wir können allenfalls
annehmen, daß ihre Anmut bei den jungen Leuten
in Salonae gefeiert wurde, aber wissen nichts von
ihrem Herzen und ihren Tugenden. Ach, wie leicht
ist es, tugendhafte Menschen um ihrer Vortreftlichkeit
willen zu lieben — wenn anders sie bei ihrer Vollkom-
menheit überhaupt noch unserer Liebe bedürfen —,
gleichviel, wenn ich das Gesicht dieses sympathischen
Mädchens genau betrachte, so möchte es mich nicht
unmöglich dünken, daß die Kleine es ordentlich hin-
ter den Ohren hatte. Irgendein Schalk ist in diesem

Charme der Unschuld, ein Unernst und ein verhal-
tener Übermut. Ich glaube nicht, daß mein Mädchen
klug war, vielleicht auch nicht einmal besonders gut,
seine Aufgabe war eine andere damals wie heute,
durch seine Anmut Zuneigung zu erwecken. Der
unbekannte Bildhauer von Salonae hat in einem
leicht zu bearbeitenden marmorähnlichen Kalk-
stein, einem vergänglichen Mädrhenantlitz um sei-
ner jugendlichen Reize willen, der vergänglichsten,
sterblichsten, diesseitigsten des Lebens also, irdische
Dauer gegeben und es gelang ihm wirklich einen
Augenblick von Unsterblichkeit einzufangen, weil es
mit Liebe geschah, der einzigen menschlichen Eigen-
schaft, die unsterblich ist.

Wie sich Künstler rächen. Von P.Sommer

Nicht selten haben bildende Künstler, auch wenn sie
nicht Karikaturisten waren, ihre persönliche Rache in
der V\ eise zu kühlen versucht, daß sie ihre Feinde im
Bilde festhielten, in einer Situation, die den Abgebil-
deten der Lächerlichkeit preisgab.
Als Michelangelo sein Jüngstes Gericht in der Six-
tinischen Kapelle malte, fühlte er sich von einem Kar-
dinal gekränkt. Um sich zu rächen, gab er einem der
Verdammten, die auf dem Bild in die Hölle stürzen,
die Gesichtszüge des Kardinals. Als das Bild vollendet
war, strömte ganz Rom, namentlich aber die vor-
nehme Welt, der Adel und die Geistlichkeit in die
Sixtinische Kapelle, um die Schöpfung Michelange-
los zu sehen. Man erkannte den Kardinal unter den
Verdämmten, und alles lachte. Wütend lief dieser
zum Papst und verlangte, daß Michelangelo die Fi-
gur übermalen solle. Aber der Papst, der dem großen
Künstler sehr gewogen war, erwiderte lächelnd:
,.Eminenz! Aus dem Fegefeuer könnte Sie meine
Fürbitte vielleicht befreien. Aber aus der Hölle gibt
es keine Errettung." Und dabei blieb es.
Weit boshafter war die Art und Weise, wie sich Tie-
polo an einer Hofdame, die sein Liebeswerben zu-
rückgewiesen hatte, rächte. Der Maler war 1750 bis
1753 in Würzburg mit der Ausmalung der Decke
des Treppenhauses der fürstbischöflichen Residenz
beschäftigt. Der Gegenstand der Fresken waren große
allegorische Darstellungen. Er stellte nun die Hof-
dame in einem dieser Gemälde als Nymphe dar mit
der bei dem AAmphenvolk üblichen sparsamen Be-
kleidung an der Seite eines ebenfalls sehr wenig be-
kleideten Aleergreises in einer recht verfänglichen
Situation. Dabei trug er Sorge, daß das Gerüst, das
zur Herstellung der Arbeiten an der Decke errichtet
worden war, die betreffenden Gestalten bis zum letz-
ten Augenblick verdeckte, so daß man erst, als es
entfernt war, die Figuren sehen konnte. Das Bild
aber wird heute noch den Besuchern als ,,das unan-
ständige Bild" gezeigt.

Zu dem belgischen Maler Wiertz in Brüssel kam eines
Tages ein wegen seines Geizes stadtbekannter Notar
und wünschte von dem berühmten Künstler porträ-
tiert zu werden. Wiertz, den der Charakterkopf des

Notars interessierte, forderte 5000 Franken Llonorar.
Während der Unterhaltung hatte sich der Maler die
Gesichtszüge seines Besuchers scharf eingeprägt.
Kaum hatte dieser das Atelier verlassen, als Wiertz
an die Staffelei stürzte und mit Feuereifer zu malen
begann. Das Bild stellte den Notar dar, wie er in ge-
wählter Kleidung an seinem Schreibtisch in seinem
Studierzimmer saß. Nach 24 Stunden hatte der Künst-
ler es vollendet und sandte es dem Besteller, indem er
sich dessen Überraschung im Geiste vorstellte. Da
kam er aber schön an. Der Geizhals schrieb, es falle
ihm nicht ein, die Arbeit eines einzigen Tages mit
5000 Franken zu bezahlen. Das Bild sei ganz und gar
nicht ähnlich, weshalb er es zurückschicke. Wiertz
sann auf Rache. Er übermalte das Bild bis auf das
Gesicht. Studierstube und Schreibtisch verschwanden:
an ihrer Stelle sah man ein düsteres Gefängnis mit
einem grob gezimmerten Tisch, auf dem ein Krug mit
Wasser und ein Laib Brot zu sehen waren. Statt des
Staatskleides trug der Abgebildete nun Gefängnis-
tracht. Darunter schrieb Wiertz: ,,Gefangener im
Schuldturm." Das so veränderte Bild übergab er
einem Kunsthändler, der es alsbald ausstellte. Alles
ging hin, um den neuen Wiertz zu sehen, und man
erkannte in dem Gefangenen im Schuldturm sofort
den wegen seines Geizes bekannten und wenig be-
liebten Notar. Die Entstehungsgeschichte des Bildes
wurde bekannt. Der Notar drohte Wiertz mit einer
Beleidigungsklage. Dieser wies ihm seinen Brief vor,
worin er ihm ja selbst bestätigt habe, daß das Bild
ihm, dem Notar, nicht im mindesten ähnlich sehe.
Darauf war der Geizhals nicht gefaßt. Er erklärte
sich nun bereit, die 5000 Franken für das Bild zahlen
zu wollen. Jetzt aber wollte der Maler nichts mehr
von einem Verkaufe wissen. Schließlich überließ er
es ihm aber doch für 10 000 Franken, die Wiertz den
Armen von Brüssel schenkte.

Auch der finanzgewaltige Rothschild, der Chef des
Pariser Hauses, mußte einst die Rache des berühm-
ten französischen Schlachtenmalers Horace Vernet
spüren. Er hatte dem Künstler ein Darlehen abge-
schlagen. Als nun Vernet bald darauf im Pariser
Salon 1843 sein 21 Meter langes Kolossalgemälde:

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