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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 55.1939-1940

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Kroll, Bruno: Julius Seyler
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https://doi.org/10.11588/diglit.16488#0134

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Julius Seyler. Herbstsonne auf der Landstraße bei Dießen am Ammersee

Aus „Julius Seyler, Briefe und Bilder". Verlag Hugo Schmidt, München

verschwinden in zarten Schatten, die langsam über
das Land gleiten . . ."

Eine Impression — eine Erscheinung, gewiß! Aber
eine, die von einem Realisten geschaut wurde und
der über diesem Schauen zum Dichter wurde.
Eine erste Sammelausstellung in der Münchner „Mo-
dernen Galerie" 1910 erregt Aufsehen. Seyler steht
plötzlich in der vordersten Reihe der jüngeren
Münchner; steht neben Jul. Heß, R. H. Lichtenber-
ger, dann W. Püttner und vor allem Alb. Weisger-
ber. Nur weniger befangen von stilistischen Hem-
mungen als dieser letzte, der noch so entscheidenden
Einfluß auf die Münchner neuere Kunst gewinnen
sollte. Selbstsicherer ruht Seyler in sich. Das Erbe
des altbayerischen Stammes, das Beharren im Wohl-
erprobten, bewährt sich noch einmal. Während an-
dere vorwärtsdrängende snobbistische Kräfte um
Kandinsky sich sammeln, lebt Seyler einer ganz
persönlichen Kunst. Überdies: die Hundezucht inter-
essiert ihn mehr als endlose Kunstdebatten in ver-
räucherten Kneipen. Und dann das Reisen. Das Hin-
ausschweifen in die Ferne, die Sehnsucht nach jenem
geheimnisvollen Leben, das hinter dem Augensinn-
lichen sich auftut und dessen Erleben doch uns Deut-
schen erst die Kunst verehrungswürdig macht.
1910 führt den Maler nach Flandern, an die bel-

gische Küste. Er malt den Krevettenfischer und das
Meer, die Düne — den Strand. „Ist es nicht, als
setzten die Dünen den Rhythmus des Meeres fort?
Als wären sie erstarrte Wogen und doch nicht starr!
Wieviel Bewegung, Rhythmus in allen Linien, wie
sie sich überschneiden, verschwinden, wieder auftau-
chen, in die Ferne führen . . . Der „Tangarbeiter"
wird das Problem. Die Wogen, die rollen daher, als
litten sie Attacke. Und Seyler malt und zeichnet.
Ein Jahr darauf, 1911, sitzt Seyler in den Lofoten.
Im Norden Skandinaviens. Er war erschüttert und
fühlte sich unsagbar klein dieser Natur gegenüber.
„Welch ein Gegensatz zu Holland und Belgien, wo
alles sich im weichen Silber löste. Hier war Urwelt-
liches. Und größte Einsamkeit. Kein Mensch kommt
hierher. Möwen fliegen. Tauchenten schwimmen.
Das Meer atmet tief — hie und da eine Brandung.
Und der Künstler schaut hinaus, hinein in das glas-
klare Wasser, sieht die Nebel ziehen, die Felsen sich
bewegen, während der Wind pfeift, daß die Wogen
klatschen, rollen. Da zerreißen plötzlich die Nebel,
eine goldne Wolke erglänzt — und ist verschwunden.
Dann wieder strahlende Tage. Tage ohne Ende. Die
Sonne neigt sich, aber sie taucht nicht hinab. Ewiger
Tag. Märchenhaft. Leuchtend liegen da die Berge —
die Schären . . .

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