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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 55.1939-1940

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Christoffel, Ulrich: Die Bildererzählung als Stilleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.16488#0143

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Passivität der menschlichen Figuren zu weit getrie-
ben werde und der Mensch zu einem stillebenhaften
Gegenstand im Bilde verlösche, und es konnte bei-
spielsweise über die Musikstunde von Terborch eine
Kontroverse entstehen, ob die Dame am Spinett nicht
nur an die Wand gemalt sei. Uber der farbigen Kost-
barkeit und Areredelung des Stofflichen haben die
überkultivierten Meister oft den Herzschlag des Men-
schen vergessen, der das Räumliche erst malerisch
belebt. Bei dem mehr volkstümlichen Genre der
Bauernszenen von Dou, Ostade, Steen, Brouwer trat
der Zwiespalt ein, der besonders im 19. Jahrhundert
sich wiederholte, daß sich von der Anekdote der
Handlung die koloristische Anekdote der tonigen
Feinmalerei abspaltete und das Auge durch schöne
Farben, zugleich aber der Sinn durch derbe Späße

unterhalten wurden. Über allen diesen Fachmalern
stand Rembrandt, der das malerische Problem der
Verschmelzung von Raum und Figur, von Historie
und Bildnis im Halbdunkel der tonigen Tiefe auf
eine Weise löste, die das Menschliche und Seelenhafte
der Handlung wunderbar einzubetten wußte in die
Empfindung für das Stoffliche und Stillebenhafte.
Es wurde damit eine neue gesunde Entwicklung der
Genremalerei angebahnt und jeder Nachfolgezeit
zur Aufgabe gestellt. Die großen Künstler sind im-
mer zugleich die mahnenden Wächter, die die Rein-
heit der künstlerischen Gesinnungen behüten und
dann werden zu allen Zeiten auch die Maler geboren,
die die wichtige Empfindung für die Bildgebung und
für das Gleichgewicht des Stofflichen und Geistigen
der Farbe in sich tragen.

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