Otto Herbig. Kind und blaue Puppe
seine geheimsten Gedanken — Kinder denken in Bil-
dern, nicht in Begriffen — anvertrauen will, so nahe
wie möglich sein möchte. Das Pferd, sonst das beson-
ders geliebte Spielzeug, sieht dabei, weil es sich nun
völlig unbeachtet fühlt, mit hochmütiger Miene auf
seinen kindlichen Herrn herab. Oder die Puppen
werden sehr selbständig auf Herbigs Bildern und
tanzen in einem Reigen mit ausgelassener Fröhlich-
keit zusammen mit der kleinen Puppenmutter um
ihr soeben fertig gestelltes ,,Luftschloß"' aus Bau-
klötzchen, das ein darüber schwebender Engel segnet.
Es ist das Bild, das Mussolini für sich persönlich er-
warb. Das völlig „ohne Zweck" gewollte Dasein der
Puppen, ihr buntes vielseitiges Leben, das sie „ab-
sichtslos" nur der kindlichen Phantasie verdanken,
bringt, von Herbigs Pinsel festgehalten, oft frappie-
rend starke Wirkungen hervor. Der Eindruck ist
manchmal so groß, daß wir statt Zuschauer, wie die
Kinder Beteiligte zu werden glauben. Dazu tragen
nicht unwesentlich Herbigs kräftige leuchtende,
gelbe, grüne, rote und braune Farben bei, die in ihren
jeweiligen Tonwerten eine ergänzende Sprache zu
dem bunten Märchenspiel der Kinder werden. Alle
seine Kinderbilder sind Erlebnisse aus dem täglichen
Leben, Eindrücke seiner unmittelbaren Eingebung.
Aber Herbig vermeidet alles Zufällige, es sind eben
nicht, ähnlich der uns durch die Wunder der Technik
so selbstverständlichen Momentaufnahmen nun ge-
malte Augenblicksbilder, sondern seine künstlerische
Hingabe an das Erlebnis bringt, wenn er die Dinge
auf der Leinwand neu erstehen läßt, die Steigerung
ins allgemein Menschliche. Herbig schafft mit Aus-
drucksmitteln, die nur der Alalerei eigen sein kön-
nen, überpersönliche Sinnbilder. Die Kinder sind
nicht nur Bilder seines Töchterchens oder seines Soh-
nes, sondern Wesen, in denen, da sie noch teilhaftig
der Gnade des Unbewußten sind, sozusagen die Er-
füllung vorweggenommen ist und die noch das uns
bewußten Menschen verlorene Paradies besitzen.
Ahnlich empfand Goethe, wenn er zu Eckermann
sagt: „Ich brauche nur zum Fenster hinaus zu sehen,
um in herumlaufenden Kindern die Svmbole der sich
ewig abnutzenden und immer sich verjüngenden YV elt
beständig vor Augen zu haben. Kinderspiele und
Jugend-Vergnügungen erhalten sich daher und pflan-
zen sich von Jahrhundert zu Jahrhundert fort, denn
so absurd sie auch einem reiferen Alter erscheinen
mögen, Kinder bleiben doch immer Kinder und sind
sich zu allen Zeiten ähnlich."
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seine geheimsten Gedanken — Kinder denken in Bil-
dern, nicht in Begriffen — anvertrauen will, so nahe
wie möglich sein möchte. Das Pferd, sonst das beson-
ders geliebte Spielzeug, sieht dabei, weil es sich nun
völlig unbeachtet fühlt, mit hochmütiger Miene auf
seinen kindlichen Herrn herab. Oder die Puppen
werden sehr selbständig auf Herbigs Bildern und
tanzen in einem Reigen mit ausgelassener Fröhlich-
keit zusammen mit der kleinen Puppenmutter um
ihr soeben fertig gestelltes ,,Luftschloß"' aus Bau-
klötzchen, das ein darüber schwebender Engel segnet.
Es ist das Bild, das Mussolini für sich persönlich er-
warb. Das völlig „ohne Zweck" gewollte Dasein der
Puppen, ihr buntes vielseitiges Leben, das sie „ab-
sichtslos" nur der kindlichen Phantasie verdanken,
bringt, von Herbigs Pinsel festgehalten, oft frappie-
rend starke Wirkungen hervor. Der Eindruck ist
manchmal so groß, daß wir statt Zuschauer, wie die
Kinder Beteiligte zu werden glauben. Dazu tragen
nicht unwesentlich Herbigs kräftige leuchtende,
gelbe, grüne, rote und braune Farben bei, die in ihren
jeweiligen Tonwerten eine ergänzende Sprache zu
dem bunten Märchenspiel der Kinder werden. Alle
seine Kinderbilder sind Erlebnisse aus dem täglichen
Leben, Eindrücke seiner unmittelbaren Eingebung.
Aber Herbig vermeidet alles Zufällige, es sind eben
nicht, ähnlich der uns durch die Wunder der Technik
so selbstverständlichen Momentaufnahmen nun ge-
malte Augenblicksbilder, sondern seine künstlerische
Hingabe an das Erlebnis bringt, wenn er die Dinge
auf der Leinwand neu erstehen läßt, die Steigerung
ins allgemein Menschliche. Herbig schafft mit Aus-
drucksmitteln, die nur der Alalerei eigen sein kön-
nen, überpersönliche Sinnbilder. Die Kinder sind
nicht nur Bilder seines Töchterchens oder seines Soh-
nes, sondern Wesen, in denen, da sie noch teilhaftig
der Gnade des Unbewußten sind, sozusagen die Er-
füllung vorweggenommen ist und die noch das uns
bewußten Menschen verlorene Paradies besitzen.
Ahnlich empfand Goethe, wenn er zu Eckermann
sagt: „Ich brauche nur zum Fenster hinaus zu sehen,
um in herumlaufenden Kindern die Svmbole der sich
ewig abnutzenden und immer sich verjüngenden YV elt
beständig vor Augen zu haben. Kinderspiele und
Jugend-Vergnügungen erhalten sich daher und pflan-
zen sich von Jahrhundert zu Jahrhundert fort, denn
so absurd sie auch einem reiferen Alter erscheinen
mögen, Kinder bleiben doch immer Kinder und sind
sich zu allen Zeiten ähnlich."
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