Michael Neder. Heimkehr der Herde
Neuerwerbung der österreichischen Galerie in Wien
Im Oberen Belvedere sind jetzt einige überaus inter-
essante Bilder zu besichtigen, die zu derartigen Be-
trachtungen Anlaß geben. Seit dem Umbruch mit be-
deutend reicheren Mitteln ausgestattet, hat die Lei-
tung über 50 neue Werke von 22 Malern (12 Ostmär-
kern) erworben, darunter 10 bisher ganz unbekannte,
durchaus wichtige Ergänzungen des bisherigen Bestan-
des. Ja, Menzel ist mit der tiefdunkel tonigen und
doch leuchtenden „Frühmesse" (1850) hier erst recht
eingezogen, da das kleine Bild des Esterhazykellers
von ihm doch keine rechte Vorstellung gibt. Auch
Thomas Bildnis seiner Schwester Agathe (um 1870,
Abb. S. 256) kann noch zu den Jugendwerken gerech-
net werden. Es ist ein durch die azentrische Kompo-
sition wie absichtlich unauffälliges, schlichtes Bild,
die Vase lenkt ja zuerst die Aufmerksamkeit etwas ab,
führt sie dann freilich um so sicherer auf das anmutige
Antlitz zurück, das so wohlgeborgen im Halbschatten
ruht. Das Gruppenbildnis der Barbara Krafft (1764
bis 1825, Abb. S. 257) zeigt ähnlich wie das in der
Januar-Nummer hier gebrachte die (noch wenig er-
forschte) Malerin in ihrer Kunst der Charakterisie-
rung auf voller Höhe. Die Sicherheit ihres kühnen,
lockeren Pinselstriches ist erstaunlich. Waldmüller
wirkt porzellanglatt neben ihr. Sein Bildnis des
Hr. Werner (1855, Abb. S. 259) gibt den gesetzten,
etwas verschlossenen „gutsituierten" Wiener Bürger
mit künstlerischen Neigungen. Drei andere Bildnisse
haben sich glücklich dazu gefunden, seine Frau und
zwei Kinder, alles deutlich für eine hübsche Gruppe
im Salon über dem Diwan berechnet. Von gleich
entzückender Frische ist ein anderes Knabenbild
(Gf. Apraxin). Ein bisher unbekanntes Genrebild
„Die erschöpfte Kraft", eine Mutter, neben dem Kran-
kenbett des Kindes wohl in später Nacht zu Boden
gesunken, wirkt heute nicht mehr so, wie er es emp-
funden hat. Eine Überraschung ist das Bild des Döb-
linger Schusters Mich. Neder (1807—1882), Heim-
kehr der Herde (1844, Abb. S. 260). Welch ein tekto-
nisches Gefühl in den parallelen Rücken der Rinder!
Und wie schafft der helle Fleck an der Wand, erhöht
durch die dunkle Tür, ein farbiges Lichtzentrum,
um das sich alles sammelt! Eine gewisse Unbeholfen-
heit und Naivität der Darstellung läßt den nicht nor-
mal geschulten Künstler erkennen. Gerade dadurch
tritt er uns heute so nahe.
Ergänzt wurde ferner das Werk von J. Alt, Amer-
ling, Eybl, Feuerbach, C. D. Friedrich, Haider, Klimt,
J. P. Krafft, Leibi, Marco, Romako, E. J. Schindler,
L.Ferd. Schnorr v.Carolsfeld, Schuch, Trübner, Uhde
und jenes Grazers Friedr. Loos, dessen Kunst hier in
der Februar-Nummer gewürdigt wurde.
260
Neuerwerbung der österreichischen Galerie in Wien
Im Oberen Belvedere sind jetzt einige überaus inter-
essante Bilder zu besichtigen, die zu derartigen Be-
trachtungen Anlaß geben. Seit dem Umbruch mit be-
deutend reicheren Mitteln ausgestattet, hat die Lei-
tung über 50 neue Werke von 22 Malern (12 Ostmär-
kern) erworben, darunter 10 bisher ganz unbekannte,
durchaus wichtige Ergänzungen des bisherigen Bestan-
des. Ja, Menzel ist mit der tiefdunkel tonigen und
doch leuchtenden „Frühmesse" (1850) hier erst recht
eingezogen, da das kleine Bild des Esterhazykellers
von ihm doch keine rechte Vorstellung gibt. Auch
Thomas Bildnis seiner Schwester Agathe (um 1870,
Abb. S. 256) kann noch zu den Jugendwerken gerech-
net werden. Es ist ein durch die azentrische Kompo-
sition wie absichtlich unauffälliges, schlichtes Bild,
die Vase lenkt ja zuerst die Aufmerksamkeit etwas ab,
führt sie dann freilich um so sicherer auf das anmutige
Antlitz zurück, das so wohlgeborgen im Halbschatten
ruht. Das Gruppenbildnis der Barbara Krafft (1764
bis 1825, Abb. S. 257) zeigt ähnlich wie das in der
Januar-Nummer hier gebrachte die (noch wenig er-
forschte) Malerin in ihrer Kunst der Charakterisie-
rung auf voller Höhe. Die Sicherheit ihres kühnen,
lockeren Pinselstriches ist erstaunlich. Waldmüller
wirkt porzellanglatt neben ihr. Sein Bildnis des
Hr. Werner (1855, Abb. S. 259) gibt den gesetzten,
etwas verschlossenen „gutsituierten" Wiener Bürger
mit künstlerischen Neigungen. Drei andere Bildnisse
haben sich glücklich dazu gefunden, seine Frau und
zwei Kinder, alles deutlich für eine hübsche Gruppe
im Salon über dem Diwan berechnet. Von gleich
entzückender Frische ist ein anderes Knabenbild
(Gf. Apraxin). Ein bisher unbekanntes Genrebild
„Die erschöpfte Kraft", eine Mutter, neben dem Kran-
kenbett des Kindes wohl in später Nacht zu Boden
gesunken, wirkt heute nicht mehr so, wie er es emp-
funden hat. Eine Überraschung ist das Bild des Döb-
linger Schusters Mich. Neder (1807—1882), Heim-
kehr der Herde (1844, Abb. S. 260). Welch ein tekto-
nisches Gefühl in den parallelen Rücken der Rinder!
Und wie schafft der helle Fleck an der Wand, erhöht
durch die dunkle Tür, ein farbiges Lichtzentrum,
um das sich alles sammelt! Eine gewisse Unbeholfen-
heit und Naivität der Darstellung läßt den nicht nor-
mal geschulten Künstler erkennen. Gerade dadurch
tritt er uns heute so nahe.
Ergänzt wurde ferner das Werk von J. Alt, Amer-
ling, Eybl, Feuerbach, C. D. Friedrich, Haider, Klimt,
J. P. Krafft, Leibi, Marco, Romako, E. J. Schindler,
L.Ferd. Schnorr v.Carolsfeld, Schuch, Trübner, Uhde
und jenes Grazers Friedr. Loos, dessen Kunst hier in
der Februar-Nummer gewürdigt wurde.
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