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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 2 (März 1924)
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Kolb, Gustav: Der Holzschnitt und seine Pflege im Kunstunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0035

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170-

Gcwontüc imd Älmvc»Ilc>ncI!c. Dlcscm Vcr-

langc» komm! nun dcr Holzschnill mchr dcnn jcdc
cindcrc Kunslgallung cnlgcgcn, Djc Borliebe sur daü
lirajlvoll Dcrbc und Schwere liegt nun abcr dcn>
Dcutschen vor andcren Naüoncn im Blui. Das zei-
gcn ja gerade unsere rniblelalterüchen Holzschnitle im
Gcgensatz zu denen der Franzosen und Italiener.

Aiit Rech! sagt Worringer cinmal: Dic Deutschen
jcner Zeit leben im Holzschnitt, weil er ihrern
AuSdruckswillcn cntsprlcht, während dle andcren nur
gclegentlich mil ihm arbeiten.

Ansere Zeit ist nun wic das zu Endc gehcnde Mit-
telalker mit gcistigen Gärungsstosfen übcrladen, die
die Seelen in Brand verschen und nach Ausdruck
drängen. And keine Nation ist durch das Schicksa!
so sehr in diesen Brand hineingezogen wie das deuk-
schc Bolke. Welche Kunstgattung wäre nun mehr bc-
rusen, den Seelcnzusiand unseres darniedcrlicgenden,
aus allcn Wunden blutenden, mijzhandelten Bolkes
zu kunden wie der Holzschnikk? Soweit sind wir aller-
dings noch nicht, Aber wir habcn heute schon einc
skatklichc Kllnstlcrgilde des Holzschniktes und nicht
wcnige bcdeukende Namen der künstlerischen Iugend
gchören ihm an. Ihr Werk ist zudem im Wachsen
und Werden. Wärc es möglich, daß wir von hier
aus wieder eine Kunst, die unmiitelbar zum Hcrzen
unseres Bolkcs spricht, also eine echte Volkskunst er-
ringcn könnten?

Ich glaube, wir Zeichenlehrer würden uns schuldig
machen, wenn wir diese prachtvoll jungendliche Bewe-
gung nicht mit allen Kräfien unkerstützen wllrden.
Wir haben doch die Aufgabe, KunskWarte zu scin,
d. h. die Wcrkc unserer Künstler dem Dolke nahe zu
bringen. And wir sollen, wenn wir uns an die Iu-
gcnd wenden, nichk nur die Kunst vergangener Zei-
ten im Augen haben, sondern ebcnso, ja noch mehr
die Kunsk der Gegenwark. Die Iugend, die immer
dem Frühling, dem llungen und Werdenden zugekehrt
ist, eben weil das ihrem eigenen Wesen entspricht,
die dem Wehen der Zeit alle Pcren öffnet, wird uns
dabei freudig solgen.

Also: wir begrühen es, wenn der Zeichen- und
Kunstunterricht der Schwarz-Weitzkunst besondere
Sorgfalt zuwendet, wenn er dem Schüler Gelegenheit
gibt, durch eigenes Schaffen in die Geheimnisfe die-
jer Kunst einzudringen. Allerdings werden wir nur
in seltenen FSllen in Holz schneiden lassen können.
Der Linolschnitt, den wir an feiner Skellc pflegen,
ist freilich kein Holzschnitt. aber er ish ihm in der Tech-
nik verwandt und die Gesetze der Aufteilung der
Fläche in Schwarz-Meiß sind bei beiden dieselbcn.
Nun freut es mich, mitkeilenzu können, dah die würtk.
Zeichenlehrer diese Aufgabe mit WLrme ergriffen
haben. In zwci öffentlichen Ausstellungen waren
schon zahlreiche Schülerarbeiten in Linolschnitk zu
sehen. Der „Hilfsverband für die höheren Schulen
Württembergs", Lber dessen Gründung seinerzeit in
„K. u. 3." berichlek wurde, hat sich unseren Bestre-
bungen, deren Tragweite erkennend, besonders an-
gcnommen. Er verhilft den einzelnen Schulen zu
Tiefdruckpressen, die den Druck von Holz- und Linol-
schnitten und Nadierungen in grohen Auflagen er-
möglichen. Davon erhoffen wir Zeichenlehrer nach
den bisherigen günstigen Erfahrungen eine mächkige
Förderung der graphischen Kunst in unseren
Vchulen.

Man muh cinmal dic Frcude mit angcschen habcn,
dic unserc Schlllcr zeigcn, wenn sie die ersten
Drucke cines Echniltes, das Endvrgcbnis einer
mllhevollen Arbeik, vor sich haben, um ermesten zu
können, wie sehr dicse Bekätigung dem Bedürfnls
unserer stugend enkgegenkommt. Was könnte für
die Kunsterziehung geleistet werden, wenn im ganzen
deutschen Batermnd ebcnso planmähig gearbeitet
würde! Welche durchschlagende Wirkung mühte
das für die Kunstcrzichung unseres Volkes habcn!
Dann erst hätten unserc Holzschnittkünstler das,
was ihnen bisher immer fehlte: eine Gemcinde, an
die sie sich wcnden, für die sie schafscn könnken.
Auch hier gilt: Wer die Iugend yat, hak die Zu-
kunft.

Nun werdcn abcr manche Amtsgenossen einwen-
den: Die Bestrebungen, den graphischen Künsten
cine Skätte im Kunstunterricht zu bereiken," sind recht
und schön, aber sie bcdürfen eines entsprechend vor-
gebildeten Lehrers, der diese Technik selbst be-
herrscht. Das ist richtig, und es ist kein Zweifel,
daß solche neue Aufgabcn an die künstlerifche Wei-
terbildung des Zeichenlehrers, der während seincr
Borbildung keine Gelegenheit hakte, sich die Grund-
lagen dieser Techniken zu erwerben, grohe Anforde-
rungen stiellen. Wenn wir nun aber sehen, daß ge-
rade einige unserer ältesten Zeichcnlehrer den Mut
und die Hingabe aufgebracht haben, die zum Be-
schreiten eines neuen Ausdrucksgebiekes immer ge-
hören und schon nach kurzer Zeit beachtenswerke Er-
gebniste ihrer llnterrichtstätigkeit auf diefem Gebiet
vorweisen konnten, so dürfen wir darin den Beweis
erblicken, daß man — die Künstlerische Befähigung
und sonstige Borbildung vorausgesetzt — mit einiger
Ausdauer die notwendigsten technischen Grundlagen
selbst erwerben kann. stn einer glücklicheren Lage
ist allerdings das nachwachsende Lehrergeschlecht, das
auch auf den graphischen Gebieten mit allem notwen-
digen technischen Rüstzeug für den Beruf des Kunst-
lehrers ausgeskattet sein wird (vergl. die preußische
und württ. Prüfungsordnung). llngemein wichtig ist
es nun, dah dle graphischen Künste an allen unseren
Kunstfachschulen, an denen Zetchenlehrer ausgebildet
werden „voll" genommen werden — das soll nichk
überall der Fall sein — und daß tüchtige Lehrkräste
dafür gewonnen werden. Da könncn wir nnn in
Württemberg nicht klagen. Die Akademie der bil-
denden Künste in Stuttgart, die Hauptbildungsstätte
unserer Zeichenlehrer, an der eine Anzahl hervor-
ragender KLnstler wirken, besiht inGottfried
Graf eine vollwerkige Künstler- und Lehrerpersön-
lichkeik für den Holzschnitt, die sowvhl die geistige wie
die technische Befähigung hat, die zur höheren Füh-
rung unserer Künstlerjugend erforderlich ist.

Gottfried Graf hat das nichk nur durch eigene
künstlerische Arbeiken bewiesen, denen man, ob man
seiner Richtung huldigt oder nicht, das hohe künst-
lerische Niveau nicht abstreiten können wird, son-
dcrn auch durch vorzügliche Ergebniste seiner Lehr-
tätigkeit, die wiederholt schon in der Oeffenklichkeit
in geschlofsenen Ausstellungen zu sehen waren. Die
„Grafschule" hat einen guten Klang schon deshalb,
weil sie sich nicht mit billigen Erfolgen begnügk, son-
dern den eigenklichcn künstlerischen Problemen der
SchwaizWeiß-Kunst bis in alle Tiefen nachgeht.IG.K.
 
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