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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 6 (November 1924)
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Hornoff, Johannes: Baumschlag oder wie lehrt man Bäume zeichnen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0148

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Was den Sbamm anlangt, so habe ich ihn, späier
wenigstens, zrveimal auf jedem Zeichendlatte bar-
stellen lasscn, zunächfi ein kleincs, eiwa einen hal-
ben bis einen Meier hohes Siück des Naturvor-
dildes möglichst groß und ganz genau nachgebildet:
bei der Kieser Mndenplatie ftir Plaite, in der Miite
des Siammes breit, nach beiden Sciten hin per-
spekiivisch sich verschmälernd, ebenso bei der Birke
jedes Auge und jeden senkrechten oder wagrechten
Rijz der zebraariig gestreiften Äinde, dei der Akazle
jede veriieste Aaute, die aus dem ftarkem Netzge-
flecht hervorschaui. Neben dies erste Bild habe ich
ais zweiies eine Wiedergabe des Gesamteindruckes
vom Baumsiamme siellen lafsen, woraüs man er-
sehen konnie, wie der Schüler das Gesamibild der
Äinde in sich ausgenommen und zu seinem Eigentum
gemachi halte. v

Bei der Betrachiung des Siammes ergeben stch
von selbst Fragen, die auch den Berstand beschäs-
iigen, z. B. was verursachi Lie oder jene Ninden-
bildung: die glatte Obersläche Les Aotbuchenstammcs,
die zerrissene der Kiefer? Warum nähern sich die
Risse der letzteren der Senkrechten und Wagrechken,
woraos erklärt sich das diagonale Netzgestecht am
Stamme der Akazie?

Auch kunstgeschichtliche Streiflichker lassen ftch wer-
stn. Die jchöneu, gleichlaufenden Furchen in Ler
Rinde hochsiämmiger, säulenartiger Eichen (besonders
fchön im Spessart bei Rohrbrunn) erinnern uns an
die Kannelüoen anüker Säulen. Wohl also mögen
jena Bertiefungen im Slamme dem Künskler als
Borbild und als Kunstmiitel zur Belebung der glat-
ten Säulenflächen gedient haben. llst doch die Säute
selbst nachweislich aus dem Baumftamme hervorge-
gangen.

Ueber das Letzte und Höchste steilich, über den
StimmunHsgehalt, dle Seele dss einzelnen Baumes,
der Baumgruppe, des Waldes roird man natürlich
mit Schülern miiklerer Klaffen nlcht sprechen; aber
auch bei obern Schüiern müHte man srch mit weni-
gan AnLeutungen begnügen oder es ihnen selbst über-
laffen, in dies Gebiet einzudringen. Eine Besprechung
könnie ähnlich der Erklärung eines iyrischen Gedich-
ies die ganze Slimmung verderben und dem Schüler
den Wald verleiden.

ii/Bst einem zweiien Bssuche des Maldes ist die
Barunkrone und der anschlteßende TÄ des Skammes
mlt Geäst und Radelwerk aus einem neuen Blaite
zu zeichnen. Achnlich. wie Kieser, laffen flch Birke,
Buche, Akazie und andere Bäume Medergebsn.
Wenn es manchen Schülern zu schwer sälli, die
Einzelheiben von Nadel- nnd Laubwerk darzustcllrn,
so taffe man sie vorerst dloß die einzelneu Laud-
und Äadelgruppen umreißen und, damit fte stch vorrH
dem iichten Hintergrunde abheben, schraffieren.

Dankbar ist auch die Darftellung mächtiger Wur-
zeln, perspektivisch wertvoil Lre eines kleinen Ern-
bLckes in Las Waldinnere d. h. des «ntern Teils i
einer Anzahl neben und hinter einander stehender
Baumstämme. Es gilt da, dic Höhe der Fußpunkke,
die Aichkung der Skämme, ihre Äreite, Len Linien-,
fluß, die Gröszc der Zwischenräurne zroischen den
Slämmen zu bestimmen.

Zn Oberterkia und Aniersekunda wird man mik
diesen Uebungen fortfahren und hier schon, aber ganz
besonders in den Oberklaffen den Baum auch als
Bestandteil der Landschafi ausfaffen «nd wieder-

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gebcn lassen, in den Oberklaffen wohi auch einen an-
steigenden Wald: das sanste MellengLriesel der
Laubkronen und die zackig bewegten Amrißlinien
des Radelwaldes.

Hauptsache bleibt, daß der Lehrer nicht nur fähig
ist, mit Worten den Schüler anzuleiken un-d seine
Arbert zu beurteileu, sondern vor allem sähig, in
vorbildlicher Weise chm den Gegenstand vorzuzeichnen.

Durch eine Gedächtniszeichnung, dre eimge Wochen
nach der Naturzeichnung ersolgen kann, mag der
Schüler zeigen, was er sich von dem Baumcharakter
gemerkt hak

Der Weg zur Darstellung geht aiso von der Natur-
betrachtung aus, und jene erfolgt unmittelbar nach Ler
Natur ohne BermMlung der Kopie, aber nach vor-
ausgega-ngener, vorbildlicher Darstellung durch den
Lehrer. ^ ^ ^ -

So wenig Lie Kople zu empsehlen lst, um so mehr
ist die vergleichende Betrachlung künstieriscyer Dar-
stellungen von Bäumen wenigstens für die Oberklas-
sen anzuvaten. Hal der Leycer jeibst solche aujzu-
weisen, so laffe er seine Schüler einen Blick in seine
Skizzenbücher und Naiurstudien tsn, vör aüem ader
veranstalte er kleine Ausstellungen von Künstlerzelch-
nungen in Nachbildungen und wenn möglrch in
Onigiwalen, Altes und Neues stelle er zujammen,
Zingg, Ludwig Mchter, Abbelohde, ja er kann jogar
von der alkdeutschen und ältholländischen Kunst aus-
gehen und zeige damit einerseiis -ie Entwickelung
und den Fortschritk, andererseits, wie Lie künstlerijche
Persönlichkeit in der Berschiedenheit Ler Zeich-
nung sich ausdrückt, welche Mannigfaltigkeit, welche
Fülle, welches Leben -auf Liese Weije zur Erscheinung
gelangt. Wie ganz anders zeichnet ein Dürer als ein
Thoma: wie ganz anders ein Abbelohde, als ein Hans
v. Bvlkmann oder Lührig vder Otto Fischer. Auher
Originalzeichnnngen und Nachbildungen nach solchen
biete man OriZinalsteinzeichnungen. Natürlich dann
zum delehrenden.Dergleich auch Holzschnitt, Kupfer-
stich ünd Radierung herangezsgen und 'damit dem
Schüler deüklich gemachl werden, wie der anderS ge-
artete Werkskoff mik den entsprechenden Werkzeugen
eine ganz andere Behandlung ersordert und eine an-
dere Wirkung hervorruft. Aber Las alles ist nur
ftir Schüler, Lie auf GrunL der vom Lehrer gegebenen
Anweisungen bereits einen Weg zur Darsteliung des
- Baumes gesunden haoen. Dre anüern würde die
Bielhert der Erscheinungen nur verwirren. / '

' stene hingegen werden Leirachtend und zeichnend
Hnen doppelien Gewinn davonkraaen, und auch auf
Liesem Sondergcbiete, der Darstellung des Baumes
ergibt sich, wie Kunstausübung und Kunskbetrachtung
stch gegenseitlg ergänzcn und stützen.

Am die Beranstaltung kleiner Ausstellungen z« er-
leichtern, sei noch eine Anzahl Werke genannt, in
Lenen sich Nachbildungen zeichnerischer oder gra-
phischer Baumdarstellungen oder letztere selbst vor-
finden.

1. Linzelblätter in Mappen. ^ ^

1. Zeichnungen vvn Zingg, C. A. Richker u. a. ir
der obengenannten Mappe: Dresdens Amgebung,
hcrausgegeben von Otto Aichber. Dresdcn, Aömmler
u. Ionas. — 2. Sämtliche Mappen von L. Richter,
Leipzig, A. Dürr. 3. Gute B o rlag en w er ke,
die srüher ln Schulen gebraucht wurden, z. B. Lie
von Rukhs, Huberst Kummer, teilweise von Lalame.
Sammlung von Handzeichnungen bedeukender Mer-
 
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