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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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261

Korrespondenz aus München.

262

^"3 der Fleischteile nicht auf der Höhe der besseren
^Erke des berllhinten Porträtisten steht. I. Koppay
^sdlich brachte das Pastellbilv eines Knaben in ganzer
^''3ur, d<,s zu den besten bisher bekannt gewordenen
dbeiten dieses Künstlers gehörb Denn während seine
^üheren Bilder — alle lebendig aufgefaßt und reizvoll
dllant im Arrangement wie in der koloristischen Durch-
6>hrung — tzoch zuweilen die strenge Zeichnung ver-
"'stsen ließen, haben wir hier eine durchaus gediegene
bsttung vor uns, die uns von dem talentvollen Schüler
^^"vns und Makarts noch ganz Hervorragendes er-
^arten läßt.

Unter den Landschaftern hatten diesmal die aus-
^artigen Gäste den Vortritt. Aus Berlin sandte
Hans Gude cine „Südküste von Norwegen" ein, die,
^un auch nicht als eine hinreißend llberwältigende,
doch als eine sehr tüchtige Leistung gelten kann. Das
^eer ist in großem Stile anfgefaßt; die Wellenbran-
."ug und die von einzelnen Pcrsonen belebte Kllste
'"»eln durch naturwahre Darstcllung, die zwischen
^üchtiger Formandeutung und kleinlicher Detailaus-
^ührung die richtige Mitte hält; nur der Himniel macht
d'Uen allzuglatten, porzellanartigen Eindruck. Kann
'eses Bild als der Ausfluß eines meisterlich abge-
'chlossenen Könnens gelten, so ist dagegen der „Strand
Havre" von H. Petzet das vielversprechende De-
^ut eines jungen Karlsruher Künstlers. Unter den
^iünchener Arbeiten sind ein kleiner, subtil ausgeführter
^usserfall des Altmeisters Albert Zimmermann,
k'ne ernst aufgefaßte „Hügellandschaft mit Gewitter-
uini

lin

Mung" von M. Merker, ein anmutiges Früh-
gsidyll von Otto Strützel, ein die öde Groß-
Uutigkeit der nordischen Natur energisch wiedergebender
»Wintcrtag in dcn Losoten" von O. Sinding und
^iiic Anzahl Studien von I. Wenglein und K.
^ettich zu nennen, die, sehr verschiedenartig in den
^otiven, doch sämtlich eine sreie nnd kühne Auffassung
Und eine interessante malerische Anordnung zeigen.

Die größte Überaschung brachten uns einige neue
^lrbeiten Defreggers. „Das erste Psciferl", ein sür
^us Kvlner Stadtmuseum bestimmtes Bild in beinahe
chbensgroßen Figuren, stellt eine cinfache Bauern-
scnnilie dar. Der jüngste Sprößling, ein dreijähriger
^unge, hat die Pfeife des Vaters im Munde und prüst
u>it dem Ernste eines erfahrenen Rauchers das Kraut,
^ührend der gutgelaunte Vater, die junge Mutter
u»d das ältere Schwesterchen lachend zuschauen. Ver-
^'°nt das Bild wcgen der schlicht einfachen Weise, mit
^er die Gemütlichkeit des Tiroler Familienlebens ge-
schildert ist, auch Anerkennung, so ist doch zu bedauern,
^uß ein Defregger auf eincm für eine öffentliche
^uinmlung bestimmten Bilde einen so nichtssagenden
^ogenstand in so anspruchsvollem Format behandelte,

für das seine koloristische Befähigung nicht ausreicht.
Und auch die drei Bildnisse, welche der Künstler in der
Weihnachtswoche ausstellte und in denen er seine zwei
Knaben und den bekannten Opernsänger Kindermann
vorführt, waren von sehr verschiedenem Werte. Denn
während in dem Porträt Kindermanns mit den ein-
fachsten Mitteln ein großer künstlerischer Effekt erzielt
ist, wirkt es bei den — auch in der Auffassung leb-
losen und im Tone glasigen — Knabenbildnissen
sonderbar, daß die Hände beide Male auf den Rücken
gelegt sind, also wie geflissentlich dem prüfenden Auge
des Beschauers entzogen werden. Darauf fvlgten aber
leider in der Neujahrswoche noch zwei andere Bild-
nisse — dasjenige eines Knaben in ganzer Figur und
das Brustbild des Tiroler Sängers Rainer, — denen
man geradezu ratlos gegenüber steht, da sie in keiner
Beziehung den Anforderungen genügen, welche man an
Bilder eines Meisters von dem Range Desreggers
stellen muß. Wirkt das Brustbild des Tiroler Sängers
plump und roh, so wirkt der als Jäger gekleidete
Knabe, der mit Ler Flinte in einer Gebirgslandschaft
steht, geradezu kindlich unbeholfen. Schon die Haltung
und Stellung ist eine durchaus unmalerische; die Hände
und Füße lassen jedes genaue Formenverständnis ver-
missen; die Farbe wirkt kalt und unvermittelt; der
Gesichtsausdruck und der Hintergrund sind so flach,
wie man das sonst nur auf kolorirten Photographien
zu finden pflegt.

Wie ich höre, hat Defregger schon wieder drei
andere Bilder in Arbeit. Das erste, das für ein
Museum bestimmt ist, nennt sich „Auf der ersten
Studienreise" und führt zwei junge Maler vor, die
vor einem Bauernhause mit drei Dorfschönhciten plau-
dern, die sie als Modelle für ihre Bilder gewinnen
möchten. Das zweite, dem Berliner Kunsthändler
Gurlitt gehörig, stellt eine Anzahl Baucrnkinder dar,
die sich von einem phantastisch aufgeputzten Halbcretin
eine Spukgeschichte erzählen lasien. Das dritte bringt
einen alten Landmann, der einem jungen Mädchen
aus der Hand wahrsagt. Jm Jntcresse des Meisters
wollen wir wünschen, daß diese neuen Bilder den Lieb-
ling des deutschen Volkes wieder in sciner vollen Kraft
zeigen werden!
 
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