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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Die neu eröffnete Abteilung deutscher Bildwerke im Königlichen Museum zu Berlin, [2]
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423

Dis neu eröffnete Abteilung deutscher Bildwerke im Königlichen Mriseum zu Berlin.

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Sibyllen, teilweise niit unverkennbaren Porträtzügen
darstellcn und aus der Fuggerkapelle der Augsburger
Annakirche in den Besitz des Berliner Museums über-
gegangen sind. Freilich dürfte Adolf Daucher nur
als Unternehmer und Werkleitcr dabei in Betracht
kvmmen, da bei den fünfzehu Büsten augenscheinlich
verschiedene Hände thätig gewesen sind.

Akaria als Schützerm der Elenden.

Bon Gregor Erhart. Berlin, Museum.

Bon kleiueren Werken Augsburger Ursprungs sei
uvch eine sitzcude Madonnenstatuette und das iu Bode's
Geschichte der Plastik ebenfallß in Buutdrnck abgebil-
dete Relief der Geburt Mariä erwähnt, das nament-
lich durch die gut erhaltene Bemalung und Vergoldung
von Jnteresse ist. Dem künstlerischen Charakter nach
steht es den gleichzeitigen Bildern etwa eines Burgk-
mair nahe.

Die bayerische Schule ist durch einen H. Lau-

rentius vertreten, der aus der Burgkapelle zu Grün-
wald bei Müncheu stammt. Ebendahin gehvrt wohl
auch ein schlafender Johannes in der bei Ölbergscenen
typischen Haltung. Eine in dcn Proportionen etwa§
mißratene Madonna zeigt ganz die Art des Michaei
Pacher und ist sicher unter seinem Einfluß, wenu nicht
in seiner Werkstatt, entstanden. Zwei südtirolische
Reliefs schließlich überrascheu durch ihre enge An-
lehuung an oberitalienische Muster, sv daß man sie
fast sür Werke von Paduancr Künstlern halten mvchtc.
Aus derselben Sammlung, wie zwei der Augsburgcr'
Stücke, stamint auch ein dreiteiliges Relief, Maria
Heimsuchuug, die Flucht nach Ägypten und den Evan-
gelisteu Johannes aus Patmos darstellend, das mcines
Erachtens der hessischcn Schule zugesprocheu werden
darf, welche sich trotz sränkischer und niederrheinischer
Einflüsse eine gewisse Selbständigkeit bewahrt hat.

Zwei ältere wertvolle Besitzstücke des Museums,
die lebensgroßen Thonbüsten des Nürnberger Patri-
ziers Wilibald Jmhof und seiner Frau Anna geb-
Harsdörferin, galten bisher als Werke eines Nürn-
berger Meisters des 16. Jahrhunderts, während aus
deni „Uukostenbuch" der Haushaltung des einstigen
Besitzers hervorgeht, daß auch sie — sicher wenigstciis
die „contrafectur" des Mannes — vou cinem der
damals in Deutschland viel beschästigten niederländi-
schen Künstler, Jan de Zar aus „Neumegl" (Nym-
wegen?) herrühren. Ein gleiches ist von dem eben-
salls aus der Sammlung Minutoli erworbencn Por-
trätkopf eines dänischen Monarchen, der mit Unrccht
in so ungünstige Beleuchtung gestellt ist, anzunehmcn.

Wenn wir von den Werken des 17. und
18. Jahrhunderts noch zwei auf Franyois Du-
quesnoy zurückgeführte Putten, ein Bleigußrelief von
Raphael Donner und das Modell Schlütcrs für
die Reiterstatue des Großen Kurfürsten nennen, so ist
die Zahl der hervorragenderen Stücke der Sammlung
erschöpst. Daneben finden wir aber noch einen Schrank
mit Werken der plastischen Kleiukunst, unter denen
namentlich die schon oben erwähnte in Silber gc-
triebeue Madonnenstatuette des Augsburger Gold-
schmiedes Heinrich Hnfnagel eine besondere Besprechung
verdiente, sowie eiu Schaukasten mit deutschen Bronze-
placchetten, Wachsbossirungen und Medailleurarbeiten,
die hoffentlich nicht nur den Neid sv manches Privat-
sammlers, sondern auch das lebhaste Jnteresse unserer
strebsameren Kunsthandwerker erregen werden.

Eine öffentliche Kunstsammlung dient indessen
nicht ausschließlich den Jnteresien des Kunstgelehrten
und des ausübenden Künstlers, sie hat gleichzeitig dic
hohe Aufgabe, auch iu weiteren Kreisen dcs Publi-
kums Kunstsinn und Geschmack zu fördern und zu
bilden, und insofern ist die reiu künstlerische An-
 
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