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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Sammlungen und Ausstellungeu. — Vermischte Nachrichten.

52^

Ti-psn hinaus. Der Beamte sitzt mit untsrgeschlagenen Veinen
a»i Boden und verfaßt ein Schriftstück, Diener und Diene-
rinnen, deren Statuen man jetzt den Toten mit ins Grab
giebt, mahlen Korn, kneten Teig und verrichten andere Ar-
beiten. Besonders beliebt sind Familiengruppen: zu beiden
Seiten des auf einem Sessel sitzenden Vatsrs kauern Frau
und Kind und halten seine Beine umschlungen, vder der
heranwachsende Sohn reicht dem neben ihm stehenden Vater
die Hand u. a. m. So geivährt diese Epoche der ägpptischen
Plastik ein besonders ersreuliches Bild, und cinigeSchöpfungen
derselben, wie der „Dorsschulze" im Muscum lion Bulag und
der „Schreiber" im Louvre haben in den weitesten Kreisen
Bewunderer gcfunden. Jndessen darf nach solchen Haupt-
stücken nicht diess ganze alte Kunst beurteilt iverden, denn
neben wenigen vortrefflichen und einigen guten Arbeiten stand
auch in ihr massenhafteDutzendivare. — Herr Furtivängler
legte zuerst die Photographie einer in Marseille befindlichen
und durch ungewöhnliche Schönheit ausgezeichneten, vortreff-
lich erhaltenen Vass der älteren mi>kenischen Gattung vor und
besprach dann einen jetzt im Museum von St. Germain be-
findlichen Bronzekrater nebst dazu gehörigem Dreifuß. von
dem gleichfalls Photoaraphien zur Stelle waren (s. Ed. Flouest,
Pö8' tuinulus äes LvU88tzIot8 PIV8 Oliatilloii - 8ur - gtzliie).
Der Dreifuß stimmt genau mit einem in Olympia vorkom-
menden Thpus überein und giebt über die Bestimmuiig ge-
wisser sehr schlecht erhaltener Fundstücke von Olympia wich-
tigen Aufschluß. Vermutlich stammt der Dreifuß und der
mit Greifen geschmllckte Kessel aus Massilia, einer Kolonie
von Phokäa, wo dieser Typus bekanut sein mußte, da im
ionischen Kleinasien die Gestalt dss griechischen Greifs ihre
erste Ausbildurig erhalten hatie (Roscher, Lexikon unter Aiz-p8).
Schließlich berichtete der Vortragende über seinen letzten Aus-
enthalt in Athen und die dortigen Museen, welche durch Ver-
mehruiig ihres Bestandes und bessere Ausstellung desselben
bedeutende Fortschritte gemacht hätten. Vor allen bereichert
sei das Akropolismuseuin durch die herrlichen archaischen
Statue» aus den jüngsten Ausgrabuiigeii, die auch für die
Geschichte der Vaseniiinlerei sehr wichtig seien, da sie zeigen,
daß der strenge rotfigurige Stil im wcsentlicheu vorkimoni-
scher Zeit angehöre, eine Thatsache, die der Vortragende schon
in der „Sammluiig Sabouroff" behauptet hatte.

— Die kunstgcschichtliche Gescllschaft in Bcrliu, über die
wir letzthin eine kurze Mitteilung brachten (Kunstchronik,
Sp. 48i>), bot auch in den Vorträgen ihrer dritten Sitzung
am 25. März manches Jnteressante. Zunächst setzte Lessing
seine dankenswerten Verichte über die reichen Kunftsaiiim-
lungen Rußlands fort und wies besonders aus die Schätze
in Petersburg hin. A. von Heyden knüpste an Essenweins
hier (Sp. 358) schon erwähnte Publikation des Holzschnittes:
„Die Belehnung Ferdinands I. mit den österreichischen Erb-
landen durch Karl V." kritische Bemerkungen und glaubt nicht
in dem Verleger dcs Werkes — Hans Tirol — 'sondern in
Jörg de Breu den Urheber sast aller Holzschnittteile zu er-
kennen. Von dsn übrigen Vorträgen dieser Sitzung seien
noch hervorgehoben: von Tschudi's Besprechung von W.
Bode's „Jtalienischsn Bildhauern dcr Renaissance" und
Lippmanns Hinweis auf die Versteigerung der an Rem-
brandt-Radirungen reichen Sammlung des Herzogs von
Buccleugh.

Sammlungen und Ausstellungen.

2 Ncmbiandt-Ausstcllung in Boston. Jm I'riut Ds-
partwsnt des Museums in Boston sindet gegenivärtig eine
vom Abteilungsvorstande der Sammlung, Herrn S. R.
Koeh ler, arrangirte und katalogisirte Ausstellung der Radi-
rungen Rembrandts und seiner Schuls statt, zu welcher Herr
Henry F. Sewall in New Iork den Hauptbestandteil beige-
steuert hat. Außer dieser vollständigsten rmd wertvollsten
Kupserstichsammlung der Vereinigten Staaten sind in der
AuSstellung noch durch kleinere Beiträge vertreten: die Herren
H.C.AHlborn in Boston, Edw.Robinson daselbst, H.Wunderlich
Co. in New Uork, Chas. H. Hart in Philadelphia und
Edw. W. Hooper in Cambridge, Mass. Der praktisch und
geschmackvoll eingerichtete Katalog bietet eine gedrängte ilber-
sicht des gesamten Radirwerks Rembrandts und der um ihn
gruppirten holländischen Meister. Nach einer Einleitung,
welche von der epochemachenden Rembrandt-Ausstellung des

Burlington Piirs L.rts Oluli in London vom Jahre 1877
ausgehend, eine gedrängte Übersicht der neuesten Rembrandt-
Forschungen und kritischen Arbeiten über die Nadirungen des
großen Amsterdamer Meisters enthält, folgt das nach Vosmaer
geordnete Verzeichnis der ausgestellten Blätter, nebst Listen
derjenigen Radirungen, welche Vosmaer teils nicht klassifizirt,
teils verworfen oder übersehen hat. Daran reiht sich eine
Aufzählung von Radirungen, Stichen u. dergl. nach Bildern
von Rembrandt, in chronologischer Ordnung. Dann solgen
die Radirungen der zum Kreiss Rembrandts gehörigen Künstler
(Pieter Lastman, Salmon Savrij, Salomon Koninck, M-
Roddermondt, I. I. van Vliet, Ferdinand Bol und Jan
Lievens). Endlich eine Zusammenstellung der Katalognuin-
inern von Blanc, Bartsch, Wilson, Middleton und Dutuit
mit der Nummernfolge des Koehlerschen Katalogs. — Auch
zwei Kopien nach Rembrandt und ein Originalbild desselben
sind beigesügt, letzteres niit der Darstelluiig von Danaö und
Jupiter (?), bczeichnet datirt vom Jahre 1652 im Besitze des
Herrrn Francis Brooks. Nach Koehlers Urteil ist es der
Bathseba vom Jahre 1643 in Ton und Malweise nahe ver-
wandt. — Ausstellung und Katalog werden dcn Kunstsreunden
in Amerika sehr fördersam sein und letzterec sei auch dein
europüischen Publikum zur Beachtung bestens empfohlen.

Vermischte Nachrichten.

« Cduard Kaiser, der bekannts treffliche Zeichner und
Aguarellist, welcher zahlreiche Vorlagen sür dis Farbendrucke
der Lrnnäsl Looiebz- lieferte, iveilt gegsnwärtig in Wien, im
Belvedere mit dem Kopiren einiger berühmter Meisterwerke
beschäftigt. So sahen wir von ihm eine Reproduktion der
„Heil. Justina" des Moretto. die an Glut und Leuchtkrnst
der Farbe das Außerordentlichste bietet, was man vvn einer
Kopie verlangen kann. Das etwa meterhohe Blatt ist in einer
gemischten Manier ausgeführt, welche von Kaiser (wie von
mshreren Londoner Künstlern) wiederholt mit bestem Erfolgs
bei ähnlichen Arbeiten angewendet wurde: die Untermalung
ist in Tusche hergestellt, dann das Bild in verschiedenen
Schichten init Temperafarben übergangen und endlich mit
einem Wachsüberzug sertig gemacht. — Auch Tizians kleinen
Amor mit dem Tambourin hat Kaiser in derselben Technik,
im Auftrage der F-rau Altgräfin Salm, geb. Prinzessin Liechten-
stein, vor kurzem kopirt.

— Über die Enthüllung dcr Florcntinei Domfassade meldet
man der N. Fr. Presse v '12. d. M. aus Florenz: Ein voin
italienischen Volke seit Jahrhunderten gehegter Wunsch hat
heute mit der Enthüllung der Domfassade der Kathedrale
Santa Maria del Fiore eine glänzende Erfüllung gefunden.
Auf dem Domplatzs prangten süintliche Gebäude bis zu den
Dächern hinauf im Flaggen- und Blunienschmucke. Die ab-
gesperrten Straßen waren mit so dichten Menschenmassen ge-
füllt, daß, um Unfälle zu vermeiden, der aufgestellto Truppen-
kordon die Menschenflut langsam zurückdrängen inußte. Das
Königspaar erschien, vom Hofe umgeben und von KürassiereN
begleitct, um zehn Uhr auf dem Domplatze und ivurde init
enthusiostischen Beifallsrufen empfangen. Nachdem der König
und dis Königin die blumengeschmückte, an das Baptisteriuin
von San Giovanni angelehnte Tribüne betreten, wurde so-
fort der Befehl gegeben, die Stricke zu lösen, an welcheu die
dis Fassade verhüllenden Draperien befestigt waren. Lang-
sam glitt die Hülle herab. Zuerst erschien die lsichtgegiebelte
Bekrönung des Hauptschiffgiebels, dann zeigte sich dis mit
farbigen Steinen geschmückte Fensterrosette des Mittelschiffcs
und der weiß und rot eingelegte Fries mit den zwölf Aposteln!
hierauf erblickte man die Baldachinnische, in welcher die Ma-
donna mit dem Kinde, eine goldene Blume herabreichend,
steht. Endlich wurden die drei Portale mit ihren hohen
Ziergisbeln enthüllt, dis mit Mosaikbildern geschmückt sind.
Jm Hauptportale sieht man die Wappen der Häuser Savoyen
und Lothringen, sowis des päpstlichen Stuhles in geschicht-
lich begründeter Eintracht neben cinander. Als die ganze
Fassade in voller Pracht und Herrlichkeit sichtbar war, brach
die Menge in stürmische Jubelrufe aus, die mehrere Minuten
lang anhielten und sich erst legten, als der Erzbischof, von
Priestern und Diakonen umgeben, die ein mit Palmen ge-
schmücktes Silberkreuz trugen, unter dem Hauptportale
erschien und dem Königspaare, sowie dem vollendeten Bau-
werke den Segen erteilte. Die Truppen präsentirten, schmet-
 
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