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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Brun, Carl: Die schweizerische Kunstausstellung von 1887
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0366

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Die schweizerische Kunstausstellung von 1887.

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beideri Gemälde schwer gerecht werden. Jeanneret
ist ein entschiedenes Talent, dem zu wünschen wäre,
daß er sein vorgefaßtes Glaubensbekenntnis recht bald
anfgübe, um in gesundere Bahnen einzulenken.

Wenden wir uns nun zu den Tierstücken von
Koller. „Die Begegnnng" und „die Tränke" zeigen
uns den Meister im alten Geleise, „der Pferdekampf"
dagegen verrät ein Suchen nach neuen Pfaden. Jch
gestehe offen, daß mir der srühere Koller, so bewun-
derungswürdig anch die jugendliche Frische, mit
welcher er eine ihm sonst fremde Malweise sich an-
zueignen sucht, ungleich höher steht, als der von
Böcklin beeinflußte Koller. Wir lieben Koller um
seiner selbst willen und sind gewohnt, seine Werke mit
dem Maßstabe seiner eigenen Augen zu messen. Die
Bedeutung Kollers ist so groß, sein bisheriges Wirken
sv zielbewußt und selbständig, daß er die Brillen
andercr füglich entbehren kann. „Eines schickt sich
picht für alle" sagt Goethe.

Unter unsern Landschaftern nchmcn Veillon
nnd Castan entschieden den ersten Rang ein. Veillons
„8ouvenir äo Ualsstins" giebt den Zauber des
Orients, wie mich solche versicherten, die ihn aus
eigener Anschauung kennen, mit Wärme und Wahr-
heit wieder, Castans „Waldbach im Winter" zeugt
vom trenesten Studium der Natnr. Auch sein „Ge-
strandetes Fischerboot", welches von einer Anzahl
Schifser ans Land gezogen wird, ist eine erfrenliche
Leistnng. Neben Veillon und Castan stehen in der
welschen Schweiz Bocion, der in endlosen Variationen,
aber leider immer monotoner, den Genfersee malt,
Arthnr Calame, Robinet nnd Du Mont. Ca-
lame's „Sumpf bei Villeneuve" verdient das Attri-
but „langweilig", sein „Uorck cku lao äo 6onävo" ist
brillant gemalt, aber verliert durch die moderne, die
Linien gewaltsam durchschneidende Ouaianlage den
Reiz der Ursprünglichkeit. Weitans das hervor-
ragcndste Bild, das er dieses Jahr ausstellte, zeigt
uns ein Schisf auf osfener See, welches mit seinen
Jnsassen vor dem herannahenden Gewitter dem
Lande zustrebt. Hier verbindet sich die Größe
der Linie mit den dnrch die Situation motivirten
wcißgrauen Tönen zu cinem essektvollen Gesamt-
eindruck. Nvbinet scheint es als eiue seiner
Hanptanfgaben anzusehen, dem Vierwaldstättersee die
malcrischen Seiten abzugewinnen; er stellt den maje-
stätischen Urirotstock neben das an Kastanien- wie
dknßbäumcn reiche Gersau nnd Brunnen und hat sich
mit Liebe in die klassischen Punkte des romantischeu
Bergsees eingelebt; sein „Olivenhain bei Mentone"
beweist, daß er auch im Süden zu Hause ist. Du
Mont begegneten wir unter den Landschaftern zum
erstenmal. Abendstimmungen sind nicht jedermanns

Sache und können nnr von denen benrteilt nnd nach
Verdienst gcwürdigt werden, die sich die Mühe neh-
nien, sie in der Natur aufzusuchen. Gerade das, was
Uneingeweihte an dem Bilde als unwahr tadeln, die
bei der intensiven Dunkelheit der Bäume im Mittel-
grunde noch verhältnismäßig große Helligkeit des
Horizontes, werden diese als richtig beobachtet und
studirt loben müssen. Du Monts Gemälde hat Per-
spektive, Stil und Charakter und hält sich fern von
jeder Manier. Die bedeutendsten deutschschweizerischen
Landschafter wie Stäbli, Fröhlicher, Steffan, Gam-
pert rc. leben in München. Stäblis Bild, es stellt eine
Überschwemmung dar, ist mehr eine Farbenskizze, als
solche aber vielverheißend und wohl wert, in grvßeren
l Verhältnissen ausgeführt zu werden. Fröhlicher
führt den Beschauer an die User dcs Lech und zeigt
ihm, wie im Maimonat am Waldesrande gut ruhen
ist. Allgemein angesprochen habcn Steffans „Vor-
frühling am Starnbergersee" und die Gemälde
Gamperts, welch letzterer sich aber zu hnten hat,
der Manier zu verfallen. Nennen wir znm Schluß
uoch Rüdisühli, Benteli, Geißer und Muheim,
die auch diesmal mit mehreren fleißig ausgeführten
Bildern vertreten waren. Zu welcher Gattung He-
lene Stromeyers „Kranz" zu rechnen ist, wissen
wir nicht. Wasser und Luft, Bäume und Vögel,
Rosen, von denen niemand weiß, wie sie dahin ge-
raten sind, alles das hat die Künstlerin phantasievoll
und poetisch zu einem Ganzen verwoben.

Über die Skulpturen kann ich mich kurz fassen.
Die Gebrüder Hoerbst hatten, der jüngere einen
weiblichen Studienkopf, der ältere nach einer Photo-
graphie die gewiß ähnliche und gut modellirte Por-
trätstatue eines verstorbenen Kindes ausgestellt. Von
Nrs Eggenschwiler war das Modell eines sür
einen öfsentlichen Platz bestimmten Löwen, von
Schweizer, einem Schüler Schillings in Dresdcn,
waren drei kleine Bronzen zu sehen, die Privateigen-
tum desHerrn Grob in Riesbach sind. Herr Grob gab
Schweizer den Auftrag, die Schiffahrt, die Prodnktion
und den Handel allegorisch darzustellen, der Künstler
«hat sich sciner Aufgabe mit Geschick entledigt, indem
er eine Malaiin mit Tabaksblättern untcr dem Arm,
einen Schiffsjungen und eine weibliche Fignr mit den
Attributen des Aierkur >!) modellirte.

Während die Tnrnusansstellung in Zürich weilte,
traf von Bern die srohe Botschaft ein, daß der Bund
endlich gesonnen sei, für die Fortetttwickelung der
bildenden Künste in der Schweiz etwas Erkleckliches
zn thun. Bisher belief sich der jährliche Bundesbei-
trag an den Kunstverein auf nur 6000 Franken, jetzt
ist eine ungleich höhere Snmme in Anssicht gestellt.

> Eeben wir nns auch nicht der Hosfnung hin, daß
 
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